Im Alter berufstätig sein?: „Es reicht mir mit welcher Arbeit“
„Es ist schwer, gute Nachfolger zu finden“
Manfred Breit, 71, Trier, Orthopäde
Nach mehr als 35 Jahren in meinem Beruf habe ich mich entschlossen, auch nach dem Renteneintritt in Teilzeit weiterzuarbeiten. Seit einigen Jahren arbeite ich nun an drei Tagen in der Woche als angestellter Orthopäde in einem Medizinischen Versorgungszentrum. Diese Entscheidung habe ich getroffen, weil ich mich gegenüber meinen Patienten nach wie vor verantwortlich fühle. Gerade in einer ländlichen Region ist es schwer, gute Nachfolger zu finden.
Mein Job ist körperlich nicht so belastend, dafür aber psychisch – vor allem dann, wenn viele Patienten auf wenig Personal treffen. Das bedeutet, ständig unter Zeitdruck wichtige Entscheidungen zu treffen. Nach 35 Berufsjahren habe ich eine gewisse Routine entwickelt, die mir dabei hilft. Trotz allem mag ich mein Arbeitsumfeld, und mein Job macht mir weiterhin viel Freude. Ich fühle mich körperlich noch fit – genauso wie einige meiner älteren Patienten.
Allerdings sehe ich jeden Tag in meiner Praxis, dass das nicht selbstverständlich ist: Menschen, die 45 Jahre schwer körperlich gearbeitet haben, sind physisch einfach ausgelaugt. Ein Bauarbeiter kann nicht dieselbe Belastung tragen wie ein Büromitarbeiter. Aus diesem Grund halte ich eine allgemeine Erhöhung des Renteneintrittsalters etwa auf 70 Jahre für nicht umsetzbar. Die Leute müssten vielmehr früher von körperlich schwerer Arbeit entlastet werden und ihre Expertise in anderen Bereichen der Firma einbringen. Dann arbeiten sie vielleicht auch freiwillig länger.
„Ich will meinen Mitarbeitern eine Zukunft bieten“
Uwe Loth, 59, Chef eines Heizungs- und Sanitärbetriebs
Ich bin nun 60 Jahre alt. Das ist ein seltsames Gefühl. Mir wird bewusst: Im Arbeitsleben geht’s jetzt in die finale Phase. Seit 40 Jahren bin ich im Betrieb, ich habe ihn von meinem Vater übernommen. Ich arbeite sehr gerne und kann mir gerade noch nicht vorstellen, damit aufzuhören. Der Kontakt zu den Kunden, das Handwerk – das ist toll. Aber ich würde gerne wegkommen von diesen vielen Arbeitsstunden, und ich hätte gerne etwas mehr Freizeit, auch Zeit mit meiner Familie. Einfach um Dinge tun zu können, die ich nicht tun konnte in den letzten Jahrzehnten.
Ich kann den politischen Ansatz verstehen, das Renteneintrittsalter zu erhöhen. Es steigt ja auch die Lebenserwartung. Persönlich könnte ich mir vorstellen, auch mit Ende 60 im Betrieb zumindest noch beratend tätig zu sein oder spezielle Projekte zu machen. Bei meinen Mitarbeitern ist das nicht denkbar. Alle, die älter als 50 sind, haben derart starke körperliche Beschwerden, dass ich beim besten Willen nicht weiß, wie die bis 60 oder 65 arbeiten sollen.
Wir können jedenfalls nicht jeden einfach ins Büro setzen, so einen großen Bedarf gibt es dafür nicht. Wir stellen uns auf unsere älteren Kollegen im Betrieb ein. Ich weiß ja: Wenn ich jemanden mit einem Bandscheibenvorfall körperlich schwere Sachen machen lasse, zum Beispiel die Montage einer Wärmepumpe, dann fällt der spätestens nach zwei Tagen aus. Wartungsarbeiten gehen da schon eher.
In der Woche arbeite ich ungefähr 50 Stunden. Allmählich merke auch ich: Es wird nicht leichter, dieses Tempo mitzugehen. Durch die Energiewende ist im Heizungs- und Sanitärhandwerk wahnsinnig viel zu tun. Das ist dankbar, aber es ist auch fordernd. Mein Wunsch wäre, mit Mitte 60 in Rente zu gehen. Doch das könnte schon eng werden mit der Nachfolgersuche.

