Jane Austen: Das sind die besten Filmadaptionen von „Emma“ solange bis „Stolz und Vorurteil“
Es ist alles eine Frage des Kontexts. Jane Austen sei „heißer“ als Quentin Tarantino, schrieb Martin Amis vor 30 Jahren im New Yorker. Damals, 1995, hatte Tarantino mit Pulp Fiction gerade das Kino neu erfunden, zumindest fühlte es sich so an.
In der Parallelwelt der Jane-Austen-Fans, die Amis spöttisch „Janeites“ nennt, sorgten eine Serie und ein Kinofilm für Euphorie. Der BBC-Sechsteiler Pride & Prejudice fegte sonntäglich „die Straßen Großbritanniens leer“; die Neuverfilmung von Sense & Sensibility war gerade im Kino gestartet und sollte im Folgejahr Preis auf Preis einheimsen.
Die Welle der Adaptionen, die Amis mit männlich-urbanem Befremden als kurzfristiges Phänomen abtut, ist seitdem nicht mehr abgerissen. Zum 250. Geburtstag von Austen mehren sich die Adaptionen erneut. Zeit für einen kleinen Leitfaden durch die besten, die verwegensten und die sich von der Vorlage am weitesten entfernenden Verfilmungen.
Welcher Austen-Roman wurde besonders oft verfilmt?
Das ist Stolz und Vorurteil, der Roman mit dem berühmten Anfangssatz: „Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, dass ein Junggeselle im Besitz eines schönen Vermögens nichts dringender braucht als eine Frau.“ Im Zentrum der Handlung steht die Bennet-Familie mit fünf Töchtern, die im Lauf der Geschichte mit diversen Junggesellen Bekanntschaft machen. Hochzeiten werden angebahnt, drohen zu zerplatzen oder gehen schief.
Hauptheldin ist Elizabeth Bennet, die zweitälteste Schwester, die mit dem wohlhabenden Mr Darcy die Urform der Romantic Comedy durchlebt, perfekt mit Ressentiment bei der ersten Begegnung, giftig-scharfzüngigem Dialog-Hin-und-Her und schließlich der langsamen, aber ach so süßen Annäherung.
Die Serien-Adaption mit Colin Firth als Darcy (und Jennifer Ehle als Elizabeth) löste in Großbritannien ein regelrechtes Austen-Fieber aus. Lange Zeit galt Firth als der ultimative Darcy-Darsteller – bis Matthew Macfadyen in Joe Wrights Kinoverfilmung von 2005 dem attraktiven, arroganten Heiratskandidaten ein jüngeres und energischeres Update verlieh und Keira Knightley als Elizabeth jugendliche Star-Power einbrachte.
Die „Janeites“ streiten bis heute, was die bessere Adaption ist, wobei die Serie einen entscheidenden Vorteil hat: Die längere Laufzeit erlaubt mehr Platz für das romantische „Will they, won’t they“ und für köstlich-elaborierte, Austen-inspirierte Dialoge. Der Kinofilm aber hat eine Szene, die bis heute als Meme durch Social Media geistert: An einer Stelle reicht Macfadyens Darcy seiner Elizabeth die Hand, um ihr in die Kutsche zu helfen, und als er sich danach von ihr wegdreht, sieht man kurz, wie seine Hand zuckt, gleichsam als wäre sie elektrisiert vom kurzen körperlichen Kontakt. Es ist das Romantischste überhaupt!
Wäre Mr. Darcy heute Elon Musk?
Wieviel Konjunktur Stolz und Vorurteil noch immer hat, zeigt sich nicht nur in Beiträgen, die ausrechnen, das Darcy, in heutige Geldverhältnisse übersetzt, so was wie Elon Musk oder zumindest ein Billionär sei, sondern in gleich zwei Neuproduktionen für 2026. Netflix arbeitet an einer Re-Adaption als Serie, diesmal mit Jack Lowden (Slow Horses) und Emma Corrin (The Crown) als Paar, das sich kriegt. Während die BBC sich mit The Other Bennet Sister an ein Spinoff wagt, in dem es um Mary, die mittlere der Bennet-Schwestern gehen soll.
Stolz und Vorurteil ist auch der Stoff, der die meisten Modernisierungen und Fortsetzungen hervorgebracht hat. So nimmt die Buch- und Filmreihe Bridget Jones Diary darauf Bezug. Mit Fire Island gab es 2022 eine den Urstoff frei ins Milieu eines jungen schwulen Freundeskreises versetzenden Komödie. Und in Pride and Prejudice and Zombies (2016) wurde er ins ironisch-trashige Genre-Kino übertragen, was tatsächlich besser funktioniert, als man zunächst annimmt – dank Lily James und Sam Riley in den entsprechenden Hauptrollen.
