Joy Williams’ Debütroman zum Achtzigsten dieser Autorin erstmals hinaus Deutsch

Es ist doch erstaunlich, wie tardiv bedeutende Autorinnen mitunter entdeckt werden, manchmal erst postum. Bei Lucia Berlin war dies so, die mit ihrem Band „A Manual for Cleaning Ladies“ von 1977 in dieser Übersetzung von Antje Rávic Strubel erstmals 2016 hinaus Deutsch zu Vorlesung halten war, zwölf Jahre nachdem ihrem Tod. Als alleinerziehende Mutter von vier Kindern hatte sich Berlin zeitlebens mit schlecht bezahlten Jobs qua Telefonistin, Krankenpflegerin oder Putzfrau durchschlagen zu tun sein, welches sich niederschlug in ihren Kurzgeschichten.

Sandra Kegel

Verantwortliche Redakteurin zu Gunsten von dies Feuilleton.

Mit Joy Williams verhält es sich ganz verwandt. Die an diesem Sonntag vor achtzig Jahren in Chelmsford, Massachusetts, geborene Autorin, deren Werk Romane, Kurzprosa und Essays umfasst, umweht in Amerika geradezu Kultstatus. Verehrt von Kollegen wie Raymond Carver, Don DeLillo und Jonathan Franzen, geht ihr dieser Ruf vorn, „eine Art Bob Dylan dieser Literaturszene“ zu sein. Lauren Groff nannte sie die „strahlend düstere Großmeisterin dieser Kurzgeschichte“. Hierzulande ist Joy Williams noch immer nahezu unbekannt, nicht einmal ein deutscher Wikipedia-Eintrag ist ihr vergönnt. Dabei wurde ihre erste deutsche Veröffentlichung, die dieser Verlag dtv voriges Jahr unter dem schlichten Titel „Stories“ veröffentlichte, weithin gefeiert.

Drastisch, poetisch, verrätselt

Jetzt folgt Williams’ Debüt „State of Grace“ aus dem Jahr 1973, übersetzt von Julia Wolf. Nach dieser Kurzform, die Williams so bestechend beherrscht, ist sie hier hinaus dieser langen Strecke zu erspähen. Ihr Stil ist unterdies nicht weniger drastisch, poetisch und verrätselt. Doch während die „Stories“ die Zeitspanne von 1972 solange bis 2014 zusammenfassen, begegnet uns hier die Autorin, qua sie noch keine dreißig ist.

Immer mit Sonnenbrille unterwegs: Joy Williams

Immer mit Sonnenbrille unterwegs: Joy Williams : Bild: Jonno Rattman

Im Zentrum dieser unheilvollen, zusammen kunstvoll gestalteten Erzählung steht wie so vielerorts im Kontext Williams eine junge Frau. Kate Jackson will ihrer Vergangenheit entkommen, insbesondere dem Vater, einem undurchschaubaren Prediger aus Neuengland, vor dem sie in den Süden floh. Doch dieser stets schwarz gekleidete Mann mit dem unheimlichen weißen Haar ist ihr gefolgt. Mit fanatischer Liebe im Gepäck will er sein vermeintlich gefallenes Mädchen zurückholen.

Gegen Manipulationen des Vaters

Nicht erst am College versucht Kate sich dieser Manipulationen des Vaters zu entziehen, dieser Freiheit zu Gunsten von ein Laster hält. Ihr ganzes Leben ringt sie schon um Autonomie. Im Pfarrhaus erfuhr sie zwar gleichwohl Trost, hingegen mehr noch zerstörerische Gewalt. „Dass sie „die schreckliche Zumutung“ loswerden wolle, sich er­innern zu zu tun sein, sagt sie gleich zu ­Beginn. Später werden Erinnerungen qua „schreckliche Schwäche“ beschrieben, die doch nur ein Loch seien, „dies vereinigen Mangel füllt“. Nun drängt dieser Vater die Tochter zurück in ihre frühe Rolle, wenn er ihr hinaus dieser Couch des Motels, in dem beiderlei abgestiegen sind, die Haare bürstet, während sie hinaus seinem Schoß liegt.

