Johannes Koch: Mit Gospel in jener Seele dies DZ-Bank-Personal in Bewegung setzen
An diesem Donnerstag gibt es am Finanzplatz Frankfurt eine Premiere. Im Spitzeninstitut der Volks- und Raiffeisenbanken DZ Bank wird ein neues Duo die Halbjahresergebnisse vorstellen. Neben dem Vorstandsvorsitzenden Cornelius Riese wird nicht mehr der zur Jahresmitte in den Ruhestand getretene Uwe Fröhlich sitzen, mit dem Riese seit 2019 eine erfolgreiche Doppelspitze gebildet hat. An Rieses Seite wird auch nicht die seit September 2018 im Vorstand für Finanzen zuständige Ulrike Brouzi die Journalisten durch die Zahlen führen, wie das in vielen Banken üblich ist. Vielmehr wird nach seinem Zypern-Sommerurlaub mit der Familie Johannes Koch dort Platz nehmen.
Der im Januar 48 Jahre alt gewordene Gießener rückte zum Jahresanfang in den DZ-Bank-Vorstand, er ist für Strategie und Konzernentwicklung sowie Personal zuständig und damit auch Arbeitsdirektor. In seinem offiziellen Lebenslauf hat Koch eine interessante, gut versteckte „Lücke“, dazu später mehr. Zunächst: Kochs aktuelle Zuständigkeiten beschreiben nur die halbe Wahrheit: Der beim ersten Kontakt recht analytisch wirkende Koch soll als Nachfolger des eher hemdsärmeligen Fröhlich das Gesicht der DZ Bank AG werden, also die Geschäftsbank nach außen vertreten, allerdings ohne den Rang des Vorstandsvorsitzenden aufzuweisen.
Während Riese die DZ Bank nun allein führt, sich aber weiterhin auf die Steuerungsholding der wichtigsten Tochtergesellschaften Bausparkasse Schwäbisch Hall, R+V Versicherung und Union Investment konzentriert, soll Koch das einer Landesbank ähnliche Geschäfts- und Verbundbankgeschäft mit den Volks- und Raiffeisenbanken in der DZ Bank AG voranbringen. So hat er von Fröhlich auch den Aufsichtsratsvorsitz in den Tochtergesellschaften der Immobilienbank DZ Hyp, dem Private-Banking-Arm DZ Privatbank und dem Leasingspezialisten VR Smart übernommen. Darüber hinaus hat Souâd Benkredda im DZ-Bank-Vorstand an Bedeutung gewonnen. Die seit September 2022 amtierende Kapitalmarktchefin übernahm von Fröhlich die Verantwortung für die Auslandsstandorte.
Koch hält die Corona-Pandemie bei all ihren vielen Schattenseiten für förderlich darin, eine Unternehmenskultur entwickelt zu haben, mit der sich Mitarbeiter beider Häuser identifizieren können. Tatsächlich waren viele Beschäftigte überrascht, wie gut gerade die DZ Bank die Tage im Lockdown technisch meisterte. 2023 übertraf sie dann mit fast 3,2 Milliarden Euro vor Steuern und gut 2,2 Milliarden Euro nach Steuern sogar noch die Gewinnbestmarken aus dem Jahr 2021. Damit liegt die DZ Bank gleichauf mit der Commerzbank , die 2023 immerhin ein Rekordergebnis verzeichnete. Und mit allen rund 700 Volks- und Raiffeisenbanken zusammengerechnet erwirtschaftet die DZ-Bank-Gruppe sogar einen höheren Gewinn als die Deutsche Bank . Also alles paletti am Frankfurter Firmensitz am Platz der Republik zwischen Zwillingstürmen und Hauptbahnhof? Nicht ganz.
Auch die DZ Bank steht vor der Herausforderung, dass in den kommenden zehn Jahren etwa ein Drittel ihrer Belegschaft in den Ruhestand treten wird und viele junge Leute sich gut etwas anderes vorstellen können als Banklehre und lebenslange Tätigkeit für ein Kreditinstitut. DZ-Bank-Chef Riese treibt das so sehr um, dass er gerade ein Buch über Arbeitgeberattraktivität veröffentlicht hat. Nicht nur was dieses Interesse angeht, wirkt das neue Führungsduo Riese/Koch einander ähnlicher als das alte Riese/Fröhlich. Sowohl Riese als auch Koch waren vor ihrer Zeit bei der DZ Bank als Unternehmensberater tätig, Riese bei Accenture , Koch von 2009 bis 2013 bei der Boston Consulting Group . Somit besteht die Gefahr, dass sich beide auf ihre überaus analytische Art nicht ganz so gut ergänzen.
