Karlsruhe will Facebook-Klage wie erste Leitentscheidung sauber machen

Die Massenklagen gegen Facebook , das soziale Netzwerk des Meta -Konzerns, werden zur ersten Belastungsprobe für ein neues Entscheidungsverfahren durch den Bundesgerichtshof (BGH): Nur wenige Tage nachdem das Gesetz zum sogenannten Leitentscheidungsverfahren verkündet wurde, machen die höchsten Zivilrichter in Karlsruhe von ihrer Möglichkeit Gebrauch, eine anhängige Revision im „Scraping“-Komplex herauszugreifen, um damit für Rechtssicherheit vor den Instanzgerichten zu sorgen.

Mit seinem am Donnerstag veröffentlichen Beschluss gab der sechste Zivilsenat des BGH bekannt, dass die Klage eines Facebook-Nutzers auf Schadenersatz „Rechtsfragen aufwirft, deren Entscheidung für eine Vielzahl von Verfahren von Bedeutung ist“ (Az. VI ZR 10/24). Am 11. November soll in der Revision verhandelt werden.

Sechs Millionen Nutzer in Deutschland betroffen

Der internationale Streit zwischen Meta und zahlreichen Facebook-Mitgliedern geht auf einen Vorfall im Frühjahr 2020 zurück. Über ein riesiges Datenleck konnten damals Cyberkriminelle persönliche Daten von mehr als 500 Millionen Nutzern auf der ganzen Welt abgreifen („Scraping“). Die Informationen waren öffentlich im Internet einsehbar, nach Einschätzungen von Klägeranwälten sollen allein in Deutschland bis zu sechs Millionen Facebook-Konten von dem Diebstahl betroffen sein.

Nach Bekanntwerden der Datenpanne im Jahr 2021 verlangten Tausende von Betroffenen mit Verweis auf Artikel 82 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) einen Schadenersatz von der Konzernmutter Meta. Bisher verweigert sich der US-Konzern jedoch über seine Anwälte von der Kanzlei Freshfields einer Zahlung. Die Zeit für die gerichtliche Geltendmachung drängt: Zum Ende des Jahres 2024 dürften Forderungen gegen Meta verjähren.

Mit einem Urteil könnte der BGH für Klarheit in den Fällen sorgen, die aufgrund des geschickten Marketings von Legal-Tech-Dienstleistern und Verbraucherkanzleien zur erheblichen Auslastung an den Land- und Oberlandesgerichten (OLG) beitragen. Dort fehlt es an Kontinuität in der Rechtsprechung. So hatte im vergangenen Herbst das OLG Hamm in der seinerzeit ersten, vielbeachteten Entscheidung bekräftigt, dass Facebook keine Maßnahmen ergriffen hatte, um infolge des Lecks unberechtigte Zugriffe auf Nutzerdaten zu verhindern. Zu einer Zahlung kam es nicht, weil die Klägerin ihren „immateriellen Schaden“ nicht ausreichend darlegte.

Welche Anforderungen sich an die Substanziierung der Schadenersatzklage richten, will der BGH in der Verhandlung im November klären. Dort steht dann der nach dem „Scraping“ dargelegte Kontrollverlust an Daten auf dem Prüfstand. Zudem soll auch abschließend über die Rechtsfrage entschieden werden, ob eine Importfunktion von Kontakten, einst eine Standardvoreinstellung von Facebook, einen Verstoß gegen die DSGVO darstellt.