Intel in Magdeburg: Eine Stadt im Stand-by-Modus
Der Acker der Hoffnung liegt da, als sei nichts passiert. Ein Bauzaun, ein paar Bagger, ein Lkw brummt vorbei. Am Dienstag dieser Woche arbeiten die Leute an Zufahrtsstraßen, damit bald richtig gebaut werden kann. Damit das Zukunftsversprechen eingelöst werden kann. Auf diesem riesigen Feld bei Magdeburg soll sie eigentlich einmal stehen, die Megafabrik von Intel. Es hätte bald losgehen können mit dem Bau. Doch es kam anders.
Seit der Nacht zum Montag ist nicht nur unklar, wann die Fabrik errichtet wird. Es stellt sich sogar die Frage, ob sie überhaupt kommt.
Eigentlich hat der US-Chiphersteller in Sachsen-Anhalt Großes vor. 30 Milliarden Euro will er in Magdeburg investieren, der Bund hat zugesichert, 9,9 Milliarden davon zu übernehmen. Doch der Konzern steckt in der Krise. Verluste, Sparprogramme, Entlassungen. Anfang der Woche hat das Unternehmen angekündigt, das Projekt vorerst zu stoppen. Es werde sich voraussichtlich um zwei Jahre verzögern, teilte Firmenchef Pat Gelsinger mit.
Ein Heilsversprechen für Sachsen-Anhalt
Diese Nachricht sorgte für Schlagzeilen. Die EU möchte mit dem Werk ihre Abhängigkeit von asiatischen Chipherstellern reduzieren, da ist der Aufschub ein Rückschlag. Aber Magdeburg hat die Nachricht noch aus anderen Gründen schwer getroffen. Intel, das war in Sachsen-Anhalt so etwas wie ein heiliges Wort. Die Ansiedlung sollte nicht nur 3.000 Arbeitsplätze bringen, sie sollte etwas auslösen in der Region. Aufschwung. Aufbruch. Anerkennung. Ein Gefühl der Zuversicht, der Besserung, nach vielen Jahren des Wegzugs, der Überalterung, dem Trauma der Massenarbeitslosigkeit.
Und jetzt? Wirkt Magdeburg wie eine Stadt, die es schon immer geahnt hat. Und der Acker der Hoffnung wie ein Acker der Ungewissheit.
Keine 15 Kilometer davon entfernt sitzt Jörg Methner vor einem pinkfarbenen Haus neben einem Freibad. Methner ist Bürgermeister von Sülzetal, einer Gemeinde mit 9.000 Einwohnern, die am sogenannten Hightech-Park beteiligt ist, der neben der Intel-Fabrik entstehen soll. Gerade hat Methner bei den Arbeitern vorbeigeschaut, die am Freibad die Bäume schneiden. Aber eigentlich beschäftigt ihn etwas anderes.
In der letzten Nacht habe sein Telefon ständig geklingelt. Leute aus dem Gemeinderat hätten ihm geschrieben: Was denn jetzt los sei? Wie es weitergehe mit Intel? Was der Plan sei?
Methner weiß es nicht. „Ich bin dolle enttäuscht“, sagt er. Die Ansage von Intel, dass sie in zwei Jahren kommen wollten, gebe ihm keine Sicherheit. Zumal die Firma schon einmal den Baustart nach hinten verschoben hat, von 2023 auf 2024. Methner wird laut: „Wir haben immer gewartet, gewartet, gewartet!“ Jetzt sei er dafür, dem Unternehmen die „Pistole auf die Brust“ zu setzen: Kommt ihr? Oder nicht?
Wer mit Methner spricht, bekommt bisweilen das Gefühl, nicht mit einem Bürgermeister zu reden, sondern mit einem wütenden Bürger. Er macht nicht Intel allein verantwortlich für die neue Ungewissheit, er gibt auch der Bundesregierung eine Mitschuld. Man bekomme ja das Gefühl, sagt er, dass die Republik „gegen die Wand“ gefahren werde. Die Energiekosten, die Insolvenzen, die Preissteigerungen. Methner erzählt, dass er noch nie jemanden getroffen habe, der positiv über die Ampel gesprochen habe. Bis vor Kurzem war Methner Mitglied der SPD. Anfang des Jahres – nach den Bauernprotesten – trat er aus der Partei aus.
Spricht man ihn darauf an, dass Intel die Ansiedlung aufgrund der eigenen wirtschaftlichen Lage vertagt hat, dass die Bundesregierung die Firma ja sogar mit einer Subvention in der verrückten Höhe von 9,9 Milliarden Euro locken will, sagt er: „Klar, Intel hat selbst Probleme. Aber das Bild, das Deutschland gerade abgibt, ist nicht attraktiv.“
Es ist dieses Gefühl des Niedergangs, dem Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) entgegenwirken wollte. Stolz ist eine maßlose Untertreibung, um das zu beschreiben, was er ausstrahlte, wenn er in den vergangenen Jahren von der Chipfabrik sprach.