Joschka Fischer: „Ohne Demokratie sind die besten Absichten nichts“

Der ehemalige Außenminister und Vizekanzler Joschka Fischer
hat dazu aufgerufen, die Demokratie zu verteidigen. „Die Summe meiner
Erfahrungen ist: ohne Demokratie sind die besten Absichten nichts“, sagte der
Grünen-Politiker im Gespräch mit ZEIT-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo bei der
Verleihung des Helmut-Schmidt-Zukunftspreises in Hamburg. Besonders mit Blick
auf die AfD müssten der Rechtsstaat und die Demokratie mit Zähnen und Klauen
verteidigt werden, forderte der ehemalige Grünen-Politiker.

„Hatten wir in Deutschland schon mal ein besseres System?
Hat etwas wirklich besser im Interesse unseres Volkes – unserer Menschen –
funktioniert als unsere Demokratie, begründet auf dem Rechtsstaat?“ Ihm sei das
nicht bekannt. Teil dieser Realität sei aber auch die AfD – und auch „ein Nazi wie
Höcke“, sagte Fischer mit Blick auf den AfD-Spitzenkandidaten in Thüringen, Björn Höcke. Der AfD könne man nicht einfach „nach neutestamentarischer Art die Hand
reichen“, sagte Fischer. Das funktioniere nicht. 

Die momentane Weltlage bezeichnete Fischer als düster. „Wir stehen vor massiven Umbrüchen“, sagte er und nannte die Kriege in der Ukraine und in Nahost, aber auch das „Säbelrasseln“ Chinas in der Straße von Taiwan oder die anstehenden Wahlen in den USA. 

„Putin wird nicht aufhören“

Der russische Angriffskrieg in der Ukraine habe Konsequenzen für den gesamten Kontinent, sagte der ehemalige Außenminister. Der russische Präsident Wladimir Putin werde „nicht aufhören nach diesem Krieg, wenn er ihn gewonnen
hat, sondern weiter westlich weitermachen“, sagte Fischer. Davon sei er fest überzeugt. 

Mit Blick auf die Abhängigkeit der europäischen Länder von den USA forderte der ehemalige Außenminister, Europa müsse abschreckungsfähig werden. Auf die Frage, ob die Europäische Union eigene Atomwaffen brauche, antwortete er: „Eindeutig ja“. Und fügte dann hinzu: Er könne es selbst nicht glauben, dass er heute dafür werbe. Europa hänge vom nuklearen Schutz der USA ab. Wenn dieser Schutz wegfalle, „sind wir erpressbar“, sagte Fischer. Zudem sei es ein Fehler gewesen, die Wehrpflicht abzuschaffen.  

Der Nahostkonflikt drohe eine Weltkrise auszulösen

Für den gefährlicheren der beiden Kriege halte er jedoch den Krieg in Nahost. Zwar sei der Konflikt zwischen den Palästinensern und Israel alt, doch die Weltordnung habe sich geändert. Bisher habe der Konflikt nie die Gefahr geborgen, eine Weltkrise auszulösen, doch auch das habe sich nun geändert. Fischer sprach von einem brandgefährlichen Konflikt.  

Fischer war der erste Grünen-Außenminister und Vizekanzler. Erste politische
Erfahrungen sammelte er in den 1960er Jahren in der Studentenbewegung, 1982 trat er den Grünen bei. Drei Jahre später
wurde er Umweltminister der ersten rot-grünen Koalition in Hessen. Unter Bundeskanzler Gerhard Schröder wurde er 1998 erster grüner Außenminister und Vizekanzler der Bundesrepublik. Nachdem Schröder 2005 die Vertrauensfrage gestellt hatte,
verlor die Regierung bei vorgezogenen Bundestagswahlen die Mehrheit. Ein Jahr
später zog sich Fischer aus der Politik zurück.