Klage gegen Open AI: Die GEMA bringt den KI-Streit vor Gericht

Auf der ganzen Welt streiten Kreativschaffende mit Entwicklern Künstlicher Intelligenz (KI) über mögliche Urheberrechtsverletzungen. Zentral sind dabei die Fragen, mit welchen Daten Unternehmen wie Meta, Open AI, Anthropic oder Suno ihre großen Sprachmodelle (LLM) trainiert haben und ob die Urheber Ansprüche auf Unterlassung oder eine Entschädigung haben.
Die Beklagten am Landgericht München I: Das amerikanische KI-Unternehmen Open AI sowie dessen irische Tochtergesellschaft. Open AI machte generative KI mit seinem Chatbot ChatGPT vor wenigen Jahren überhaupt erst einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Der Konzern ist mittlerweile eine globale Macht. Seine Bewertung wird auf rund 500 Milliarden Euro geschätzt.
Was die GEMA Open AI vorwirft
Das Zivilverfahren vor der Kammer des Landgerichts München I ist jedoch mehr als nur ein Rechtsstreit zwischen den Parteien. Vielmehr geht es auch um die Wahrung der Interessen menschlicher Kreativität beim Schreiben von Liedtexten und die regelbasierte Auseinandersetzung damit, inwieweit KI-Betreiber auf solche vorhandenen Daten ohne vorherige Lizenzierung zugreifen können. In ihrer Klage behauptet die GEMA, dass ChatGPT von den Entwicklern bei Open AI mit urheberrechtlich geschützten Songtexten deutscher Künstler trainiert wurde und diese auf Anfrage auch wiedergibt.
So sei es nach der Eingabe einfach formulierter Anfragen, sogenannter Prompts, möglich gewesen, komplette Originaltexte diverser Songwriter zu erhalten. Open AI habe jedoch weder die erforderlichen Lizenzen für die Nutzung erworben, noch habe sie jemals Vergütungen an die Künstler gezahlt. Dies ist bei anderen Internetdiensten übliche Praxis: Dort erhalten Autoren und Songwriter für die Verwendung ihrer Texte Vergütungen.
Die GEMA ist der Auffassung, dass sich Open AI „systematisch unter bewusster Inkaufnahme von Urheberrechtsverletzungen” an den Inhalten bedient. Mit ihrer von der namhaften Berliner Kanzlei Raue eingereichten Klage verlangt die Klägerin Unterlassung von Open AI. Diverse deutsche Musikerinnen und Musiker sowie ihre Verlage unterstützen die GEMA. Darunter sind beispielsweise Reinhard Mey, Inga Humpe, Rolf Zuckowski oder Kristina Bach, die unter anderem Helene Fischers Hit „Atemlos durch die Nacht“ geschrieben hat.
„Eine wichtige Etappe, um rechtliche Unklarheiten zu klären“
Open AI hatte hingegen argumentiert, dass ChatGPT lediglich das reflektiere, was das System beim Training mit den Daten gelernt habe. Die Texte würden außerdem teilweise auch leicht verändert ausgegeben. Man stimme den Behauptungen der GEMA nicht zu, da sie auf einem grundlegenden Missverständnis der Funktionsweise von ChatGPT basieren würden, erklärte eine Sprecherin des KI-Unternehmens nach der Verhandlung: „Unsere Modelle wurden entwickelt, um durch die Analyse großer Textmengen Neues über die Welt zu lernen und hilfreiche Antworten zu generieren. Und sie sind so konzipiert, dass sie die Generierung geschützter Songtexte ablehnen, wenn sie dazu aufgefordert werden.“ Open AI respektiere die Rechte von Urhebern und Rechteinhabern und führe produktive Gespräche mit vielen Organisationen auf der ganzen Welt, damit auch sie von den Möglichkeiten der Technologie profitieren könnten.
„Die Verhandlung hat gezeigt, dass auch die Vorgänge in KI-Systemen urheberrechtliche Relevanz haben. Das ist entscheidend für die Vergütung der Kreativen“, sagte Kai Welp, Justiziar der GEMA, nach dem Gerichtstermin. Das Aufkommen generativer KI-Systeme werfe zahlreiche fundamentale Rechtsfragen auf. „Umso mehr ist der heutige Tag eine wichtige Etappe, um rechtliche Unklarheiten zu klären“, betonte Welp. Denn diese lieferten den Anbietern derzeit noch den Vorwand, sich ihren Pflichten zu entziehen.
