Klimapolitik: Livechat: Frieden geht nur postfossil?

Felix
Ekardt forscht als Leiter der Leipziger
Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik sowie Professor an der Uni
Rostock zu Politikkonzepten für mehr Nachhaltigkeit. Er sucht anlässlich
seiner oft sehr kontroversen Positionen die Diskussion mit den Leserinnen und
Lesern von ZEIT ONLINE. Auch diesmal antwortet er direkt unter dem Artikel auf
Leserkommentare. Diskutieren Sie mit!

Meine Familie väterlicherseits
stammt aus Thüringen, und ich wohne seit 1997 in Sachsen. Für mich sind die
Städte und Landschaften hier der schönste und lebenswerteste Teil Deutschlands.
Gerade deshalb haben mich die Ergebnisse der Landtagswahlen in Sachsen und
Thüringen
sehr zum Nachdenken gebracht. Nicht nur, weil ich Angst habe um unsere offene
Gesellschaft und die liberale Demokratie. Sondern auch als Nachhaltigkeitsforscher, weil die
neuen ostdeutschen Mehrheitsverhältnisse für den Klima- und Umweltschutz wenig Gutes
verheißen.

Im sächsischen Landtag sitzen
nun zur Hälfte Abgeordnete von Parteien, die wieder verstärkt auf fossile
Brennstoffe setzen wollen. Energie müsse endlich wieder billig sein, die teure
und bürokratische Energiewende müsse ein Ende haben. Fossile Energie, besonders
die aus Russland, mit dem man endlich einen Frieden machen müsse, sei besonders
kostengünstig. Zwar sind die Bundesländer für Krieg, Frieden und
eine übergreifende Energiepolitik rechtlich nicht zuständig. Doch setzen die
Parteiprogramme auf Vorstöße auf Bundes- und EU-Ebene.

BSW und AfD – und weitere
Gruppierungen wie die Heimat- oder WerteUnion – unterscheiden sich zwar dabei,
wenn etwa das BSW den Klimawandel grundsätzlich als Faktum akzeptiert, die AfD
ihn dagegen als unbewiesen abtut. Die Forderungen ähneln sich aber. Verbrennerautos
sollen weiter die Norm bleiben. Die Wärmewende bei Gebäuden soll gestoppt und
der Windenergieausbau mindestens stark gebremst werden. Alles mit dem Ziel,
Energie wieder günstig zu machen und angebliche grüne Ideologien auszubremsen.

All das einfach achselzuckend
abzutun, wäre fatal. Denn je mehr Widerstand gegen die Transformation in Regionen und
Staaten auftritt, desto schwieriger wird eine konsequente Energiewende in
Europa und Deutschland. Die Begeisterung für Gas, Öl und Kohle ist aber geopolitisch ein massives Problem. Wer statt auf Klimaschutz weiter auf
die fossilen Brennstoffe setzt, fördert Russland und damit seine
expansionistische Außenpolitik. Entweder direkt, indem Deutschland – ganz im Sinne von
AfD und BSW – die Importe von Russlands fossilen Staatsunternehmen wieder hochfährt und so Russlands Kriegskasse füllt – oder indirekt, indem ein wieder
gesteigerter Verbrauch von Öl und Gas die Preise am
Weltmarkt durch steigende Nachfrage nach oben treibt. Damit finanziert man den
aggressiven russischen Imperialismus, den AfD und BSW bei ihren
sehr allgemeinen Forderungen nach mehr Diplomatie gern ausblenden.

Ein solcher fossiler Rollback wäre
außerdem ökonomisch keineswegs vernünftig, sondern äußerst riskant – wegen
der dann umso dringlicheren Aufrüstung und weil bei den fossilen Brennstoffen
mittelfristig Preisspiralen absehbar sind. Will man etwa das Heizen dauerhaft
bezahlbar machen, ist eine rasche Wärmewende sinnvoll. Außerdem schaffen
erneuerbare Energien und Wärmedämmung in der Summe mehr Arbeitsplätze und mehr
Wertschöpfung, als es die Fossilen vermochten. Das ist wiederholt vorgerechnet worden, gerade auch für Ostdeutschland und die
Lausitz als Kohleregion. Doch die Wissenschaft gerät in Zeiten populistischer
Bewegungen politisch zunehmend aus dem Blick, nicht nur in Deutschland.