Iftar unter freiem Himmel, Datteln gen dem Leopoldplatz

Am 19. März wurde in Berlin-Wedding ein interreligiöses Fastenbrechen organisiert. Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger und die Initiative „House of One“ wollten damit ein Zeichen für den Frieden setzen

Montage: der Freitag


Der erste Frühlingstag neigt sich dem Ende zu, das Abendlicht schmeichelt dem Backstein der Nazarethkirche. Auf dem Weddinger Leopoldplatz wird heute gemeinsam Iftar gefeiert. Um genau 18.24 Uhr wird das Fasten gebrochen, also mit dem Essen begonnen. Im Monat Ramadan wie immer bei Sonnenuntergang, aber heute eben gemeinsam und öffentlich. Jede*r kann mitmachen, egal, woran oder ob geglaubt wird.

Gegen sechs Uhr sind die auf dem Platz aufgestellten Holzbänke schon gut gefüllt: Etwa zweihundert Leute verteilen sich auf dem Platz, es ist laut und quirlig. Auf den Tischen stehen große Flaschen mit Mineralwasser bereit, denn auch auf das Trinken wird beim Fasten verzichtet. Zwischen den Bänken rennen Kinder umher. Die üppige Auswahl an Essen ist auf den Steinbänken rund um die Menge drapiert. Am Buffet türmen sich verschiedene Varianten von Börek, süßes Gebäck und riesige Töpfe mit „Harira“, einer Suppe aus Linsen und Kichererbsen, die typischerweise zu Ramadan gegessen wird. Alles ist halal.

Die Suppe sei besonders gut verdaulich nach den langen Stunden der Entbehrung, genau wie die Datteln, die traditionell zum Iftar gereicht werden, erklären zwei Männer um die 25 Jahre. Sie kommen aus Pakistan und sind erst seit einem Jahr in Berlin. Die Idee, neue Leute kennenzulernen, begeistert sie: „Wir wollen gerne Deutsch lernen, aber die Sprachkurse sind teuer, und es ist sehr schwer, mit Deutschen in Kontakt zu kommen“, sagen sie auf Englisch. Solche Zusammenkünfte seien für sie daher eine tolle Gelegenheit.

Zeichen gegen Intoleranz, Islamfeindlichkeit und Rechtsruck

Vor dem Fastenbrechen sprechen verschiedene Organisator*innen des Festes ihren Dank an alle helfenden Hände aus, unter anderem an die Initiative „House of One“, einer Stiftung, die in Berlin-Mitte seit über einem Jahrzehnt ein interreligiöses Gebetshaus plant. Stefanie Remlinger, Bürgermeisterin des Bezirks Berlin-Mitte, betont in ihrer Rede den Kampf gegen „Intoleranz, Islamfeindlichkeit und Rechtsruck“ und auch gegen die „Remigrationsdebatte“. Es wird applaudiert.

„Lassen Sie uns all die dummen Menschen für einen Moment vergessen und für ein gleichberechtigtes, interkulturelles Leben einstehen“, sagt sie weiter. Im Bezirk Mitte seien Menschen aus über 100 Herkunftsländern zu Hause. Sie wisse, dass gerade der Leopoldplatz nicht immer ein friedlicher Ort sei, gerade deswegen brauche es solche Tage, denn „Ramadan ist ein Fest des Friedens“. Eine nachfolgende Sprecherin betont: Die Enthaltsamkeit, die mit dem Fasten einhergeht, sollte auch „Rückbesinnung“ bedeuten. Eine Rückbesinnung darauf, was für ein Mensch man sei und sein wolle.

Das multireligiöse Gebet beginnt mit einem christlichen Gebet, gefolgt von einem muslimischen Gebetsruf. Das lockt weitere Schaulustige an und sorgt tatsächlich für einen friedlich anmutenden Moment auf dem Platz. Es hätte auch noch ein jüdisches Gebet gegeben, die zuständige Person sei aber leider kurzfristig verhindert, entschuldigt sich eine der Organisatorinnen.

Tulpen und Teller mit Reis

„Nichts für Deutsche hier, kannste vergessen“, lallt ein älterer Mann mit der Bierflasche in der Hand. Mit der anderen Hand zeigt er vage auf die fröhlich essende Menschenmenge. Schwierig, nicht teilzunehmen, denn an den Tischen, die mit Tulpen sowie einem kleinen Mond und Stern geschmückt sind, werden kostenlos Teller mit Salat und Reis angeboten. Später wird es auch „Tulumba“ geben, ein türkisches Spritzgebäck mit Honig.

Eine der Organisatorinnen, eine freundliche Frau um die 40, will ihren Namen nicht erwähnen, erzählt aber, dass sie und ihr Mann den ganzen Tag lang gekocht hätten und sich ehrenamtlich bei „House of One“ engagierten. Es sei ihr wichtig, dass alle mitessen könnten. Das gefällt auch einem Berliner Pärchen, Anwohner, die im Kiez wohnen, wie sie erzählen und von dem Event im „Weddingweiser“ gelesen hätten. „Durch die ganzen Initiativen rund um den Leopoldplatz ist das Drogenproblem ein bisschen besser geworden“, sagen die beiden. Unsicher fühlten sie sich hier auf dem Platz nicht.

Auch nach vollständigem Einbruch der Dunkelheit wird weiter auf dem Platz verweilt, sich ausgetauscht – ein multikulturelles Fastenbrechen unter freiem Himmel gibt es eben nicht alle Tage.