Klimapolitik: Weniger Klimaschutz hilft sekundär nicht gegen die AfD

Würden ein Klimageld und geringere Umweltauflagen tatsächlich AfD-Wählerinnen und -Wähler zufriedenstellen? Gastautor Felix Ekardt glaubt das nicht. Der Leiter der Forschungsstelle Nachhaltigkeit
und Klimapolitik in Leipzig initiierte die erfolgreiche Klimaklage vor dem Bundesverfassungsgericht. Gerne antwortet er direkt unter dem Artikel auf Leserkommentare. Diskutieren Sie mit ihm!

Die Europawahl hat gezeigt: Rechts- und Linkspopulisten werden stärker und fordern die Demokratie fundamental heraus. In Ostdeutschland sieht es für die Landtagswahlen im Herbst bereits nach einer Blockademehrheit von Rechts- und Linksaußen im Stil der frühen 1930er-Jahre aus, gleichzeitig droht die Wiederwahl Donald Trumps in den USA. Kehren wir also auch in den vermeintlich sicheren liberalen Demokratien des Westens zum menschheitsgeschichtlich allgegenwärtigen Fall zurück: zum autoritären Regime? Wenn aber anscheinend die immer spürbarere Klimapolitik die Menschen zu Björn Höcke (AfD) und Sahra Wagenknecht (BSW) hintreibt, was läge da näher, als beim Klimaschutz kräftig auf die Bremse zu treten?

Die AfD verspricht simple Lösungen: billiges Gas aus Russland

Im ersten Moment klingt das plausibel. Viele Menschen verspüren zunehmend ökonomisch und existenziell Angst vor einer sich immer schneller wandelnden Welt. Klar, der Klimawandel ist ein Problem, das verstehen immer mehr Bürgerinnen und Bürger. Doch sind wir alle mehr oder minder eigennützig, folgen zudem emotionalen Antrieben wie Bequemlichkeit, Gewohnheit und Verdrängung und hängen in liebgewonnenen Normalitätsvorstellungen fest. Da kann man schon mal zum Wutbürger werden, wenn plötzlich die Ölheizung im Häuschen oder der Verbrenner für die tägliche Fahrt zur Arbeit durch politische Entscheidungen unter Druck geraten. AfD und BSW versprechen eine Wiederaufnahme billiger Gasimporte aus Russland – und ein Ende des Ukraine-Kriegs und der durch ihn ausgelösten ökonomischen Erschwernisse.

Der Versuch, die Demokratie durch weniger Klimaschutz zu retten, wird jedoch scheitern: weil die Demokratie dann auf andere Weise untergraben werden wird. Wählerinnen und Wähler von populistischen Parteien wird man außerdem mit weniger Klimaschutz nicht überzeugen können.

Denn: Wer statt auf Klimaschutz weiter auf die fossilen Brennstoffe setzt, fördert Russland und damit seine expansionistische Außenpolitik. Entweder direkt, indem Deutschland im Sinne von AfD und BSW die Importe von Russlands fossilen Staatsunternehmen wieder steigert und damit Russlands Kriegskasse füllt – oder indirekt, indem ein wieder gesteigerter Verbrauch von Öl und Gas in anderen Lieferländern die Preise am Weltmarkt durch steigende Nachfrage nach oben treibt. Das würde nicht nur einen Staat finanzieren, der auch für uns eine Bedrohung darstellt. Es wird auch verdammt teuer – wegen der dann umso dringlicheren Aufrüstung und weil bei den fossilen Brennstoffen mittelfristig hohe Preissteigerungen absehbar sind.

