Keine „Lappen“ erlaubt: Diese 60€-Dating-App lässt nur Männer zu, die von Frauen empfohlen werden

Es müsste mal jemand eine Dating-Plattform gründen für tolle Frauen und für Männer, die keine Lappen sind.
Mit diesem Gedanken fing es an. „Mich hat es so geschmerzt und so wütend gemacht, diese ganzen tollen Frauen um mich herum zu sehen, die keine Liebe finden“, sagt Bianca Praetorius, die Gründerin von Cherrish. Die Dating-Plattform „für Paare des 21. Jahrhunderts“, so die Selbstbeschreibung, soll Menschen zusammenbringen, die „hochwertige, langfristige Beziehungen auf Augenhöhe“ suchen.
Klingt erstmal nach keinen allzu hehrem Ziel. Wünschen sich genau das nicht die meisten Menschen? Und sollten so nicht alle ernstgemeinten Beziehungen aussehen? Irgendwie schon, aber eben auch nicht. Es ist, wie in Liebes-Angelegenheiten meistens, kompliziert, wie die Dating-App Gründerin bei einem Tee in Berlin erzählt.
Um es kurz zu machen: Irgendwie seien die tollen Frauen in Praetorius Umfeld ZU toll. Das fänden viele Männer wiederum gar nicht toll.
Frauen, die ihr Leben selbst bestimmen, die herausragende Uniabschlüsse machen und einen Riesenaufriss betreiben um, erfolgreich in Führungspositionen zu landen, würden für all das damit belohnt, dass sie für eine Vielzahl der Männer unattraktiver würden. Ja, OK, ein Date vielleicht, aber als Frau zum Leben? Eher nicht. Männer fänden weniger eigenständige Frauen anziehender, so Praetorius. Die anderen könnten anstrengend sein und schwierig. Und – das womöglich nur unterbewusst: Solche Frauen brauchen keinen starken Mann an ihrer Seite. Das schrecke viele Männer ab.
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Female Success Penalty: Wenn Erfolg zur Dating-Barriere wird
Was stereotypisch klingen mag, ist ein Phänomen, das tatsächlich so von Soziologen und Psychologen beobachtet wird, und sogar einen eigenen Namen hat: Female Success Penalty. Frauen werden für Erfolg, Emanzipation und Empowerment bestraft, indem Männer keine Partnerin in ihnen sehen.
„Das zerfetzt mir das Herz“, sagt Bianca Praetorius. Und so beschloss sie, dieses Problem anzupacken, das im Übrigen, und es ist ihr wichtig, das deutlich zu sagen, nicht ihr eigenes ist. Sie selbst ist verheiratet und Mutter von zwei Kindern.
Der erste Schritt war eine Excel-Liste mit Männern, die keine Lappen sind, und tollen Frauen, alle aus ihrem eigenen Bekanntenkreis. Das aber war viel zu klein gedacht. Also beschloss sie: Sie macht das, eine eigene Dating App.
Bianca Praetorius hat mehr als zehn Jahre Erfahrung in der Startup-Szene – nicht allerdings als Gründerin, sondern als Pitch-Coach. Die ausgebildete Schauspielerin hat hier ihre Nische entdeckt: Sie probt mit Gründerinnen und Gründen für die drei bis sieben Minuten, die über Gedeih und Verderb ihrer Firmen entscheiden können.
Auch ohne BWL-Studium oder Business School Diplom sei ihr natürlich klar gewesen, dass der Markt der Dating-Apps schon ziemlich voll ist. Tinder und Bumble allen voran, die alten Player wie Parship oder Elitepartner immer noch dabei, plus jede Menge „special interest“-Angebote. „Kein Markt ist so gesättigt aber zugleich auch so verdorben und kein Problem ist so ungelöst wie das, Liebe zu finden“, so die Cherrish-Gründerin. Und außerdem fehlte eine Seite für Nicht-Lappen-Dating auch noch ganz.
