IEM Cologne 2024: Counter-Strike gen großer Boden

Von den Berliner Fans schallt es „Humba Humba Humba Tätärä!“ von den Rängen, die Pariser antworten mit „Allez!“. Hier trafen am Freitag in der Kölner Lanxess Arena aber nicht die Fans der Eisbären Berlin und eines Pariser Eishockeyclubs aufeinander, sondern die Anhänger der E-Sport-Mannschaften G2 Esports aus Berlin und Vitality aus Paris. Beide maßen sich am Wochenende im Spiel „Counter-Strike 2“ auf der 101. Ausgabe des Turniers Intel Extreme Masters (IEM).

Elektronischer Sport ist gewissermaßen ein Phänomen für die breite Masse geworden. Die europäische Meisterschaft im Ego-Shooter „Counter-Strike 2“ lockte am Wochenende 13.000 Zuschauer in die ausverkaufte Lanxess Arena. Michał Blicharz, einer der Miterfinder der IEM für den Veranstalter ESL Faceit Group , sagte am Freitag vor dem Turnierauftakt auf einer Presseveranstaltung, die Zuschauerzahl im Stadion sei dieselbe, die man 2009 im Livestream im Internet hatte. Am Freitagabend sahen über verschiedene Streams mehr als 150.000 zu.

Fans von Faze Clan
Fans von Faze ClanPatricia Kühfuss

Rob Simms sagte am Freitag, dass etwa drei Viertel der Generationen Z und Alpha regelmäßig E-Sport-Inhalte konsumieren. Simms leitet Faceit Watch, den Streaming-Arm der Organisationsplattform Faceit, über die Spieler eigene Ligen und Partien aufsetzen oder den Profis zuschauen können. Demnach sind die Konsumenten, die zum Großteil nach 2000 geboren sind, jünger als das Videospiel „Counter-Strike“ es selbst ist – die erste Version erschien 1999 als Modifikation für den Ego-Shooter „Half-Life“.

Genaue Schätzungen für die Größe des globalen E-Sport-Marktes gibt es wenige, die meisten gehen davon aus, dass der Markt in diesem Jahr auf etwas mehr als 2 Milliarden Dollar wachsen wird. Ein gutes Viertel davon entfällt auf den Verkauf von Medienrechten, ein weiteres auf Werbeeinnahmen und Sponsoring. Zum Vergleich: Der Gesamtmarkt für Videospiele hatte laut den Analysten von Newzoo im vergangenen Jahr eine Größe von 184 Milliarden Dollar.

DHL-Werbung mit Gamer-Sprache
DHL-Werbung mit Gamer-SprachePatricia Kühfuss

Das Wachstum des E-Sport-Marktes hat sich in den vergangenen Jahren etwas verlangsamt, nachdem die Branche in den Zehnerjahren große Umsatzsprünge verzeichnete. Mitunter war von einem „E-Sport-Winter“ die Rede, in dem sich Sponsoren mit Geldern zurückhielten, da die Zukunft ungewiss schien. Emily Fuller, die für ESL Faceit Geschäftspartnerschaften koordiniert, bezeichnet den Abwärtstrend im Gespräch mit der F.A.Z. als Korrektur; eine Rückkehr zur Normalität, nachdem Zuschauerzahlen während der Pandemie stark gestiegen waren. Anders als Sportarten, die auf einem Spielfeld ausgetragen werden, konnten E-Sport-Spiele und ganze Turniere im Internet weiter stattfinden. „Zuschauerzahlen kommen wieder auf das Vor-Pandemie-Niveau zurück, vielleicht etwas höher“, wirft Nick Moran, ebenso von der ESL, ein.

Fuller meint, dass dies der erste große Abschwung im E-Sport ist, wie ihn andere Wirtschaftsteile regelmäßig nach Aufschwüngen erleben. „Da es um Videospiele und E-Sport geht, halten manche Marken den Markt noch für sehr jung“, sagt Fuller. „Dabei ist er nun schon einige Jahrzehnte alt.“ Zyklische Schwankungen seien zu erwarten.

Marken haben es im E-Sport schwer

Wie als Antwort auf diese Unkenrufe kündigte ESL Faceit Anfang August und zum Beginn der IEM mehrere Partnerschaften mit dem Schweizer Hardwarehersteller Logitech , dem Lebensmittelunternehmen Unilever und eine Ausweitung der seit sechs Jahren bestehenden Zusammenarbeit mit DHL an. Die Partnerschaft mit dem amerikanischen Halbleiterhersteller Intel, der den IEM-Turnieren seinen Namen leiht, besteht schon seit 2006.

