Klaus Töpfer: Der Strom schwamm gegen ihn

„Politoholiker“,
so hat Klaus Töpfer sich selbst einmal genannt. In Reden und Vorträgen ironisierte
er mit diesem Wort gern die Eigenheit mancher Politiker, die nicht Nein sagen können, wenn sich ein voller Saal oder eine Kamera bietet. Gewiss trieb auch den
Christdemokraten zuweilen eine nicht gänzlich uneitle Freude am öffentlichen
Auftritt, wie er selbst hin und wieder bekannte. Allgegenwärtig
schien er zu sein, in Foren vom Hauptquartier der Vereinten Nationen in New
York bis zur Tongji-Universität in Shanghai, von der Architekturfakultät in
Münster bis zur Volkshochschule Bad Salzuflen, von der Welthungerhilfe bis zur
Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, die gemeinsam mit seinem Potsdamer
Forschungsinstitut Ökologie und Kultur verbinden sollte. Abgesehen von all den
Parteikonferenzen, Aufsätzen, Radio- und Zeitungsinterviews.

Doch
Klaus Töpfer war kein Politoholiker im Sinne eines Medienpräsenz-Süchtigen, er
war vielmehr ein leidenschaftliches Zoon politikon: durch und durch
sozial und politisch motiviert, eine öffentliche Persönlichkeit. Er empfand
sich als Teil vieler Gemeinschaften, war getrieben von Verantwortungsgefühl,
Neugierde, Lust am Gestalten und dem Drang, die Welt zum Besseren zu verändern. Auch noch als der Pragmatismus immer stärker
zum Großkonsens wurde, war Politik für ihn Überzeugungsarbeit, „nicht die
Kunst des Möglichen, sondern die Kunst, das Notwendige möglich zu machen“.

Tatsächlich
hat sein reiches Lebenswerk enorm viel dazu beigetragen, dass es inmitten all
der ökologischen Krisen und Katastrophen heute auch Inseln der Hoffnung gibt. Nicht
nur in Deutschland, sondern weltweit war er seiner Partei, ja seiner Zeit bei
Nachhaltigkeitsthemen weit voraus.

Global denken,
lokal handeln: So lautet eine frühe Devise der Umweltpolitik. Töpfer,
der westfälische Weltbürger mit schlesischen Wurzeln, nahm sie ernster als
andere. Er dachte, lebte und handelte stets global und lokal. Verlässlicher als
die sogenannte Klimakanzlerin und jeder andere aktuelle Politiker war dieser unermüdliche
Netzwerker für Menschen von Bangladesch bis Brasilien über Jahrzehnte Deutschlands
wichtigste Stimme in der Welt-Umweltpolitik. 

Passionierter Streiter für globale Gerechtigkeit

Dazu trug vor allem seine
Arbeit als Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen bei.
1998 zog Töpfer dafür nach Nairobi. Unter seiner Leitung gewann das Unep, das gemessen
an der Relevanz seiner Themen viel zu klein und unauffällig war, enorm an Aufmerksamkeit
und Bedeutung.

Töpfer prägte dieses Amt, zugleich umgekehrt dieses den
Politiker an seiner Spitze. Schon länger hatte sich Töpfer international
engagiert, doch oft erzählte er, wie sehr gerade die acht Jahre in Kenia seine
von deutscher Wohlstandsbehaglichkeit geprägte Wahrnehmung verändert hätten. Das
Leben und die Arbeit mit Menschen internationaler Kulturen in der
UN-Organisation, die Kirchgänge im vermüllten Slum Kibera oder die Begegnungen mit
Bauern, deren Existenz unmittelbar von Land, Wald und Wasser abhängt: All diese
Erfahrungen machten den CDU-Mann zu einem passionierten Streiter für globale
Gerechtigkeit, die Erneuerung natürlicher Ressourcen und nicht zuletzt den Multilateralismus, der von Geopolitik
immer stärker untergraben zu werden drohte und heute untergraben wird. Noch im
hohen Alter wirkte Töpfer deshalb an Vorschlägen für Reformen in den Vereinten Nationen mit. Bei politischen Entscheidungen in Deutschland und Europa mahnte
er stets, deren Auswirkungen auf die Armen dieser Welt mitzubedenken.

In der Umweltpolitik
war Klaus Töpfer auch schon in Deutschland Pionier gewesen. Nach Professuren für
Raumordnung und Landesplanung in Hannover und Münster wurde er Mitte der Achtzigerjahre erst Staatssekretär, dann Minister für Umwelt und Gesundheit in
Rheinland-Pfalz. 1987 berief ihn Bundeskanzler Helmut Kohl an die Spitze des
erst ein Jahr zuvor gegründeten Umweltministeriums.