Cherrish sei keine feministische Dating-App. „Nicht falsch verstehen: Ich liebe Männer!“ sagt Praetorius. Deshalb will sie das mit den Lappen-Männern auch noch mal erklären: „Eigentlich soll das nur heißen: Mann, verzwerg dich nicht, nur weil sie stark ist“, erklärt Praetorius. Genau das täten viele, sobald sie das Gefühl haben, nicht der Versorger zu sein und damit nicht der Jahrhunderte alten Rolle eines Mannes in einer dauerhaften Beziehung entsprechen zu können. Bei manchen entstünde da dann so ein Vakuum. Die Lappen sind also Männer, die es nicht aushalten, neben einer „starken“ Frau (im Sinne von: Karriere, Macht, Geld, Erfolg) zu stehen. Männer, die nicht nach oben daten wollen.
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Männlichkeit neu definieren – die Anti-Alpha-Males
Nicht-Lappen seien eine seltene Spezies, so die Gründerin. Oft seien es Männer, die mit einer großen Schwester ausgewachsen sind oder die eine starke Mutterfigur hatten. Auch fände man sie öfter in Bereichen wie Tech, Mathematik oder auch unter Lehrern, beobachtet Praetorius. Da herrsche weniger Alpha-Male-Gehabe.
Natürlich ist die Einteilung der Männerwelt in Lappen und Nicht-Lappen problematisch und wie zu erwarten gab und gibt es viel Kritik an Cherrish. Wütende Männer hätten ihre Dating-App schon als „Anti-Fuck-Plattform“ bezeichnet und einer hätte sich sogar die Mühe gemacht, in einem ausführlichen Youtube-Video zu schimpfen, Cherrish sei ja wohl für „alte, hässliche, ungef*ckte Frauen“ und so.
Von solcherlei Typen ausgehend kann man sich natürlich fragen: Ist die Cherrish-Gründerin denn sicher, dass Lappen das größte Problem der suchenden Single-Frauen sind? Sind es nicht viel mehr die toxischen Männer?
Ja, schon, sagt die Gründerin. Toxische Männlichkeit sei ein großes Problem, und zwar für alle, nicht nur für starke Single-Frauen. Aber sie wolle jetzt erstmal ein Thema nach dem anderen angehen. Ist schon schwierig genug. „Die Frage ist ja: Gibt es überhaupt genug Männer für Cherrish“, fragt Praetorius. „Und die Wahrheit ist: Nein.“ Als sie mit ihrer Idee einer neuen Dating-App an die Öffentlichkeit ging, ließ sie Interessierte in eine Warteliste eintragen. Da standen dann schnell 3000 Leute – 70 Prozent Frauen, 30 Prozent Männer.
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Männer schätzen ihren Lappen-Score oft falsch ein
Das ist das eine. Und das andere Problem: Manchmal tragen sich da Männer ein, weil sie glauben, keine Lappen zu sein. Tatsächlich aber seien sie es doch, erklärt die Gründerin. Eine Red Flag gehe bei ihr etwa hoch, wenn ein Mann sagt: „Ich wollte schon immer eine erfolgreiche Frau daten“. „Dann sucht er entweder eine Sugarmama oder es ist ein Fetisch.“
Nach einer Testphase habe sich gezeigt: Die Qualität der Männer, die bei Cherrish daten wollten, war schlecht. Und deshalb entwickelte Praetorius die Idee der Wingwomen: Wer als Mann bei Cherrish sein will, muss von einer Frau empfohlen werden. „Du brauchst eine Frau, die dich vorstellt und dich im Prinzip mit Liebe überschüttet und sagt: Du bist so ein toller Typ“, erklärt die Gründerin. So würden etwa Brüder oder Kollegen, aber auch Ex-Freunde und häufig beste Freunde von den Wingwomen empfohlen.
Was sie damit schafft, könnte als ein „Female Curated Dating Space“ bezeichnet werden. Und tatsächlich ist diese Idee gar nicht so neu, sondern in vielen Kulturen gelebte Praxis: Frauen verkuppeln andere Frauen mit von ihnen für passend befundenen Männern. Am bekanntesten ist vielleicht das Prinzip der Rishita Aunties.
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Audio statt Poser-Bilder: Das Kennenlernen ohne optische Filter
Seit 2023 ist nun die Landingpage mit der Möglichkeit, sich oder einen guten Mann auf die Warteliste zu setzen, online. Nach einem Testflight ist Cherrish seit einigen Tagen im Appstore. Aktuell sind rund 300 Userprofile live, angemeldet hätten sich aber bereits 800 weitere. Das Ding sei: Der Onboarding-Prozess bei Cherrish ist deutlich komplizierter als bei anderen Apps. Ganz bewusst.
