KI-Tools zu Gunsten von Umweltgesetze: Sie sollen Robert Habecks Problem trennen

Im Juli machte Bundeswirtschaftsminister Habeck auf seiner
Sommerreise Station in Köln. Im X-Deck, einem Gründerzentrum in einem
halbrunden Gebäude mit dem Namen The Ship, traf er auf junge Unternehmer
und erkundigte sich bei ihnen – auf Holzpodesten im Kreis sitzend – nach deren
Geschäftsideen. 

Ein Termin wie so viele eigentlich, doch diesmal war etwas
anders. Als Gründer Wilhelm Hammes, 36 Jahre, Betriebswirt, sein Unternehmen
vorstellte, horchte Habeck sichtlich auf. Er wisse, dass er jetzt den Ablauf durcheinanderbringe,
sagte der Minister, aber er habe „da noch einige Fragen an den jungen Mann“.

Hammes‘ Firma Planted will Firmen dabei helfen, die neuen
Nachhaltigkeitsberichtspflichten mit Software zu bewältigen – also genau die
Art Klimabürokratie, über die sich alle Wirtschaftsverbände zurzeit heftig
beklagen. „Habeck hat sich bei mir erkundigt, wie die Software funktioniert und
ob das nicht eine Lösung sein könnte“, erzählt Hammes nach dem Treffen am
Telefon. „Da habe ich gesagt: Klar sind wir eine Lösung.“

Der Markt wächst schnell

Planted ist Teil eines Booms, der durch neue
Nachhaltigkeitsgesetze entstanden ist – vor allem im Rahmen des EU-Green-Deals:
Das EU-Lieferkettengesetz (im Fachjargon abgekürzt CSDDD), die
EU-Umweltberichterstattung (CSDR) und die EU-Entwaldungsrichtlinie (EUDR). Die Gesetze
gehen mit aufwendigen Berichtspflichten für Unternehmen einher. Sie müssen den CO₂-Ausstoß ihrer Lieferkette kennen, alle Lieferanten bis zum Kleinbauern in
Peru oder ob für Produkte Wald gerodet wurde.  

Die CSRD-Richtlinie zum Beispiel schreibt einen
umfangreichen Umweltbericht im Jahresabschluss vor, der mit einer sogenannten
„doppelten Wesentlichkeitsanalyse“ beginnt. Mit dieser soll klar werden, in
welchen Bereichen das Unternehmen welche wesentlichen Auswirkungen auf die
Umwelt hat. Und andersherum. Vorgeschrieben sind dann rund 1.200 verschiedene
Datenangaben – von CO₂-Ausstoß über Wasserverbrauch bis zu Reisedaten der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Allein diese Umweltberichterstattung nach der CSRD werden rund
15.000 Unternehmen in Deutschland neu erstellen müssen. Teile der Wirtschaft stöhnen
über die neuen Pflichten, die Stiftung Familienunternehmen etwa kritisiert die
Richtlinie als „Negativbeispiel für maßlosen Verwaltungsaufwand“.

Für diese Unternehmen bietet nun eine ganze Reihe von Start-ups
und Firmen neue Softwarelösungen und KI-Tools an, der Markt wächst schnell. Aber
können Software und KI tatsächlich den bürokratischen Aufwand für Unternehmen
senken?

Die KI fischt sich Daten aus Tankrechnungen

„Zu großen Teilen ja“, sagt Gründer Hammes von Planted. Zwar
nehme seine Software das Datensammeln nicht komplett ab, „aber sie ist einfach
handhabbar und intuitiv zu bedienen, sodass die eigenen Mitarbeiter dafür
eingesetzt werden können und nicht externe Spezialisten“. Dafür lese eine KI automatisch
die Daten aus Dokumenten. „Die KI schaut sich etwa Tankrechnungen an
und entscheidet, welche Daten für die CO₂-Bilanz relevant sind“, sagt Hammes. Das
System werde zurzeit trainiert.

Ein weiterer Vorteil sei, dass dabei die passenden Belege
verknüpft werden können, rechtssicher für den Wirtschaftsprüfer. Planted hat
sich auf Dienstleister spezialisiert, der Versicherungskonzern Axa und Lufthansa
City Center nutzten die Software bereits. Dafür bezahlen sie eine vierstellige,
oft fünfstellige Summe jährlich – je nach Firmengröße.

Planted, vor drei Jahren gegründet, hat inzwischen rund 30
Mitarbeiter – und sehr viele Mitbewerber. Rund 300 könnten es sein, schätzt
Moritz Gomm, Nachhaltigkeitsberater beim Innovationsdienstleister Zühlke. So entsteht
gerade eine eigene Branche für ESG-Software – das steht für Environment, Social,
Governance. „Der Markt ist extrem unübersichtlich und wächst rasant“, sagt
Gomm. Die großen Softwareanbieter wie SAP, Microsoft oder SalesForce seien
„überraschend spät auf den Zug aufgesprungen“. Dabei schätzen Branchenkenner
den noch jungen Markt für die ESG-Software schon jetzt auf rund drei Milliarden
Euro.