Landesbankenberater in der Finanzkrise
Gleichwohl hat Koch auch aus der Zeit ab 2009 bei BCG einiges in die DZ Bank einzubringen. Schließlich war BCG damals in der Finanzkrise als Sanierungsberater in einigen Landesbanken tätig, die in Schieflage geraten waren. Ob LBBW, Helaba oder Bayern LB – in diesen aufgeblähten Sparkassen-Zentralinstituten mussten harte Kürzungen erfolgen, damit sie weitergeführt werden konnten. Die West LB ging sogar unter. Auch wenn er als Berater anders als ein Vorstand keine Geschäftsverantwortung trug, spricht Koch noch immer von schmerzhaften Einschnitten, wenn das Gespräch auf die damals oft mit Sozialplänen vereinbarten betriebsbedingten Kündigungen kommt.
Die DZ Bank, auch gebrannt von früheren eigenen Krisen etwa durch BSE-Fleisch- und Kirch-Film-Kredite und jetzt als Hauptgläubiger des schwer gebeutelten Agrarkonzerns Baywa , fokussiert sich längst zuerst auf das gemeinsam mit Volks- und Raiffeisenbanken betriebene Kreditgeschäft, aber nicht nur. Gerade in der internationalen, heute meist „grünen“ Projektfinanzierung lassen sich mit mehr Kapitaleinsatz und damit höherem Kreditrisiko auch überproportional höhere Erträge generieren. Das führt zurück zu Kochs Berufseinstieg.
KFW, Kirche, Gospel
Nach einem BWL-Studium an der Justus-Liebig-Universität im heimatlichen Gießen arbeitet er zu Beginn seiner Karriere von 2005 bis 2009 nicht zufällig für die staatliche Förderbank KfW. Denn der Sinn oder neudeutsch „Purpose“ hinter einer Finanzierung war dem jungen Koch schon damals wichtig, womöglich auch, weil er aus einer christlichen Familie mit sich ehrenamtlich in einer evangelischen Gießener Kirchengemeinde engagierenden Eltern stammt.
Bleibt noch, die Lücke im Lebenslauf des neuen obersten Personalleiters der DZ Bank aufzuklären: Auf die Frage, was er denn eigentlich studiert habe, muss Koch zunächst schmunzeln. Dann gibt er preis, was nicht in seinem Lebenslauf steht: Nach seinem Zivildienst als Rettungssanitäter studierte er zunächst zwei Jahre Kirchenmusik und Neuere Geschichte. Kirchenmusik? Fugen von Bach?
Koch winkt ab und wirkt auf einmal gar nicht mehr so analytisch. Gospel! Er habe Klavier- und auch Orgelspielen gelernt und greife auch heute noch einmal im Monat im Gottesdienst am Familienwohnort Offenbach in die Tasten. Aber seine wahre Leidenschaft ist anscheinend die afroamerikanische Art und Weise, das Evangelium fröhlich singend und klatschend zu verbreiten. Er habe schon als Student einen Gospelchor in Gießen gegründet und geleitet, seine Ehefrau singe auch, die Kinder ebenso.
Was Koch am Gospel gefällt: Man muss auswendig singen, sich darauf einlassen, fast wie auf eine plausible Unternehmensstrategie. Und es geht nicht nur um einen einzigen gemeinsamen Auftritt, etwa ein Konzert, sondern um permanentes Proben und Praktizieren. Und so wie es für einen Chor eine Herausforderung ist, einen Ton nicht nur gemeinsam auszuhalten, sondern auch gemeinsam zu beenden, so will Koch auch in der DZ Bank die Menschen überzeugen, Wandel positiv gemeinsam anzugehen. Themen wie Künstliche Intelligenz treibt er voran und will den Beschäftigten die Angst davor nehmen. Dabei kann ein klarerer Kompass helfen. Und ein beschwingter Ton.