Kehrtwende in dieser EU: Das letzte Gefecht um den Verbrenner

Die deutschen Autohersteller hielten sich nach dem Aus des Verbrenner-Aus auffallend zurück. Es gelte erst einmal abzuwarten, teilte der Verband der Automobilindustrie (VDA) mit. Weiter wagte sich zunächst nur der scheidende BMW-Chef Oliver Zipse vor. Er sprach von einem starken Signal. Am Donnerstagabend war bekanntgeworden, dass die Europäische Kommission am kommenden Dienstag vorschlagen will, zumindest Autos mit doppeltem Antrieb aus Elektro- und Verbrennungsmotor eine Zukunft über 2035 hinaus zu verschaffen. Statt um 100 Prozent soll der Ausstoß von Neuwagen 2035 nur noch um 90 Prozent verglichen mit 2021 sinken.

So hat es EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach Informationen der F.A.Z. dem Vorsitzenden der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU), zugesagt. Als erstes hatte die Bildzeitung darüber berichtet. Von der Leyen greift damit wesentliche Forderungen von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) auf. Er hatte Ende November in einem Brief an die Kommission für eine Kehrtwende geworben. Auch Italien und Polen waren dafür eingetreten.

Kritik von Grünen, Linken und Naturschützern

Das ist noch nicht das letzte Wort. Von der Leyen benötigt für den Vorschlag die Unterstützung des Kollegiums der EU-Kommissare. Es ist aber unwahrscheinlich, dass von der Leyen sich nicht durchsetzt. Dennoch setzen die Befürworter des Verbrennerverbot noch einmal alles daran, um die Kehrtwende zu verhindern. Grüne, Sozialdemokraten, Linke und auch Vertreter der Liberalen sowie Umwelt- und Klimaschutzverbände sprachen von einem alarmierenden Signal. „Der neue alte Fokus auf Verbrenner soll die glorreichen Zeiten des Autoexportweltmeisters Deutschland wieder heraufbeschwören, doch der technologische Fortschritt kann ebenso wenig aufgehalten werden wie die Klimakrise“, betonte etwa der Naturschutzbund Deutschland (NABU).

Auch der sozialistische spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez sprach sich nochmals klar für ein Festhalten am Verbrennerverbot aus. Er warnte von der Leyen in einem Schreiben, jede zusätzliche Aufweichung der CO2-Ziele drohe Investitionen in die Modernisierung auszubremsen, weil die Nachfrage nach Elektroautos sinke, und gefährde so die Wettbewerbsfähigkeit von Autohersteller und Zulieferern. Er forderte stattdessen, die Produktion und Zulassung von Hybrid-Fahrzeugen schon vor 2035 zu begrenzen, um einen Anreiz zum Kauf von Elektrofahrzeugen zu schaffen. Der Brief vom 11. Dezember liegt der F.A.Z. vor. Der Klimaschutzverband Transport & Environment warnte, eine Absenkung des CO2-Ziels auf 90 Prozent werde ermöglichen, dass 2035 beinahe 50 Prozent der Neuwagen Hybrid-Fahrzeuge sind.

Vertreter der Autoindustrie argumentieren hingegen, dass das bisherige totale Verbrennerverbot bis 2035 wegen der fehlenden Ladeinfrastruktur und der Zurückhaltung der Kunden beim Kauf von Elektroautos nicht zu erreichen sei. Die Branche benötige zudem die Einnahmen aus dem Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotor über 2035 hinaus um die Wende zum Elektroantrieb zu finanzieren und den Rückstand zu China aufzuholen.

Plug-In-Hybride und Range Extender

Von der Leyen geht mit der neuen Linie viel weiter als die Kommission einst dem ehemaligen Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) zugesagt hatte. Ihm hatte sie versprochen, nach 2035 Neuwagen mit Verbrennungsmotor zuzulassen, wenn sie mit nachweislich klimaneutralem Kraftstoff betankt werden. Das ist eine hohe Hürde, da solche Kraftstoffe auch 2035 extrem knapp sein dürften. Nun will die Kommissionspräsidentin nach Informationen der F.A.Z. sowohl Plug-In-Hybride als auch Range Extender zulassen. Letzteres sind Elektroautos, die mit einem kleinen Verbrennungsmotor ausgestattet sind, was ihre Reichweite erhöht.

Die Kehrtwende beim Verbrennerverbot ist allerdings mit einer aus Sicht der Kommission wichtigen Bedingung verknüpft. Der Autosektor muss insgesamt genauso viel Emissionen einsparen wie mit einem totalen Verbrennerverbot. Das können sie durch die Nutzung von klimafreundlichem grünen Stahl in der Produktion oder den Antrieb mit Biokraftstoffen erreichen. Nicht erlauben will von der Leyen, dass nach 2035 noch Neuwagen zugelassen werden, die nur einen Verbrennungsmotor haben. Die Bundesregierung, die deutschen Ministerpräsidenten wie auch die Industrie hatten dafür eine eigene Kategorie für „hocheffiziente Verbrenner“ gefordert.

Unklar ist noch, was für eine Zukunft Autos mit Verbrennungsmotor nach 2040 haben. EVP-Chef Weber hatte der Bild-Zeitung gesagt: „Auch ab 2040 wird es kein 100-Prozent-Ziel geben.“ Das wird in der Kommission bestritten. Vielmehr ist geplant, dass die Flottengrenzwerte 2035 nochmals überprüft werden. Erst danach soll die Kommission dann entscheiden, wie es weitergeht. Eine Entscheidung über die Zeit nach 2040 sei damit noch nicht gefallen, heißt es.

Unzufrieden mit diesem Kurs zeigte sich am Freitag der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU). „Das ist ein sehr gutes Signal, wenn auch nur ein erster Schritt, denn nur zehn Prozent Verbrenner reicht noch nicht“, sagte der bayerische Ministerpräsident in München.

Nach den Berechnungen von Transport & Environment hingegen hätte schon die Senkung des 2035-Ziels für die Automobilflotten von 100 Prozent auf 90 Prozent gravierende Folgen. Ausgehend von den seit 2021 nach neuen Testverfahren geltenden durchschnittlich 110 Gramm CO2 je Kilometer seien dann noch 11 Gramm erlaubt. Unter der Annahme, dass 2035 verkaufte Plug-in-Hybride durchschnittlich offizielle Werte von 25 Gramm CO2 je Kilometer erreichten, könne ihr Anteil an den verkauften Neuwagen dann bei 46 Prozent liegen.

„Dabei wissen wir schon jetzt, dass Plug-in-Hybride fast genauso klimaschädlich sind wie Verbrenner“, betont Sebastian Bock, Geschäftsführer von T&E-Deutschland. Reale Daten (bis 2023) zeigten, dass Plug-in-Hybride auf der Straße beinahe fünfmal so viel CO2 ausstießen, wie auf dem Papier.