Kino | Das große Downton-Abbey-Finale: Eine Frage des Klassenkitsches
Einige Protagonisten von Downton Abbey haben es schon seit Jahren beschworen: Es kann nicht ewig so weitergehen! Was auf den Erhalt des Landsitzes der Adelsfamilie Crawley gemünzt war, die versucht, gesellschaftliche Stellung und Wohlstand durch die Umbrüche des frühen 20. Jahrhunderts zu navigieren, gilt jetzt auch für die gleichnamige Serie und Filmreihe, die unter dem verheißungsvollen Titel Das große Finale ihr Ende finden sollen.
Höchste Zeit, da es nach 15 Jahren auf dem schmalen Grat zwischen Historiendrama und Seifenoper – 18 Jahre „erzählter Zeit“, vom Untergang der Titanic bis in die frühen 1930er-Jahre – mindestens zwei gute Gründe für das Aufhören gibt: der Verlust von Maggie Smith († 2024) als scharfzüngige Gräfinwitwe und der drohende Zweite Weltkrieg. Denn sobald die bisher in der Serie nur vage als „Braunhemden“ angekündigten Nationalsozialisten in einer weiteren Fortsetzung die Macht in Europa ergriffen, wären Zuschauende doch etwas zu nah mit aktuellen Fragen vom Aufstieg faschistischer Mächte konfrontiert, als dass der komfortable Eskapismus zwischen ausgedehnten Spaziergängen und Tee-Stunden noch aufginge.
Downton Abbey weiß also, wann es Zeit wird zu gehen und glücklicherweise auch, wie man gehen muss. Nämlich gerade nicht in Tradition der ersten beiden Filme, die mit ihren opulenten, aber geschichtsvergessenen Handlungen eher glanzlose Ornamente als würdige Serien-Fortsetzung waren. Stattdessen wird jetzt Entschleunigung wieder großgeschrieben – und Drehbuchautor Julian Fellowes besinnt sich zurück auf die Mischung aus pointiert gesetzten geschichtlichen Ankern, familiären Beziehungen und Interaktionen zwischen „oben“ und „unten“, welche die ersten Staffeln der Serie so besonders machte.
Herrlich banal
So dreht sich wieder alles um die herrlich banalen Anlässe, an denen die großen Fragen von gesellschaftlichem Auf- und Abstieg verhandelt werden. Wurde früher beim Gartenwettbewerb diskutiert, wie fair es bei der Zuteilung der Gewinne zugehe, ist diesmal die Zusammenstellung eines Komitees für die Landwirtschaftsschau „talk of the town“. Zusammengestellt von der Gerechtigkeitskämpferin Mrs. Crawley darf dabei das ehemalige Küchenmädchen Daisy neben dem pensionierten Butler Platz nehmen – und den unausgereiften Ideen des Vorsitzes mit Praxiswissen trotzen. Bedrohten nach dem Ersten Weltkrieg leichtsinnige Investitionen in die Eisenbahn das Geld von Lady Grantham, ist es jetzt ein Betrüger, der sich während des New Yorker Börsencrashs 1929 an Lady Granthams Bruder Harold bereicherte. Und was früher der Gossip um Lady Marys vorehelichen Sex mit einem türkischen Diplomaten war, ist nun ihr Status als geschiedene Frau.
Fast vergessen ist so nach dem Kinobesuch, dass der erste Film ausschweifend vom Besuch des Königspaars erzählte, während der Generalstreik von 1926 nur eine Randnotiz beim Dinner blieb. Oder dass der zweite Film das Erbe einer französischen Villa zum Gegenstand machte, während man auch vom Wahlrecht der Frauen hätte erzählen können, das im selben Jahr eingeführt wurde.
Auch dem Telenovela-Drall, der das Franchise spätestens seit Staffel 5 in repetitive Bahnen lenkte, ist der dritte Downton-Film entkommen. Wir erinnern uns, wie der ehemalige Chauffeur und verwitwete Schwiegersohn von Lord Grantham, Tom Branson, eine ganze Staffel lang wiederholt verkündete, bald ein neues Leben in Boston beginnen zu wollen, nur um dann nach zwei Folgen wieder nach Yorkshire zurückzukehren. Oder dass die Zuschauenden einen einfallslosen Spiegel-Plot durchstehen mussten, als Lady Marys Zofe Anna Bates den Zyklus einer unrechtmäßigen Mord-Anklage durchläuft, so wie Mr. Bates zwei Staffeln zuvor.