Ich hatte mal einen Mitarbeiter, der das Unternehmen perspektivisch weiterführen sollte, aber das hat dann nicht geklappt. Jetzt beginnt die Suche von vorne. Manchmal habe ich das Gefühl, mir läuft ein wenig die Zeit davon. Finanziell bin ich zwar nicht angewiesen auf den Verkauf des Betriebs. Aber ich habe 25 Mitarbeiter, denen will ich eine Zukunft bieten.
Ich habe einen guten Meister im Betrieb. Der ist zwar leider zu alt, um den Betrieb zu übernehmen. Da müsste er selbst in wenigen Jahren gleich wieder einen Nachfolger suchen. Aber er könnte mir den Rücken freihalten, wenn ich kürzertrete.
Ich denke da öfter an meinen Vater, der mit 68 Jahren sehr plötzlich verstorben ist. Er hatte mir den Betrieb mit 60 übergeben. Man muss schon auch mal darüber nachdenken, wie viel Zeit einem im Leben bleibt.
„Ich kann mir gut vorstellen, woanders in Teilzeit weiterzuarbeiten“
Stefan Schwerthelm, 58, Frankfurt am Main, Leitender Flugbegleiter
Ich bin nun seit 29 Jahren Flugbegleiter und heute in leitender Position bei der größten deutschen Airline. Ich plane derzeit, regulär mit 65 Jahren in Rente zu gehen, und kann mir nicht vorstellen, danach weiter als Flugbegleiter tätig zu sein. Dieser Job wird meiner Meinung nach weiter von vielen unterschätzt.
Wir arbeiten in einem unregelmäßigen Schichtbetrieb, Zeitverschiebungen aufgrund von Langstreckenflügen von neun bis zehn Stunden sind keine Seltenheit. Auf Kurzstreckenflügen kommen oft noch die Nachtschichten hinzu. Auch der Umgang mit den schweren Essens- und Getränkewagen ist körperlich anstrengend. Wenn ich mehrfach pro Schicht damit die Passagiere bediene, merke ich danach schon, wie mir die Knochen schmerzen. Ich bin froh, wenn diese Aufgaben mit der Rente von mir abfallen.

Obwohl ich es ausschließe, nach dem Renteneintritt weiter als Flugbegleiter tätig zu sein, kann ich es mir gut vorstellen, eine andere Tätigkeit in Teilzeit auszuüben. Ich will keine Langeweile haben im Alter. Wahrscheinlich könnte ich dann von der Aktivrente profitieren – weil ich aus einer gut bezahlten Branche komme. Gerade im Niedriglohnsektor hilft das wohl kaum jemandem. Für eine Reinigungskraft, die ohnehin einen körperlich anstrengenden Beruf hat, ist es vermutlich kaum möglich, länger zu arbeiten – und finanziell lohnt es sich im Niedriglohnsektor auch nicht wirklich.
Generell bin ich der Meinung, dass wir keine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters benötigen. Deutschland hat kein Einnahmen-, sondern eher ein Verteilungsproblem. Statt immer länger zu arbeiten, sollten wir Selbständige und Beamte verpflichten, in die gesetzliche Rentenkasse einzuzahlen.
„Es reicht mir mit der Arbeit“
Leo Wallerius, 66, Trier, Mitarbeiter einer Kreisverwaltung
Ich gehe am 31.12.2025 in Rente. Dann habe ich 44,5 Berufsjahre erfüllt. Mein Arbeitgeber hätte mir auch die Möglichkeit gegeben, noch länger zu arbeiten – aber ich habe entschieden: Es reicht mir mit der Arbeit. Ich bin 66 Jahre alt, und ich freue mich auf die freie Zeit, die ich dann haben werde. Natürlich können Personen aus der Verwaltung noch zwei Jahre länger arbeiten, die körperliche Belastung ist verglichen zum Beispiel mit Bauarbeitern gering. Ich habe mir diese Entscheidung nicht leicht gemacht und auch lange mit mir gerungen, ob ich mir nicht eine andere Tätigkeit in Teilzeit vorstellen könnte. Am Ende bin ich bei meinem Beschluss geblieben.
