Kamala Harris’ Lachen wirkt nicht tatsächlich. Seriously?
Wie alle Regungen des Gemüts ist auch das Lachen Ziel von Disziplinar-Gedanken. Damit sind wir fast schon bei Kamala Harris, der voraussichtlichen Präsidentschaftskandidatin der US-Demokraten.
Aber bereits Plato und Aristoteles ahnten, dass Lachen mehrdeutig sein kann. Plato wollte im Lachen Subversivität erkennen, die den idealen Staat unterminiere, oder Schadenfreude, den bösen Willen, anderen zu schaden. Sein Schüler Aristoteles nahm es gelassener, sah Geist und Witz als Paten des Lachens. Auch er glaubte, dass man in bloßes Possenreißen, ja ins Vulgäre geraten müsse, wenn man übertreibe. Die edle Haltung bestehe darin, sich und anderen Zurückhaltung aufzuerlegen.
Im Lachen von Frauen erblickten viele Erzieher Unkontrollierbares, vielleicht eine Freiheit. Weil sie oft aus Kirchenkreisen stammten, zogen sie eine Linie zum Lachen böser Geister. Lautes Lachen der Frauen machte ihnen Angst, und das nun ist ein astreiner Übergang zum Wahlkampf in den USA.
Diesen Wahlkampf begleitet die schweizerische NZZ offenbar mit einer Politische-Körpersprache-Korrespondentin. Einen eher träge mäandernden Text widmete sie Kamala Harris’ Lachen, das sie nicht immer angemessen fand: „Harris’ Lachen wirkt oft nicht ganz echt, sondern vielmehr so, als versuchte sie ihre Unsicherheit zu verstecken. Die Anspannung ist ihr anzumerken.“ Die Häufigkeitsanzeige (oft) verweist auf den Expertinnenstatus der Autorin: Sie führt wohl Buch. Und sie findet in Harris’ Lachen Allgemeines: Lachend lenke man von unangenehmen Fragen ab, signalisiere, „dass man das nun wirklich für eine dumme Frage hält: Man lacht sie einfach weg“. Nur Harris-Fans sähen, dass es heller werde, wenn sie lache.
Giorgia Meloni lacht „authentisch“
Nun ist Harris die Tochter einer Mutter aus Indien und eines jamaikanischen Vaters, erzählt häufig (auch in einer größtenteils fröhlichen Arte-Dokumentation), dass sie ihr volles Lachen von ihrer Mutter und deren Freundinnen erbte. Eine herzliche Fröhlichkeit von Frauen, black or brown, „die große Geschichten mit großem Lachen erzählten“. Es liest sich befremdlich, wenn eine weiße Lach-Gouvernante dazu Kopfnoten verteilt.
Zeilen in der NZZ mit Oberlehrerhaltung wären kaum der Rede wert, folgten sie nicht einer vollmundigen Einleitung: Der Untertitel kündigt Gedanken über eine Politikerin an, „die ständig und im falschen Moment schallend lacht“ und sich damit angreifbar mache. Was auch immer der Text will, die These bespricht er nicht. Dafür setzt er Harris’ Lachen mit Verachtung gleich: Das laute Herauslachen gehöre zu ihr „wie zu Donald Trump das verbale Herabsetzen seines politischen Gegners“.
Noch eigentümlicher wird das Bild, weil dieselbe Haltungsrichterin eine Woche zuvor die italienische Postfaschistin Giorgia Meloni durch die aktuelle Bildproduktion begleitete. Man könne ja von ihrer Politik „halten, was man will“, im Ausdruck sei sie „ein wandelndes Emoji“. Hier wird nicht moderazione gefordert, macht sich nichts angreifbar, gerührt vergleicht sie Melonis Augen mit denen von Gelsomina, dem Clown in Fellinis La Strada. Und Melonis Grimassen, nun, die Premierministerin wisse „natürlich“, was die bewirken, „wie authentisch diese Direktheit rüberkommt (…). Sie gibt sich grimassierend volksnah.“
„Wer lacht, kann nicht beißen“, schrieb der Soziologe Norbert Elias. Das trifft sicher zu. Lachen, wusste schon Aristoteles, kann überzeugend wirken. Und zumindest davor ist in den USA zuletzt Angst ausgebrochen.