Kommentar zu Gewerbeimmobilien: Das Büro wird nicht verschwinden

Ein Büro braucht doch niemand mehr – das ist immer wieder zu hören. Manches Jungunternehmen spart sich schon eine Zentrale für alle und lässt die Mitarbeiter mobil ar­beiten. Ist das wirklich der Weg zum neuen Arbeiten selbst für größere Organisationen?

Richtig ist, dass an vielen Orten auch mit dem Homeoffice der Bedarf an Büroflächen sinkt. Dieser Wandel hat Folgen für den Immobilienmarkt in Deutschland: Vor allem ältere und abgelegenere Bürobauten geraten unter Druck – und mit ihnen ihre Eigentümer und Finanzierer.

Wie schnell sich der Büromarkt drehen kann, zeigt sich in Amerika. Dort sind die Pendelwege zum Arbeitsplatz häufig länger als hierzulande, und die Präsenz im Büro ist oftmals geringer. Schätzungen gehen davon aus, dass in den amerikanischen Metropolen mindestens 20 Prozent der Büroflächen un­genutzt sind. Am stärksten trifft das San Francisco: Die Berater vom McKinsey Global Institute befürchten, hier könne die Nachfrage nach Büroflächen bis zum Jahr 2030 um bis zu 38 Prozent sinken im Vergleich zum Jahr 2019.

Für andere Großstädte sieht das nicht ganz so drastisch aus, aber fällt doch ins Gewicht und dürfte Wertverluste mit sich bringen. Schon zuvor sind die Kaufpreise vielfach gesunken, während Zinsen und Baukosten gestiegen sind.

Den Druck leerer Büros in Amerika spüren selbst deutsche Banken wie die Pfandbriefbank, die Aareal Bank, die Deutsche Bank oder Landesbanken, die Büroimmobilien in Amerika finanziert haben: Zusammen haben hiesige Institute mehr als 2 Milliarden Euro an Rückstellungen gebildet – für den Fall, dass diese Kredite nicht zurückbezahlt werden.

Auf dem Weg zu hybriden Arbeiten

Auch für Deutschland gilt: Wer im Büro mit Computer, Maus, Tastatur und Telefon arbeitet, hat in der Corona-Pandemie gelernt, seine Aufgaben von zu Hause aus zu erledigen. Nach der Pandemie etablierte sich häufig ein hybrides Arbeiten: einige Tage in der Woche zu Hause, ein paar Tage im Büro. Die Aufteilung schwankt zwischen Unternehmen und Branchen.

Die Anforderungen ans Büro wandeln sich dadurch: Betriebe wollen Begegnungen und Besprechungen vor Ort fördern, sie setzen auf geplanten und ungeplanten Austausch. Statt Einzelräume verlangen sie mehr Gemeinschaftsflächen und richten Konferenzebenen ein.

Temporär genutzte Schreib­tische lösen feste Arbeitsplätze ab, weil ohnehin durch Urlaub, Reisen oder Krankheit nicht jeder jeden Tag da ist. Damit ändern sich die Raumkonzepte, während der Flächenbedarf sinkt. Die Bundesbank sagt gerade einen geplanten Neubau ab, weil sie diesen nun nicht mehr braucht.

Leere Büros auch in Deutschland

In deutschen Städten hat der Anteil leerer Büroflächen zuletzt zugenommen: in den sechs größten Büromärkten auf fast 6 Prozent, in Frankfurt sogar auf rund 10 Prozent. Der Immobilienberater Savills rechnet damit, dass viele Unternehmen mit mindestens tausend Quadratmetern Bürogröße ihren Bedarf senken – und das im Schwerpunkt um 20 bis 30 Prozent. Das Ausmaß variiert. Höhere Qua­dratmeterpreise werden dabei immer wieder durch eine geringere Mietfläche ausgeglichen.

Neubauten müssen somit ihre Mieter fast komplett aus Bestandshäusern weglocken. Das klappt mal schlechter wie bei dem Elbtower in Hamburg, das Deutschlands dritthöchstes Hochhaus werden soll: Durch die Insolvenz der Signa-Gruppe sind die Bauarbeiten gestoppt – für die Büroflächen dort fehlen auch noch Mieter. In Frankfurt läuft es für das Großbauprojekt Four mit vier Hochhäusern besser: Im größten Turm sind zwei von drei Büros vermietet.

Die Unternehmen bemühen sich stärker, ihre Mitarbeiter ins Büro zu holen: Auch angesichts des Fachkräftemangels bieten sie mitunter frisches Obst an, Sporträume, Massagen, einen Barista für den Bürokaffee oder einen wöchentlichen Reparaturdienst für Fahrräder. Die Befürchtung lautet, dass ohne Zeit im Büro der Austausch mit den Kollegen abebbt wie auch die Verbundenheit mit dem Arbeitgeber. Die Bürokosten senkt das kaum.

So suchen sich Unternehmen als neue Büros moderne Gebäude in zentraler Lage mit vielfachen Möglichkeiten – in der Hoffnung, dass ihre Mitarbeiter dorthin lieber gehen und die Präsenz steigt. Dazu achten sie häufig darauf, grüne Gebäude mit geringerem Energieverbrauch zu finden. Der Büromarkt dürfte sich damit stärker aufteilen. In guten Lagen mit Bahnanbindung, Geschäften und Leben drum herum sollte die Nachfrage höher bleiben. Anderswo fällt das schon schwerer, gerade wenn das Gebäude in die Jahre gekommen ist.

Abrupt zeichnet sich der Wandel auch wegen langjähriger Mietverträge kaum ab, er dürfte sich über mehrere Jahre strecken. Weder das Büro noch das Homeoffice werden dabei aus dem Alltag kleinerer und größerer Unternehmen verschwinden.