Glücklicherweise bin ich in der Position, dass meine Rente ausreicht und ich kein zusätzliches Geld aus einer weiteren Beschäftigung brauche. Dennoch bin ich der Meinung, dass wir in Zukunft alle länger arbeiten müssen. Die Frage, die mich umtreibt, ist nur, ob das für alle Berufsgruppen gelten kann. In der Verwaltung könnten sicherlich einige bis 70 arbeiten, auf dem Bau geht das hingegen nicht. Das mit der Umschulung ist nicht so leicht, wie es sich die Politik vorstellt. Jemand, der 30 Jahre lang an der frischen Luft geschuftet hat, kann nicht einfach acht Stunden vorm Rechner sitzen. Ich glaube, viele würden eine solche radikale Umstellung des Arbeitsumfelds ohnehin ablehnen. Genauso wenig könnte ich jetzt als Handwerker arbeiten und auf das nächste Dach steigen.
„Ich hätte schon vor sechs Jahren in Rente gehen können“
Angelika Jäger, 71, Peine, Assistentin
Vergangene Woche hatte ich meinen letzten Arbeitstag als Vorstandsassistentin in einem großen Unternehmen aus der Autoindustrie. Eigentlich hätte ich schon vor sechs Jahren abschlagsfrei in Rente gehen können. Aber jedes Mal, wenn mein Vertrag endete, kam doch noch eine neue Aufgabe, zuletzt die Vorstandsassistenz. Jetzt höre ich gleichzeitig mit meiner Chefin auf.
Ich habe mein Leben lang wirklich gern gearbeitet. Dabei habe ich mit Aufgaben außerhalb meines Bereichs immer über den Tellerrand geschaut. In meinem letzten Job musste ich oft spontan auf Unvorhersehbares reagieren. Aber das stresst mich nicht. Dadurch bin ich fit geblieben! Vor zwei Wochen zum Beispiel sollte ich einen wichtigen Brief aktualisieren – in diesem Fall eigentlich nicht meine Aufgabe, sondern die der Fachabteilung. Ich habe das dann mit der KI probiert, und das hat gut geklappt! Und als ich gesehen habe, dass die jungen Leute im Laden jetzt alle mit dem Handy an der Kasse bezahlen, habe ich mich einfach eine Stunde hingesetzt und mir diese Funktion auch eingerichtet.

Ich möchte auch in der Rente meinen Kopf frisch halten. Das Gefühl, ganz von der arbeitenden Welt abgeschnitten zu sein, will ich nicht. Deshalb bin ich froh, weiter für meine Chefin tätig zu sein und zum Beispiel ihre Aufsichtsratsmandate zu betreuen. Das Finanzielle steht für mich nicht im Vordergrund. Ich habe keine Kinder und mein Leben lang gearbeitet. So gehöre ich zu den wenigen, die eine gute Rente haben, dazu kommen drei Betriebsrenten. Und das als Frau! Heute kann ich mir meine Entscheidungen erlauben, wie ich möchte.
Ich habe im Laufe der Jahre viele Leute in Rente gehen sehen, die sicher noch weiter hätten arbeiten können. Dass in großen Konzernen Leute mit einem goldenen Handschlag in den Vorruhestand geschickt werden, finde ich nicht gut. Da hätten wir so viel Potential für mehr Arbeitskräfte! Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters wäre definitiv geboten. 69 Jahre fände ich angemessen. Wir werden alle älter und bleiben länger gesund. Die Rente mit 63 sollte abgeschafft werden. Natürlich braucht es Möglichkeiten für erkrankte Menschen, früher in Rente zu gehen. Aber bei vielen ist es Bequemlichkeit; die wollen nicht mehr aktiv sein.
„Es liegt mir am Herzen, das Team nicht im Stich zu lassen“
Medizinische Fachangestellte, 64 (anonym)
Am 1. Januar 2026 gehe ich nach 45 Arbeitsjahren in den Ruhestand. Als Medizinische Fachangestellte in einer orthopädischen Praxis bin ich froh, meine Vollzeitstelle bald abzugeben. Wenn die Arbeitsbelastung geringer wäre, könnte ich mir vorstellen, auch noch bis 67 in Vollzeit zu arbeiten. Aber wir sind an vorderster Front mit den Patienten, und die Belastung ist aufgrund von Personalmangel erheblich angestiegen. Im Vergleich zu früher muss ich heute viel mehr zwischen den einzelnen Abteilungen – Röntgen, Büro, Labor – hin- und herspringen, anstatt fest an einer Position zu arbeiten. Das macht den Arbeitsalltag um einiges hektischer.