Die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke ist in Deutschland nur in Ausnahmefällen („Schranken“) erlaubt, auf die sich Betreiber generativer KI-Systeme beim Datentraining berufen können. Ob solche Möglichkeiten wie Text- und Data-Mining davon erfasst sind, ist höchst umstritten – zumal die Ausnahmen für Forschung und Wissenschaft greifen, OpenAI im Jahr 2024 dank ChatGPT aber einen Jahresumsatz von 3,7 Milliarden Dollar erzielte und somit eindeutig kommerzielle Absichten verfolgt.
Nach Ansicht der GEMA kommt es beim KI-Training darauf rechtlich schon nicht mehr an. Denn die Urheber haben die Möglichkeit, die Nutzung ihrer Werke zu verhindern, indem sie einen Nutzungsvorbehalt erklären. Dies hat die Verwertungsgesellschaft im Namen ihrer Mitglieder längst getan. Das Training sei daher in jedem Fall rechtswidrig und zu unterlassen, argumentiert die Klägerin im Vorfeld des Gerichtstermins.
Im Justizpalast deutete die Vorsitzende Richterin Elke Schwager in praktisch allen zentralen Punkten an, eher den Argumenten der GEMA zu folgen, schreibt die Nachrichtenagentur dpa. Neben einem Urteil hat Schwager auch die Möglichkeit, den Rechtsstreit auszusetzen und den Europäischen Gerichtshof (EuGH) anzurufen. In Luxemburg liegt seit diesem Frühjahr schon ein Verfahren eines ungarischen Medienhauses gegen Google vor. Eine Entscheidung soll bei der Fortsetzung des Verfahrens am 11. November verkündet werden.
Die Majors klagen in den USA gegen Suno und Udio
Die Klage gegen Open AI ist indes nicht das einzige Verfahren, dass die GEMA auf dem Feld KI führt. Anfang dieses Jahres hat sie am Landgericht München auch Klage gegen Suno eingereicht. Das KI-Tool von Suno wie auch jenes des Konkurrenten Udio geniert komplette Songs. Hier geht es also nicht „nur“ um urheberrechtlich geschützte Songtexte, sondern auch um Kompositionen. Die GEMA hat diverse Beispiele von KI-Songs veröffentlicht, die Originalen stark ähneln.
„Die Klagen sind auch der Versuch, ein Level-Playing-Field zu schaffen“, sagte GEMA-Chef Tobias Holzmüller Mitte Mai im Gespräch mit der F.A.Z. Schon vor gut einem Jahr hatte die Verwertungsgesellschaft ein Grundmodell präsentiert, auf dessen Basis man sich Lizenz-Verhandlungen mit KI-Anbietern vorstellen kann. Das zweistufige Modell sieht eine Vergütung fürs Training und eine Beteiligung an den Einnahmen vor, die KI-Songs potentiell einspielen. Darüber spreche man mit Anbietern, „die gerne ein fair trainiertes KI-Tool auf den Markt bringen würden“. Aber solange es Konkurrenz wie Suno gebe, „die einfach nichts bezahlen“, seien solche Verhandlungen zum Scheitern verurteilt – „und übrigens auch Investorengespräche für diese Anbieter sehr schwierig.“
Trotz der rechtlich unklaren Lage sind längst zahlreiche über Udio oder Suno generierte Werke auf den Musikstreamingdiensten zu finden ebenso auf Sozialen Medien wie zum Beispiel Tiktok. Auf dem weltgrößten Musikmarkt, den USA, hat daher auch der Dachverband der Musiklabels im Namen von Universal, Sony und Warner Music Udio und Suno verklagt. Hier geht es um die Nutzung der Musikaufnahmen.
Doch auch die Verwendung von Songtexten für KI-Training wird in den USA derzeit verhandelt: Die Verlagssparte von Universal Music, Concord Music und ABKCO Music gehen gegen Open-AI-Konkurrent Anthropic vor. Das Unternehmen steht hinter dem Sprachmodell Claude. Die Verfahren sind allerdings nicht direkt mit den Fällen in Europa zu vergleichen, da es in den USA maßgeblich auf die Auslegung der Rechtsdoktrin „Fair Use“ ankommt.