Zudem würde eine verstärkte fossile Nachfrage den Klimawandel weiter anheizen, das heißt: vermehrte Naturkatastrophen, Gefährdung der Nahrungs- und Wasserversorgung in Teilen der Erde, dadurch ausgelöste Migrationsbewegungen und gewaltsame Konflikte um knappe Ressourcen. Genau eine solche Entwicklung würde wiederum die Demokratie stark gefährden. Ähnlich demokratiegefährdend wäre es, wenn man das Handeln gegen den Klimawandel weiter hinauszögerte, es dann irgendwann aber doch einsähe und in kürzester Zeit das Ruder herumreißen wollte. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem weltweit beachteten Klimabeschluss 2021 vor all diesen Gefahren für Freiheit und Demokratie durch den Klimawandel explizit gewarnt.

Auch ein Klimageld wird nicht alle überzeugen

Manche Kritiker oder Kritikerinnen mögen erwidern: Man muss ja den Klimaschutz nicht gänzlich bleiben lassen, aber wenigstens mit mehr sozialen Ausgleichsmaßnahmen sollte man ihn kombinieren, um die Transformation besser abzupuffern. Meint man damit allerdings fossile Subventionen wie die Pendlerpauschale oder die Gaspreisbremse, so fördern diese wieder nur den Verbrauch fossiler Brennstoffe. Auch ein Klimageld, das zur Kompensation staatlich induzierter Energiekosten einfach pro Kopf an alle Bürgerinnen und Bürger ausgezahlt wird, kann gerade bei unteren Einkommensschichten, die dann in der Summe etwas mehr Geld als vorher in der Tasche haben, den fossilen Verbrauch erhöhen und damit ökologisch kontraproduktiv sein.

Erfasst man dagegen alle fossilen Brennstoffe im EU-Emissionshandel und errichtet damit für sämtliche Emissionen einen festen Deckel, könnte man, wie es auf EU-Ebene gerade angebahnt wird, tatsächlich für untere Einkommensgruppen, die dies tatsächlich nötig haben, soziale Ausgleichsmaßnahmen etablieren. Durch eine Obergrenze würden auch nicht durch die Hintertür Mehremissionen entstehen. Lässt man dagegen den Klimawandel einfach weiterlaufen, trifft dies vor allem die Ärmeren. Die klimavölkerrechtlich verbindliche 1,5-Grad-Grenze für die weltweite Erwärmung verlangt globale Nullemissionen bis spätestens 2035.

Ob langsameres Tempo beim Klimaschutz oder finanzielle Kompensation: Viele Wählerinnen und Wähler populistischer Parteien wird das vermutlich trotzdem nicht überzeugen. Der Klimaschutz spielt gerade in den politischen Debatten Ostdeutschlands seit Längerem nahezu keine Rolle. Wenn, dann geht es eher generell um die Furcht vor sozialem Abstieg, die etwa mit Migration in Verbindung gebracht wird – und dagegen werden auch ein paar Euro Klimageld kaum helfen. Wenn das Klimathema auftaucht, dann meist als Kritik an sich ökologisch gebenden Großstadt-Linksliberalen, die große Klimareden schwingen, aber selbst häufig einen internationalen Lebensstil pflegen, viele Flugreisen und weite Autofahrten unternehmen und deren großzügige Wohnungen einen viel größeren ökologischen Fußabdruck haben als die der imaginierten Ostdeutsche vom Land. Auch das BSW und Sahra Wagenknecht als Person kritisieren an den Grünen vor allem diese wahrgenommene Unaufrichtigkeit. Zwar kann man mit diesem Hinweis nicht die Dringlichkeit des Klimaschutzes widerlegen, aber die Umweltbewegung wäre gut beraten, dieses Problem offensiver anzugehen. Denn es besteht tatsächlich.

Aus all diesen Gründen und weil Menschen zudem oft nicht rational sind und die ökonomischen und existenziellen Vorteile eines wirksamen Klimaschutzes oft übergehen, werden Klimathemen es weiterhin schwer haben – auch bei gesellschaftlichen Gruppen, die diese eigentlich befürworten. Auch deshalb ist es nötig, dass Verfassungsgerichte notfalls die Politik an das nötige Mindestmaß des Handelns erinnern.