Jetzt lädt nachrangig die Liberale zum Wirtschaftsgipfel

Die FDP geht auf Gegenkurs zu den Koalitionspartnern im Kanzleramt und Wirtschaftsministerium. Finanzminister Christian Lindner (FDP) und FDP-Fraktionsvorsitzender Christian Dürr haben Spitzenvertreter der deutschen Wirtschaft zum Meinungsaustausch geladen. Das Treffen soll am kommenden Dienstagvormittag im Reichstagsgebäude stattfinden – kurz bevor Bundeskanzler Olaf Scholz zum Industriegipfel bittet. „Die anhaltende Wachstumsschwäche der deutschen Wirtschaft erfordert entschlossenes und schnelles Handeln und zwar vor allem auch seitens der Koalition und der Bundesregierung“, heißt es in dem der F.A.Z. vorliegenden Einladungsschreiben. Die beiden FDP-Politiker machen keinen Hehl daraus, dass sie den Ansatz des Regierungschefs für unzureichend halten. So schreiben sie weiter: „Aus unserer Sicht ist dazu das Gespräch mit der deutschen Wirtschaft insgesamt und nicht nur mit Vertretern einzelner industrieller Branchen nötig.“

Eingeladen haben Lindner und Dürr nach Informationen dieser Zeitung die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, die Deutsche Industrie- und Handelskammer, den Zentralverband des Deutschen Handwerks, den Verband der Familienunternehmer und den Bundesverband der freien Berufe. Handwerkspräsident Jörg Dittrich will nach derzeitiger Terminplanung teilnehmen. „Das Handwerk hat gegenüber der Politik immer wieder signalisiert, dass es ganz generell für eine konstruktive Zusammenarbeit bereitsteht und in diesem Sinne für den Austausch mit der Politik gerne zur Verfügung steht“, hieß es beim Zentralverband auf Nachfrage.

„Mit der Gipfel-Inflation wird nicht ein Problem gelöst“

„Nicht nur Industrieunternehmen haben Probleme und Herausforderungen, sondern alle Unternehmen“, betonte Fraktionschef Dürr am Freitag im Gespräch mit der F.A.Z. Nach seinem Angaben geht es in der geplanten Gesprächsrunde im Reichstag insbesondere um Bürokratie, Steuern und Energiekosten. „Die Rahmenbedingungen stimmen seit Jahren nicht. Jetzt sind wir an einem Punkt, wo wirklich Entscheidungen getroffen werden müssen.“ Zum einen müsse die Wachstumsinitiative zügig und vollständig umgesetzt werden. Zum anderen müsse sich die Bundesregierung in der Europäischen Union dafür einsetzen, dass bürokratische Maßnahmen geschoben oder abgeschafft werden. „Viele der Dinge, die der Wirtschaft schaden, kommen direkt aus Brüssel.“ Positiv vermerkte der FDP-Politiker, dass sowohl der Kanzler als auch der Vizekanzler sehen, dass etwas passieren muss. Doch neue Subventionen helfen nach Ansicht der FDP nicht.

Der Wirtschaftsminister hatte vor seinem Abflug zu den deutsch-indischen Regierungskonsultationen nach Neu Delhi eine „Modernisierungsagenda“ vorgelegt. Zentrales Element ist ein schuldenfinanzierter Investitionsfonds in Höhe von mehreren hundert Milliarden Euro. Unter anderem will Habeck damit eine Investitionsprämie von 10 Prozent für alle bis auf den Wohnungsbau finanzieren.

„Die Vorschläge von Herrn Scholz waren nicht abgestimmt und die von Herrn Habeck auch nicht“, sagte Lindner im ZDF. Durch ein solches Vorgehen entstehe Unsicherheit. „50 Prozent der Probleme in der Wirtschaftspolitik, der Zurückhaltung bei den Investitionen und auch der Zurückhaltung beim privaten Konsum“ hänge damit zusammen, meinte Lindner. Der FDP-Vorsitzende kritisierte Habecks Ansatz in der Sache hart. „Nachdem wir gesehen haben, dass bei Intel Subventionen nichts gebracht haben, soll auf das Scheitern bei Intel jetzt Intel zum Quadrat folgen.“ Für ihn sei das ein „Zeichen von konzeptioneller Hilflosigkeit“. Die Bundesregierung hatte Intel für eine Chipfabrik Finanzhilfen von 10 Milliarden Euro in Aussicht gestellt, gleichwohl wurde der Bau auf Eis gelegt.

Die Zukunft der Koalition ließ der FDP-Vorsitzende im Unklaren. Einerseits bekundete er: „Wenn sich alle an den Koalitionsvertrag halten wollen und an seinen Geist, dann habe ich jedenfalls keine Vorsätze, eine Regierungskoalition zu beenden.“ Andererseits raunte er kurz darauf in der ARD: Man werde sprechen müssen. „Sind unsere Gemeinsamkeiten so groß, dass wir die Probleme des Landes lösen können? Ich hoffe darauf.“

Julia Klöckner, wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, sprach von einer absurden Konkurrenz in der Bundesregierung. „Mit der Gipfel-Inflation wird nicht ein Problem gelöst.“