Cherrish setzt auf Audio first. User stellen sich in Sprachnachrichten vor. Zu Beginn gäbe es relativ komplizierte psychologische Fragen. „Erzähle von deiner letzten Lebenskrise“ oder „Beschreibe das Verhältnis zu deiner Familie“. Das seien natürlich Fragen, die man – noch dazu als Sprachnachricht – nicht einfach mal in der U-Bahn beantwortet. Und auch nicht, wenn man nur einen One-Night-Stand sucht. Natürlich kommt auch diese Frage: Wenn sie mehr verdient als du, wie fühlt sich das für dich an?
Damit will Praetorius den Nutzerinnen ein Versprechen geben können: „Ich weiß nicht, ob die Liebe deines Lebens dabei ist, aber ich kann dir versprechen, es wird nicht daran scheitern, dass er sich plötzlich irgendwie seiner Männlichkeit beraubt fühlt, nur weil du einen tollen Job hast.“
Spannend für die Empfängerinnen der Sprachnachrichten ist dieses Feature: Die App zeigt zunächst nur geblurrte Bilder der Männer, die da sprechen. Die entblurren sich, je länger man den Audiobotschaften zuhört. Fokus auf Persönlichkeit also.
60 Euro monatlich: Was der Premium-Preis wirklich bedeutet
Und wie rechnet sich das für Praetorius? Kann sie genau vorrechen: Die Gründerin plant ein reines Abo-Modell. Kein Freemium, nix. Wer dabei sein will, zahlt für den Cherrish-Zugang von Anfang an 60 Euro monatlich. Das ist vergleichbar mit anderen Plattformen wie etwa Elitepartner (70 Euro monatlich für das Halb-Jahresabo, 50 für das Jahresabo).
Der Preis gilt für Männer wie Frauen. „Die Männer müssen auch zahlen, weil Frauen sonst denken: Ich bin auf dem Grabbeltisch. Die kriegen mich umsonst. Ich bin quasi die reduzierte Ware“, erklärt Praetorius. Allerdings gibt es ein Entgegenkommen für die raren Nicht-Lappen-Männer: Jede Wingwoman erhält eine „golden invite“ und kann damit einen Mann für 10 Monate kostenlos zu Cherrish bringen.
Um das paradoxe Problem aller Dating Apps zu knacken – dass sie, die Paare zusammenbringen wollen, eigentlich nur Geld verdienen, wenn Menschen Single und auf der Suche sind – hat Praetorius auch eine Idee: Die Gründerin plant einen KI-Beziehungs-Coach, der denen, die sich auf Cherrish gefunden haben, hilft, langfristige Beziehungen zu führen. Man würde damit das Abo auch als Paar behalten – es koste dann aber nur noch 15 Euro monatlich.
Für diese weiteren Entwicklungsstufen braucht Praetorius natürlich vorallem eins: Geld. Auch, weil Dating-Apps kontinuierliches Marketing brauchen. „Der Marketingaufwand wird sein, das Männlichkeitsbild neu zu definieren“, sagt Praetorius. „Ich erinnere mich an eine Zeit, in der Hafermilch ein öko-veganes Hippie-Gesöff aus dem Reformhaus war – und dann kam Oatly.“ Sie steht kurz vor dem Fundraising und will demnächst bei VCs vorsprechen.
Dafür ist die Pitch-Coachin vorbereitet. Etwa damit, wie sie die Bedeutung ihrer App auf eine gesellschaftliche Ebene hebt. Praetorius, im übrigen eine politisch engagierte Frau, die sowohl für den Bundestag als auch das Europaparlament kandidiert hat, sagt: „Die letzte Meile der Gleichberechtigung ist Liebe“, sagt Praetorius. Werde dieses Problem nicht behoben, schafften wir es also nicht, dass Männer zufrieden mit sich selbst sein können, selbst wenn ihre Partnerin sie übertrumpf – dann könn die Gleichberechtigung nie vollendet sein, erklärt sie. Alles andere, so die Gründerin weiter, könne mit Regularien und Gesetzen gesteuert werden. Es gibt Quoten für Frauen in Führungspositionen, Anreize zur Förderung weiblicher Talente – aber dass erfolgreiche, starke Frauen Liebe finden, dass kann niemand vorschreiben. Aber eine App wie Cherrish kann da vielleicht helfen.
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Source: businessinsider.de