Fortschritt bei Downton Abbey: Bedienstete gehen durch die Vordertür
Platz für Emotionales bleibt dennoch. So ziemlich jeder bekommt zum Abschied einen feierlichen Transformationsmoment: Lady Edith und Lady Mary sind über ihre jugendliche Rivalität hinausgewachsen, Mr. Carson und Mrs. Hughes gehen statt durch den Dienstboteneingang durch die Vordertür, Mrs. Patmore kocht das letzte Dinner vor dem Ruhestand. Lord und Lady Grantham machen einen kleinen, aber bedeutenden Umzug, Thomas Barrow braucht in seinem erfüllten Leben an der Seite von Guy Dexter keine Intrigen mehr – und ausgerechnet der soziale Aufsteiger Tom Branson hat plötzlich finanziell die Oberhand.
Außerdem schafft die Plotarmut von Das große Finale genug Raum für das typische Geben und Nehmen zwischen Bediensteten und der Adelsfamilie. Beginnend mit der schwangeren Anna, die in Lady Marys Gegenwart vom Protokoll abweichen und ihrer Herrin im Sitzen wortwörtlich auf Augenhöhe begegnen darf. Das Mindeste, bedenkt man, dass diese Anna einst zu Beginn der Serie Lady Mary dabei half, besagten türkischen Diplomaten nach dessen Ableben quer durch die Abbey zu tragen.
Es ist diese konstante gegenseitige Gutmütigkeit, für die Downton Abbey über die Jahre immer wieder als Klassen-Kitsch kritisiert wurde. Auf der einen Seite die Bediensteten, die ihren Lords und Ladys aus der Patsche helfen, wo es nur geht. Ob mit einer gefälschten Handschrift für Lord Grantham, einem versteckten Verhütungsmittel für Lady Mary – oder wie im aktuellen Film, in dem das gesamte Bediensteten-Netzwerk des Dorfes aktiviert wird, um Lady Marys angeknackste Stellung im Dorf wiederherzustellen. Auf der anderen Seite ein Lord, der einem Hausmädchen sein Büro überlässt, damit sie dort ein Bewerbungsgespräch führen kann, oder eine Lady, die ihrer Zofe einen kostspieligen medizinischen Eingriff sponsert und diese obendrein motiviert, sich lange genug auszuruhen. Wo gäbe es denn so was?
Der Kontrast zur Gegenwart ist wohltuend stark
Doch gerade diese Verklärung ist mit Grund dafür, wieso sich so viele nur allzu gern auf den Fiktionsvertrag mit den Crawleys eingelassen haben. Zum einen wurde mehr als deutlich, dass die Adelsfamilie eine Ausnahme in einem sonst gnadenlosen System darstellen soll. Immer dann, wenn die Crawleys einer anderen aristokratischen Familie einen Besuch abstatten und diese wahlweise ihre Bediensteten vor versammelter Mannschaft anschrien oder ihre treuen Zofen kurzerhand gegen andere eintauschten, weil sie einen modernen Frisuren-Stil nicht beherrschten.
Zum anderen aber ist der Kontrast zwischen dem respektvollen Ton im Hause Grantham und unserer reellen Gegenwart wohltuend stark. In der ist nämlich von gegenseitigem Vertrauen zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden oder dem Wohlergehen Arbeitnehmender kaum etwas zu hören – dafür wesentlich mehr von digitaler Überwachung von Home-Office-Arbeit. Wie schön ist es da, in einer Fiktion zu versinken, in denen der Grundsatz „Eigentum verpflichtet“ ebenso gelebt wird wie die Fürsorgepflicht Arbeitgebender. Deshalb macht man nach Das große Finale am besten das, was Serienfans ohnehin am besten können: den Re-Watch starten. Denn wenn Downton Abbey eins gezeigt hat, dann dass Vergangenheit manchmal wirklich tröstlich sein kann. Vorausgesetzt, sie ist fiktiv genug.
Downton Abbey: Das große Finale Simon Curtis. GB/USA 2025. 123 Min., Kinostart: 18.9.2025