Trotzdem werde ich nach meinem Renteneintritt weiter in Teilzeit arbeiten, weil mein langjähriger Arbeitgeber sich das wünscht und weil ich meinen Beruf liebe. Es liegt mir am Herzen, das Team nicht im Stich zu lassen. Dazu kommt: Die neue Aktivrente wird sich für mich lohnen. Ich hoffe, dass dank solcher Vorschläge insgesamt mehr Rentner ihre Arbeitszeit erst mal nur reduzieren, statt gänzlich auszuscheiden. Wichtig wäre es außerdem, zukünftig die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Dann könnten jedenfalls im Gesundheitswesen viele Beschäftigte auch dann noch weiterarbeiten, wenn sie das Rentenalter erreicht haben.
„Meinen Job kann ich keine weiteren vier Jahre machen“
Claudia Bugdoll-Schmitt, 61 Jahre alt, Kelkheim (Taunus),Betreuerin im Altersheim
Ich bin Industriekauffrau und habe fast drei Jahrzehnte als Sachbearbeiterin im Wertpapierbereich bei der Deutschen Bank gearbeitet. Mit 50 war ich von einer Kündigungswelle betroffen und musste mich neu orientieren. Ich habe dann eine Umschulung gemacht und bin Betreuerin in einem Altersheim geworden. Wenn mich jemand fragt, was ich dort mache, sage ich spaßeshalber: Kindergärtnerin für Senioren.
Ich mag meinen Job, aber ich kann ihn auf keinen Fall weitere vier Jahre machen. Jeder soll inzwischen zwei statt ein Wochenende im Monat arbeiten, da wird nicht gefragt, ob man sich das überhaupt vorstellen kann. Zudem muss ich oft einspringen, dann sind da die Früh- und Spätdienste, die gehen teilweise bis nach 20 Uhr. Als Betriebsrätin habe ich das angesprochen, aber da heißt es dann nur: Die Bewohnerinnen gehen vor. In der Pflege ist man immer in Bewegung, hat keine Pausen. Wir haben drei Stockwerke und nur einen Fahrstuhl – den benutzen natürlich auch die Bewohnerinnen. Die Zeit, dort zu warten, habe ich nicht.

Ich arbeite keine vollen Tage, trotzdem kommt es durch Ausfälle und Veranstaltungen immer wieder vor, dass ich dann doch neun Stunden da bin. Mein Job mag nicht so anstrengend sein wie in der Pflege, aber Betreuung ist definitiv nicht nur Basteln. Auch wir müssen die Leute im Rollstuhl schieben oder ihnen hochhelfen. Mit meiner Schulter habe ich Probleme, eine andere Kollegin hat Arthrose.
Ich habe nicht das Gefühl, dass die Jüngeren auf uns Ältere Rücksicht nehmen. Die haben manchmal Einfälle, was man noch unternehmen könnte mit den Senioren, ich kann das aber körperlich nicht mehr. Da habe ich auch schon mal abwertende Kommentare gehört wie: Bist du wohl zu alt? Ich könnte mir auch vorstellen, in der Verwaltung zu arbeiten. Doch die Plätze dort sind begrenzt, wir sind eine kleine Einrichtung mit 86 Senioren.
Wenn ich mit 63 in Rente gehen würde, müsste ich Abschläge von rund 180 Euro im Monat hinnehmen. Aber im Moment bin ich an einem Punkt, wo ich sage: Dann ist das eben so. Gemeinsam haben mein Mann und ich gut vorgesorgt. Was mich überzeugen könnte, später in Rente zu gehen, sind nicht so sehr finanzielle Anreize. Sondern eher andere Arbeitsbedingungen: Schichten an maximal fünf Tagen pro Woche, höchstens ein Wochenenddienst im Monat. Kein Einspringen für Kollegen, mehr sitzende Tätigkeiten statt ständigen Treppensteigens. Am wichtigsten sind mir allerdings Wertschätzung und das Arbeitsklima. Ich wünsche mir einen respektvollen Umgang im Team – und die Anerkennung durch Jüngere, dass man nun mal älter ist und nicht mehr ganz so viel leisten kann.