Welches ist die beste aller Jane-Austen-Verfilmungen?
Noch immer Sinn und Sinnlichkeit von 1995. Die Adaption unter der Regie von Ang Lee bringt sämtliche Schauspieler des großartigen Ensembles – eine Nominierung in der leider erst jetzt eingeführten Oscar-Kategorie für bestes Casting wäre dem Film heute sicher! –großartig zur Geltung. Das von Emma Thompson und Kate Winslet gespielte Schwesternpaar genauso wie die Schar derer, die ihnen den Hof machen: Hugh Grant, Greg Wise und Alan Rickman. Thompson hat das Drehbuch selbst verfasst und dafür neben vielen anderen Preisen schließlich den Oscar bekommen.
Es ist aber ihre Dankesrede bei den Golden Globes, die klar macht, wie tief das Verständnis von Thompson für ihre Vorlage geht. Sie hat sie in Form eines Briefs von Austen verfasst – „Having just returned from an evening at the Golden Spheres, which despite the inconveniences of heat, noise and overcrowding, was not without its pleasures. Thankfully, there were no dogs and no children“. (Bin gerade von einem Abend bei den Gold-Sphären zurückgekehrt, der trotz Hitze, Lärm und Überfüllung durchaus seine schönen Seiten hatte. Zum Glück waren keine Hunde und keine Kinder da.)
Auch für Sinn und Sinnlichkeit wird es demnächst eine Neuadaption geben, und zwar als Kinofilm, Regie führt Georgia Oakley, Daisy Edgar-Jones (Normal People) wird Elinor und Esmé Creed-Miles Marianne spielen, während Caitríona Balfe (Outlander) die Matriarchin der Familie Dashwood verkörpert und George MacKay („1917“) Elinors Geliebten Edward. Angekündigt ist der Start für Herbst 2026, also mitten in der Filmfestivalzeit, was Prestige verspricht.
Welcher Roman hat die verwegensten Adaptionen hervorgebracht?
Emma: die 1996er-Version mit Gwyneth Paltrow als Emma Woodhouse (Paltrow), die sich als Kupplerin für ihre Freundin Harriet (Toni Collette) versucht und lange im Stillen von Nachbar Frank (Ewan McGregor) verehrt wird, ist trotz prominenter Besetzung hölzern geraten, und Paltrow, damals frisch aus Shakespeare in Love eher eine Fehlbesetzung.
Die 2020 erschienene Neuversion, nun mit Anya Taylor-Joy als Emma, Mia Goth als Harriet und Johnny Flynn als Frank, konnte wegen der Corona-Pandemie nur wenig Aufmerksamkeit auf sich ziehen, ist aber ein kleines Schmuckstück unter den Austen-Adaptionen. Sie fühlt sich modern an, ohne die Dinge angestrengt an das Heute anzupassen, aber auch ohne zu sehr ins Kostümfilmhafte zu verfallen, und zeigt dabei viel Verständnis für den Eigensinn der Hauptfigur.
Mit Clueless, in dem die Handlung ins Los Angeles der 90er versetzt wird, hat der Emma-Stoff eine der berühmtesten „Reimaginationen“ hervorgebracht. Emma heißt nun Cher (Alicia Silverstone), geht zur Highschool und träumt von einer Karriere als Rechtsanwältin, während Paul Rudd als älterer Stiefbrüder Josh sie ironisch belächelt. Die Teenagerkomödie war so erfolgreich, dass sie ihrerseits einige Remakes in Serie und Film hervorgebracht hat. Zurzeit entwickelt der US-Kabelsender Peacock eine Fortsetzung, in der Alicia Silverstone ihre Rolle als Cher wieder aufnimmt.
Welches ist die umstrittenste Adaption?
Persuasion (Anne Elliot) wurde, wie eigentlich alle Austen-Romane, schon mehrfach als BBC-Miniserie adaptiert, es gab auch schon drei Kino-Verfilmungen, aber keine davon hinterließ wirklichen Eindruck. Anders dann die 2022er Version, in der Dakota Johnson Anne Elliott spielt, die nach Jahren bereut, den Antrag ihres in sie verliebten, aber mittellosen Captain Wentworth abgelehnt zu haben, besonders als der zurückkommt und es zu Wohlstand gebracht hat. Cosmo Jarvis (Shogun) spielt Wentworth, Henry Golding den intriganten Vetter, der seinerseits um Anne wirbt.
Die Tonlage ist modern und ironisch, die Inszenierung erlaubt sich absichtliche „Fehler“, was die zeitliche Authentizität von Kostümen, Accessoires und Sprache angeht. Austen-Anhänger fühlten sich provoziert und empörten sich. Aber wer Dakota Johnsons über-entspannten Charme zu schätzen vermag, wird hingerissen sein.