Joe Biden gegen Donald Trump: Das Duell kommt in Fahrt

Der Machtkampf um das Weiße Haus ist immer weniger durchschaubar. Nach dem Schuldspruch gegen Trump beim Prozess in New York gilt das erst recht. Man sollte definitiv wegkommen von Trumps Problemen mit den Gerichten, auch wenn die Klicks generieren und jeden zum Spekulieren einladen. Der 77-jährige Verurteilte agiert nach dem Prinzip, dass Medienaufmerksamkeit besser ist, als im Schatten zu stehen. Fakten zu checken bringt nichts bei Trumps Tiraden gegen das „Biden-Regime“ und die „korrupte Justiz“. Trotz Expertenmeinungen und Umfragen kann niemand verlässlich sagen, ob das Urteil in Manhattan Trump bei der Wahl im November schadet oder nicht.

Er habe vor dem Präsidentenvotum am 8. November 2016 Geschäftsunterlagen fälschen lassen, um 130.000 Dollar Schweigegeld an die frühere Pornodarstellerin Stormy Daniels zu vertuschen und so das Wahlergebnis zu beeinflussen, befanden die zwölf Geschworenen. Welches Strafmaß am 11. Juli folgt, lässt sich schwer abschätzen. Gleiches gilt für die Erfolgsaussichten einer Berufung.

Nur an der Wahlurne

Auf jeden Fall liefert Trump stetig Material für das Unterhaltungsprogramm der Nachrichten. Ihm nahestehenden Publizisten hilft es, ihr Bild vom angeblich maroden „System Biden“ um ein paar Striche zu ergänzen. Wer auf Trumps Seite steht, hat sich von rechtlichen Gepflogenheiten und herkömmlichen demokratischen Normen längst verabschiedet. Und unentschlossen ist beim Thema Trump kaum jemand. Der republikanische Kandidat fürs höchste Staatsamt ging wenige Stunden nach dem Urteil zu einem Dinner mit Großspendern und Fans. Laut CBS-TV verbuchte seine Kampagne die Rekordspendensumme von 52,8 Millionen Dollar in den 24 Stunden nach dem Urteil. Der autoritäre Instinkt des Bewerbers gefällt offenbar. Wohl auch seine Versprechen zur Steuer- und Energiepolitik. Der Informationsdienst Bloomberg News schrieb, immer mehr aus der finanziellen Elite machten sich stark für Trump.

Linke in den USA fühlen sich nach dem Schuldspruch in ihrer Meinung bestätigt, dass dieser Mann nicht erneut Präsident werden darf. Sie geben sich staatstragend mit dem Verweis auf ein „historisches Urteil“. Der Rechtsstaat habe funktioniert, was in der Hoffnung bestärke, dass irgendetwas haften bleibe am Teflon-Politiker. Ein Kommentar des mit den Demokraten sympathisierenden Think-Tanks Brookings Institution äußert die Erwartung, der „menschliche Aspekt“ bei Trumps Verhalten werde Wähler und Wählerinnen wegbringen von einem solchen Präsidentenanwärter, besonders Frauen. Der Prozess habe vorgeführt, dass Trump „eine Affäre mit einem Porno-Star hatte, während seine Ehefrau zu Hause war, mit einem gerade geborenen Kind“.

Indessen hält sich Team Biden zurück. Das Urteil ändere nichts daran, dass das amerikanische Volk mit einer einfachen Realität konfrontiert werde: Nur an der Wahlurne könne man Trump vom Oval Office fernhalten. Beim „Themenwechsel“ oder Versuch, eine griffige Strategie zu finden, tun sich Biden und seine Leute freilich schwer. Was mobilisiert im Wahlkampf? Greift das Thema der republikanischen Attacken auf das Recht zum Schwangerschaftsabbruch? Oder sind es Bidens Erfolge im Kampf gegen die Klimakrise, massive Investitionen für Jobs und saubere Energie, Maßnahmen gegen hohe Medikamentenpreise und zum Schutz der einheimischen Industrie? Dazu hat er mehreren Millionen College-Abgängern ihre Darlehen erlassen. Biden spricht gern über die „Seele der Nation“, die es zu bewahren gelte, und warnt vor Trump als Gefahr für die Demokratie, wie es bei seiner Missachtung des Gerichtsurteils deutlich werde.

Viele Amerikaner machen sich schon lange Sorgen um ihre wirtschaftliche Zukunft. Man sieht sich gern als Mittelschicht und spürt deren langsames Abdriften in unsichere Gefilde. Das Institut Pew Research Center hat im Mai Daten dazu vorgelegt. Danach rekrutiere die Mittelklasse Haushalte mit Einkommen, die mit bis zu zwei Dritteln über dem Durchschnittsverdienst lägen. 1971 hätten demnach 61 Prozent der Amerikaner in der Mittelklasse gelebt. 2023 sei die Quote auf den Wert 51 gefallen. Gewachsen seien die Oberschicht und die unteren Einkommensgruppen. Die Zahl der Millionäre stieg deutlich. Der Alltag offenbart, dass Gemüse im Supermarkt und der Hamburger mehr kosten, Berufstätige horrende Summen für Kindertagesstätten aufbringen müssen und die Zuzahlungen wie Gebühren bei Arztbesuchen und in der Apotheke schockieren.

Auch in der Außenpolitik dringt Biden nicht so recht durch. Auf internationaler Ebene seien die USA wieder ein verlässlicher Partner, betont er. Seine Regierung habe die NATO zusammengebracht gegen die russische Invasion in der Ukraine. Doch mit der Ukraine-Hilfe ist es schwierig geworden. Die Republikaner blockieren, und manche Demokraten fordern mehr. Kritiker finden, man könne keine Strategie erkennen. Nun hat Biden vor Tagen der Ukraine die Erlaubnis erteilt, bestimmte Ziele in Russland mit US-Waffen anzugreifen. Bliebe noch das Thema Gaza: Bidens „rote Linie“, die er für einen israelischen Angriff auf Rafah zog, ist schnell verblasst.

Die Niederlage vor Gericht in New York hat Trump gezeigt, dass seine Taktik, Verfahren zu verzögern, Gegner einzuschüchtern, grundsätzlich auf Angriffsmodus zu gehen und den Richter zu beleidigen, nicht immer funktioniert. Bei den ausstehenden Gerichtsterminen drohen härtere Strafen. Manche Gegner Trumps spotten: Er müsse Anfang November gegen Joe Biden gewinnen, um eine Arrestzelle zu vermeiden. Vorerst werden Trumps Prozesse weiter Material liefern für Talkshows, Zeitungen und Websites. Es stehen Verfahren an in Georgia wegen Wahlmanipulation, in Florida wegen unsachgemäß gelagerter Geheimdokumente und in Washington wegen des Ansturms auf das Kapitol am 6. Januar 2021. Das durch die von Donald Trump ernannten Richter geprägte Oberste Gericht urteilt in wenigen Wochen darüber, ob ein Präsident – sprich: Trump – weitreichende Immunität genießen darf.