Dabei sagen die Branchenvertreter, dass es für viele Marken schwierig ist, im E-Sport Fuß zu fassen. Videospieler seien in der Regel stark vernetzt und scheuten sich nicht, negative Rückmeldung zu geben. Intel habe es mitunter etwas einfacher, da dessen Prozessoren von Spielern selbst gern für ihre Computer benutzt werden. Fachfremde Marken müssten sich mehr mit der Kultur befassen, bevor sie sich in den E-Sport wagen. „Spieler können es sehen, wenn du nur für das Geld hier bist“, sagt Christopher Hana vom E-Sport-Sammelkartenhersteller Kolex . Es helfe, wenn sich Marken mit Werbesprüchen zum Beispiel in die Sprache des Hobbys einfinden. Ein einfaches Beispiel wäre die Abkürzung „gg“, „good game“, ein respektvoller Gruß am Ende einer Partie.

Organisierte Fanclubs

Robert Martin, Marketingleiter für den deutschsprachigen Raum bei Intel , sagt: „Es reicht nicht, ein Markenlogo irgendwo hinzusetzen.“ Auch traditionelle Online-Werbung durch Banner oder Videoeinspielungen funktioniert schlecht. „Spieler sind von Natur aus technologiebegabt – mit Adblockern blockieren sie unsere Werbung im Internet einfach.“ Deshalb müssten sich Marken auch aktiv in die Gemeinschaften einbringen, etwa indem sie Diskussionsforen für Spieler aufsetzen und verwalten, wie Intel das tue. ESL-Frau Fuller sagt: „Es braucht nicht einmal so kreative Maßnahmen.“ Auch Gewinnspiele oder Treffen mit Spielern würden helfen – Marken sollten den Spielern einen Mehrwert bieten.

Die Arbeit der gesamten Branche daran, ihre Gefolgschaft zu organisieren und zu monetarisieren, zeigt Wirkung. Mittlerweile gibt es organisierte Fanclubs, die sich auch am Freitag nach dem Kampfschrei-Wettbewerb vor den Toren des Stadions auf den Rängen als Blöcke zusammengefunden haben. Vor dem Gang ins Stadion haben sich sicherlich noch einige mit Kleidung und Fan-Artikeln im Verkaufszelt vor dem Stadion ausgestattet. Je mehr Augen auf dem Thema ruhen, desto mehr Interesse besteht, damit Geld zu verdienen.

Der zweifelhafte Einfluss Saudi-Arabiens

Den ein oder anderen Fan hat der E-Sport aber durch die Professionalisierung und Monetarisierung mittlerweile auch wieder verloren. „Die meisten Fans verstehen die wirtschaftlichen Hintergründe, zum Beispiel, dass Sponsorengelder ihren Teams ermöglichen, um die ganze Welt zu reisen und in Turnieren wie dem IEM zu spielen“, sagt Fuller. Dennoch wünschten sich einige die Zeiten zurück, in denen es noch keine Stars, noch keine Stadien und noch keine Millionenpreisgelder gab.

Eine Rolle spielt dabei auch der wachsende Einfluss Saudi Arabiens. Es stehen Vorwürfe im Raum, dass das Land mit den großzügigen Investitionen seinen Ruf reinwaschen will, Menschenrechte zu missachten. Unter anderem brauchen Frauen dort für viele Dinge des täglichen Lebens noch einen männlichen Vormund und es werden weiterhin viele Todesstrafen verhängt. Die Übernahme von ESL und Faceit vor zwei Jahren durch die Savvy Games Group , ein Unternehmen des saudischen Staatsfonds, sorgt noch immer für Unmut in manchen Teilen der Fangemeinde.

37,8 Milliarden Dollar will das Unternehmen bis 2030 in die Videospiel- und E-Sport-Industrie investieren. Auch der bis Ende August laufende E-Sports World Cup, organisiert von ESL-Mitgründer Ralf Reichert, findet in Riad statt. In vielen internationalen Gremien des E-Sports sitzen Vertreter Saudi Arabiens.

Am Wochenende störten sich die meisten Fans in der Lanxess Arena nicht an all diesen Diskussionen um ihre Lieblingsbeschäftigung, als die ersten Schüsse zwischen den Teams Saw und Faze Clan fielen. Den meisten geht es vornehmlich um spannende Partien, das gemeinsame Erleben ihres Hobbys und den Spaß am Spiel. „gl hf“ – „good luck and have fun.“