In Venezuela winkt die erneute Doppelherrschaft

Vermutlich naht ein Déjà-vu. Nach der gescheiterten Selbsternennung des Oppositionspolitikers Juan Guaidó 2019 erheben in Venezuela erneut zwei Personen Anspruch auf die Präsidentschaft. Der Nationale Wahlrat (CNE) erklärte Amtsinhaber Nicolás Maduro zum Sieger der Präsidentenwahl. Nach Auszählung von 80 Prozent der Stimmen habe dieser 51,2 Prozent erhalten. Auf Herausforderer Edmundo González seien lediglich 44,2 Prozent entfallen. Genauere Ergebnisse blieb der CNE bisher schuldig. Verantwortlich dafür sei ein Hackerangriff, so die dürftige Erklärung.

González und Oppositionsführerin María Corina Machado, die nicht antreten durfte, erkennen die Ergebnisse nicht an. Laut ihren Berechnungen habe González etwa 70 Prozent der Stimmen geholt. Gewalttätige Proteste deutet die Regierung als Putschversuch. Die altbekannten Lager und Fronten haben sich erneut formiert. Auf der einen Seite eine US-gestützte rechte Opposition, die in den vergangenen 25 Jahren – häufig ohne schlüssigen Beweis – politischen Betrug anprangerte. Ihr gegenüber eine nicht mehr ganz so linke Regierung, die alle maßgeblichen Institutionen kontrolliert und auf immensen Ölreserven sitzt.

Dabei hat der Wahlrat selbst Zweifel an seinem Agieren gesät. Im venezolanischen Wahlsystem gibt es Kontrollinstrumente, um die elektronischen Ergebnisse zu verifizieren. Jede Wahlmaschine druckt vor der Übertragung der Daten ein Endergebnis aus, das die Wahlhelfer unterschreiben. Zudem gibt es für jede einzelne Stimmabgabe einen Kontrollausdruck. Die Opposition, die in fast jedem Wahllokal Beobachter platziert hatte, veröffentlichte bereits einen Teil dieser Dokumente. Insofern wäre der CNE gut beraten – wie gesetzlich vorgeschrieben –, schnell nachzulegen, alles andere erscheint in dieser Lage unverantwortlich. Dass dies neben den Mitte-Links-Regierungen Brasiliens und Kolumbiens auch die USA verlangen, nimmt solcher Forderung nicht die Dringlichkeit.

Klar ist auch, dass sich die Anhänger beider Seiten gewalttätiger Provokationen enthalten sollten. Wenn die Regierung versucht, die Situation auszusitzen, kann sie schwerlich zur erwünschten politischen und wirtschaftlichen Normalität zurückkehren. Venezuela droht einmal mehr ein destruktiver Machtkampf.