Islamische Revolution: Es kann noch schrecklich viel vorbeigehen

Die hier veröffentlichte Dankrede zur Verleihung des
Thomas-Mann-Preises hielt Kermani kürzlich in Lübeck. Der Preis wird
von der Hansestadt Lübeck und der Bayerischen Akademie der Schönen
Künste vergeben.

„Von meiner Zeit will ich zu Ihnen sprechen, nicht von meinem Leben“, kündigte Thomas Mann an, als er im Mai 1950 ans Pult der Universität Chicago trat: Keinen autobiografischen Vortrag wollte er also halten, sondern über die winzige Strecke Menschheitsgeschichte nachdenken, in die ein einzelnes Schicksal fällt, „das Stundenglas, das mir gestellt war und von dessen in feinem Strom durch die Enge rinnenden Sand so wenig noch übrig ist“. Und der Fünfundsiebzigjährige zitierte Goethe, der sich im selben Alter des Vorteils gerühmt hatte, in eine Zeit voller epochaler Ereignisse hineingeboren worden zu sein, sodass er „vom Siebenjährigen Krieg, sodann von der Trennung Amerikas von England, ferner von der Französischen Revolution und endlich von der ganzen Napoleonischen Zeit bis zum Untergange des Helden und den folgenden Ereignissen lebendiger Zeuge“ gewesen sei. Das habe ihm, Goethe, „zu ganz anderen Resultaten und Einsichten“ verholfen, als wenn er einer anderen, weniger stürmischen Zeit beigewohnt hätte.