KI kann Tausende Arbeitskräfte ersetzen. Am besten, jener Staat fängt damit an – WELT

Die Bundesagentur für Arbeit investiert eine große Summe, um Aufgaben zu automatisieren. Bei Ministerien und Behörden fehlen indes 550.000 Arbeitskräfte, ein Drittel der Beschäftigten geht bald in Pension. Der öffentliche Dienst sollte sich die Bundesagentur jetzt zum Vorbild nehmen.

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) will dem Unternehmen Aleph Alpha 19 Millionen Euro überweisen. Dessen KI-Produkte sollen einen Teil der Arbeit übernehmen und automatisieren.

Mit Blick auf vergangene Großaufträge der öffentlichen Hand – als eines von vielen Beispielen sei hier an den höchst spendablen Minister Jens Spahn (CDU) erinnert – ist zunächst Skepsis angebracht.

Aleph Alphas Stern ist gesunken, die Erwartungen als „Deutsches ChatGPT“ erfüllt das Unternehmen kaum: Und freilich muss kritisch evaluiert werden, inwiefern sich hohe Investitionen einer beitragsfinanzierten Behörde überhaupt rechnen.

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Dennoch ist die Strategie erfreulich mutig. Sie hat das Zeug, zur Blaupause für die gesamte Behördenlandschaft zu werden. Nahles packt dort an, wo zu viele Entscheidungsträger bremsen. Weniger Behördenmentalität und Kleinstaaterei, mehr Technik wagen, muss das Motto lauten.

Denn will man den drohenden Kollaps in den Amtsstuben verhindern, kommt man gar nicht umhin, die KI etliche Arbeitsschritte erledigen zu lassen. Hintergrund ist der riesige Personalbedarf: 550.000 Arbeitskräfte sollen laut Beamtenbund nun fehlen. Vor vier Jahren waren es noch 300.000.

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Dazu kommt: In den kommenden Jahren scheidet ein Drittel der Beschäftigte des öffentlichen Diensts altersbedingt aus. Länger arbeiten kommt für die Beamtenlobby aber nicht infrage – und für die Bundesregierung anscheinend auch nicht. Arbeitsnachweise, anderweitig gegenzusteuern, bleibt die Ampel bislang aber schuldig.

165.000 Stellen im öffentlichen Dienst ersetzbar

Vor anderthalb Jahren, im Zuge des Hypes um ChatGPT, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) einen bemerkenswerten Satz: „Wir müssen darauf hoffen, dass KI Arbeitskräfte einsparen wird.“ Heil bezog sich auf die bald schon schrumpfende Zahl an Erwerbstätigen.

Umso mehr müsste das für den öffentlichen Dienst gelten, das Potenzial ist schließlich da: Laut einer Studie von McKinsey kann der KI-Einsatz die Arbeitskräftelücke dort um 165.000 verringern. Seit Jahren boomt der staatsnahe Bereich – während Industrien mit hoher Wertschöpfung darben.

Das liegt aber nicht nur am Stellenaufbau der Ministerien. Erstens braucht es immer mehr Personal im Gesundheitswesen und in der Pflege, weil die Gesellschaft überaltert. Und zweitens werden Behörden mit immer mehr Gesetzen und Verordnungen überflutet: Die Ampel propagiert Bürokratieabbau, setzt aber das Gegenteil um.

„Wir sind die Bundesagentur für Alles geworden“, empörte sich Vorstandsmitglied Christina Ramb bereits letztes Jahr. Zusätzliche Aufgabenbereiche wie die Familienkasse spielen eine Rolle, vor allem aber die Fluchtmigration sorgt für mehr Arbeit und steigende Kosten. Fast 115.000 Beschäftigte zählt die BA. Vor zwanzig Jahren, als die Arbeitslosigkeit doppelt so hoch war, waren es nur 94.000.

Das ist ein Muster. Seit Jahren entzieht der Staat der Wirtschaft Arbeitskräfte, indem er selbst im großen Stil Stellen schafft. Die Folge: weniger Produktivität und Wertschöpfung. 5,2 Millionen Menschen arbeiten im Öffentlichen Dienst, das ist mehr als jeder zehnte Beschäftigte.

Nun ist sicherlich nichts falsch an mehr Lehrerinnen, Erziehern und Polizeibeamten. Bei repetitiven und überbürokratisierten Arbeitsschritten aber, von denen es in einem Bürgeramt genau so viele gibt, wie in einem Krankenhaus, sollte jede Möglichkeit zur Automatisierung genutzt werden.

Politiker wie Arbeitsminister Heil betonen gerne den Fortschritt, den KI in der Arbeitswelt bringen werde. Man müsse „die Menschen mitnehmen“, heißt es dann oft. Wenn Heil und Co. es ernst meinen, sollten sie bei sich selbst anfangen.

Jan Klauth ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet über Arbeitsmarkt-Themen, Bürgergeld, Migration und Sozialpolitik sowie Karriere-Themen. Den zugehörigen Newsletter können Sie hier abonnieren. 2023 und 2024 arbeitete er für einige Monate in den USA.

Source: welt.de