James Krüss: Der dornige Weg zum Frieden

Das kommende Jahr steht auch im Zeichen von James Krüss, der am 31. Mai seinen hundertsten Geburtstag gefeiert hätte. Von ihm stammen einige der beliebtesten Kinderbücher der alten Bundesrepublik, allen voran der große kapitalismuskritische Jugendroman „Timm Thaler“ von 1962. Zugleich erschienen seine Werke auch jenseits der innerdeutschen Grenze, einige sogar zuerst in der DDR.

Krüss, der 1944 als Minderjähriger einen Aufnahmeantrag in die NSDAP gestellt hatte, ein Jahr später seinen Weg aus dem Sudetenland bis nach Norddeutschland zur Familie fand, die ihre Heimat Helgoland wie alle anderen Bewohner auch hatte verlassen müssen, und schließlich nach München übersiedelte, um von dort aus ein Periodikum für die exilierten Insulaner herauszugeben, nutzte die neue Freiheit, um ausgiebig zu reisen – unter anderem mehrmals nach Jugoslawien, das er mit dem befreundeten ostdeutschen Autor Peter Hacks besuchte.

Davon erzählen auch seine Kinderbücher. Eines von ihnen, das 1967 erschienene „Mein Urgroßvater, die Helden und ich“, läuft geradewegs auf eine Geschichte zu, die Krüss in Montenegro angesiedelt hat. Das Buch knüpft an „Mein Urgroßvater und ich“ von 1959 an, aber es geht Krüss ersichtlich um etwas anderes. Waren im Vorgängerroman noch der Urgroßvater und sein Urenkel Boy damit beschäftigt, die Sprache, ihre Laute und Buchstaben zu untersuchen und dabei dichtend eine Reihe von literarischen Formen auszuprobieren, stehen im neuen Band „Helden“ im Fokus: Was, so fragen sich die beiden, die sich auf einen Dachboden im Vorkriegs-Helgoland zurückgezogen haben, was macht eigentlich einen Helden aus?

Blutrache und wie man sie durchkreuzt

Die Frage, für die in unserer Zeit ein eigener Sonderforschungsbereich in Freiburg eingerichtet wurde, ergründen die beiden Insulaner mit Geschichten und Versen. Sie finden heraus, dass „Tollkühnheit und Unvernunft“ nichts mit Heldentum zu tun haben, nehmen die Taten des Herkules einzeln unter die Lupe und entlarven in zahlreichen Gedichten „falsche Helden“.

Am letzten Tag ihres Zusammenseins erzählt der Urgroßvater dann vom montenegrinischen Jungen Blascho Brajowitsch. Es ist eine Geschichte aus „alter Zeit“, sie handelt von Tradition, festen Regeln des Zusammenlebens und von Blutrache, der nach und nach die meisten Männer zweier verfeindeter Familien zum Opfer fallen. Endlich ergreift Blaschos Vater Rade die Initiative zum Beenden des Konflikts. Er ruft die beiden Familien zusammen und appelliert an die schiere Vernunft aller: Gehe es so weiter, dann hätte keine Seite mehr eine Zukunft.

Nur eine alte Frau will zuerst ihren Sohn gerächt wissen. Ein anderer Sohn schießt mit der Pistole blind auf die Gegenseite. Weil, wie es scheint, niemand getroffen wurde, kann der Frieden beschlossen werden. Erst auf dem Heimweg bittet dann Blascho seinen Vater, ihn ins Krankenhaus zu bringen, um seine Schusswunde zu versorgen. Ein Held, da sind sich der Urgroßvater und der Erzähler einig. Man möchte Blaschos Vater auch dazurechnen.

Source: faz.net