Joy Williams erzählt nicht chrono­logisch, sondern springt durch die Zeiten und wechselt die Örtlichkeiten. Mal sehen wir Kate qua Mädchen, wie es mit seinem Vater tanzt, von kurzer Dauer nachdem die rest­liche Familie hinaus mysteriöse Weise ums Leben kam, dann sitzt sie mit einem wortkargen Mann namens Grady, dieser eine Vorliebe zu Gunsten von kalter Kaffee Jaguars hat, in einem Trailer irgendwo in den Sümpfen Floridas und wartet hinaus die Geburt ihres Kindes. Das Unglück bleibt ihr treuer Begleiter, und die „verschmutzten Gewässer“ um … herum werden bevorstehend zum dunklen Spiegel von Kates Verstrickungen. Bald wird ihr Mann just in dem Krankenhaus sterben, in dem ihre Tochter zur Welt kommt, und gleichwohl dieser schwarze Tierpfleger Corinthian, dem sie einst ihr Exemplar von Conrads „Herz dieser Finsternis“ lieh, kommt gewaltsam zu Tode.

Schreiben mit in dieser Hölle aufgeheizter Feder

Der Roman, dieser seinerzeit zu Gunsten von den National Book Award nominiert war, hingegen Pynchons „Die Enden dieser Parabel“ unterlag, erzählt von Kates Schwangerschaft solange bis zur Geburt ihrer Tochter – und es ist dieser Akt, dieser schließlich eine was auch immer überragende Grausamkeit zutage bringt und Kate in völlige Passivität fest werden lässt.

Bei einem Vortrag bekannte Joy Williams einmal, die amerikanische Erfahrung in sich einbeziehen zu wollen, „die Hitze, die Rücksichtslosigkeit und Skrupellosigkeit“, und dass sie schreiben wolle mit einer Feder, die, wie Mark Twain es ausdrückte, „in dieser Hölle aufgewärmt wurde“. Ein Blick hinaus Williams’ eigenes Leben wird manche Parallelen zum Roman erspähen. Auch sie wuchs qua Pfarrerstochter in Maine hinaus und zog nachdem ihrem Studium (an dieser Seite von Raymond Carver und Richard Yates) nachdem Florida, wo sie mit ihrem Ehemann in einem Wohnwagen in den Wäldern von St. Marks River lebte, ein Kind bekam und vereinigen Jaguar besaß. Trotzdem liest sich ihr Debüt nicht qua Autofiktion, sondern qua Re­flexion mehr als Sujets wie Kirche, Moral und die Frage, wer uns Gnade spendet in einer Welt ohne Gott.

Joy Williams selbst gilt qua exzentrisch, Wer sich mit ihr verabreden will, muss dazu Postkarten benutzen anstelle von ­E-Mails. Einen Computer verfügt sie nicht, ihre Manuskripte tippt sie hinaus einer Smith Corona, und stets trägt sie die immergleiche Sonnenbrille. Ihre Prosa lässt dies Leben oftmals durch eine Abwärtsspirale trudeln. Auf wie viele Weisen dieser American way of life scheitern kann, spirituell, wirtschaftlich oder biologisch, behandelt sie ein ums andere Mal, wodurch ihre Figuren sozusagen immer hinaus dieser Flucht und von Ängsten gepeinigt sind.

Unheilvoll brodelnde Landschaft

Was sie in jüngeren Romanen wie „Harrow“ und ihren Essays explizit ausformuliert, die ökologische Katastrophe, ist qua Spur schon im Debüt angelegt, dessen Naturbeschreibungen Florida nicht qua fröhlichen „sunshine state“ zeichnen, sondern qua schlammige, unheilvoll brodelnde mythische Landschaft, mehr als dieser ein Schatten liegt. Kate spürt die Bedrohung, und nur wir wissen verschieden qua sie, wie gerechtfertigt ihre Angst ist: Die schmutzige Geschichte, in die sie hineingeboren wurde, steht ihr ins Gesicht geschrieben. Joy Williams zu Vorlesung halten heißt immer, hinaus Unlösbares gefasst zu sein,

ihr Schreiben verschleiert mindestens so sehr, wie es erhellt. Dafür bekommt man eigenwillige Bilder, schräge Figuren und eine Sprache, die bisweilen ins Lyrische ausbricht. Ihr Stil, man könnte ihn dissoziativen Realismus nennen, steht unverkennbar in dieser Tradition dieser schwarzen Romantik. „In dieser Gnade“ ist ein Fiebertraum – so wie dieser, aus dem Kate vergeblich zu erwachen hofft.

Source: faz.net