Kommentar | Gefängnis-Skandal erschüttert Bayern: Sah Justizminister Georg Eisenreich intellektuell weg?
Nackt, ohne Decke und Essen: So sollen Menschen in der „modernsten Strafanstalt Bayerns“ untergebracht worden sein. Der Justizminister will von den Zuständen nichts gewusst haben. Ist die Würde des Menschen in bayerischen Knästen antastbar?
Der Knast ist ein Staat im Staat und Willkür an der Tagesordnung. So berichten es viele Inhaftierte. Die Ereignisse in der JVA Gablingen bei Augsburg, der offiziell „modernsten Strafanstalt Bayerns“, sind ein Exempel. Dort sollen Gefangene ohne jede rechtliche Voraussetzung in einem „besonders gesicherten Haftraum“ untergebracht gewesen sein: nackt, ohne Matratze und Decke und teilweise bei unzureichender Verpflegung. Außerdem sollen sie körperlich misshandelt worden sein.
Angezeigt hatte diese „schweren Missstände“ die Gefängnisärztin dem bayrischen Justizministerium bereits im Oktober 2023. Doch es passierte: nichts.
Die Staatsanwaltschaft wurde nicht tätig, der zuständige Justizminister Georg Eisenreich (CSU), der sich tagelang ausschwieg, will davon nichts gewusst haben. Fragt sich, ob auf die Suspendierung der Anstaltsleiterin und ihrer Stellvertreterin hin der Skandal nun nachdrücklich aufgeklärt wird.
Der Europarat rügte Bayern bereits für seine Haftbedingungen
Einzelhaft ist in Deutschland kein Einzelfall, darf bei Regelverstößen aber nur für begrenzte Zeit verhängt werden. Die Realität ist anders. In der JVA Tegel etwa saßen 2020 und 2021 neun Insassen länger als 100 Tage in Einzelhaft, in der JVA Celle wurde ein Mann 18 Jahre völlig abgeschirmt, in Rosdorf ein Mann sogar 26 Jahre. In Nordrhein-Westfalen bedarf es dafür nicht einmal einer Zustimmung der Aufsichtsbehörde.
Seit den Auseinandersetzungen um die Isolationshaft der Gefangenen der Roten Armee Fraktion finden die Zustände in den Haftanstalten aber nur noch wenig öffentliches Gehör. Und wenn, dann meist nur, wenn Häftlinge beim Bundesverfassungsgericht klagen, wie vergangenes Jahr etwa in Bezug auf die ausbeuterische Arbeitsentlohnung in NRW.
Doch Bayern spielt wieder einmal eine Sonderrolle.
Vor einigen Jahren rügte der Antifolterausschuss des Europarats vor allem die dortigen Verhältnisse und monierte den Umgang mit Drogenkonsumenten und die medizinische Versorgung von Häftlingen. Der Freistaat sah allerdings keinen Handlungsbedarf. 2020 kassierte Karlsruhe gleich drei Entscheidungen des Landgerichts Augsburg und des Oberlandesgerichts München, in denen es um Haftbedingungen und die Verfahrensrechte von Inhaftierten ging. Die Wahrung der Menschenwürde im Gefängnis ist eben ein Glücksfall. In Bayern sowieso.