Homeoffice: Nur jeder vierte Deutsche will ausschließlich im Büro arbeiten – WELT
Die Kollegen per Videokonferenz zu treffen, Mittagspause in der Küche mit der Familie zu machen, Arbeit mit dem Laptop auch mal aus dem Garten zu erledigen – für viele Menschen ist das mittlerweile ganz normaler Arbeitsalltag.
Laut Erhebungen des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung bieten nach Corona noch immer mehr Betriebe Homeoffice-Regelungen an als vor Beginn der Pandemie. Doch nicht bei allen Unternehmen ist Arbeit von zu Hause beliebt, wie nun eine repräsentative Studie des Immobiliendienstleisters CBRE zeigt.
Basis der Studie sind 1080 Personen aller Altersklassen aus Deutschland, die CBRE zur Situation an ihrem Arbeitsplatz befragt hat. Berücksichtigt wurden Antworten zum Thema „Büro“ nur, wenn die Befragten angaben, auch dort zu arbeiten. Das war bei 60 Prozent der Teilnehmer der Fall.
Doch in den Betrieben gibt es offenbar Skepsis beim Thema Homeoffice. Viele Unternehmen würden dem Wunsch nach flexiblerer Gestaltung des Arbeitsplatzes noch nicht gerecht werden, wie die Statistik zeigt. Während sich laut der Umfrage 65 Prozent der Beschäftigten eine Mischung aus Homeoffice-Regelung und Arbeit im Büro wünschten, müssten dennoch 39 Prozent jeden Tag in die Firma fahren.
Den Wunsch nach einer reinen Präsenzarbeit im Büro hätten in Deutschland mit 26 Prozent zwar überdurchschnittlich viele Arbeitnehmer – im internationalen Vergleich liegt der Wert nur bei 20 Prozent. Zehn Prozent wünschten sich hierzulande aber auch, gar nicht mehr ins Büro kommen zu müssen.
Der Wunsch nach Homeoffice ist in Deutschland deutlich größer, als die Betriebe ihm im Moment entsprechen. Dabei nehme die Bedeutung von Homeoffice auch für Arbeitgeber zu, sagt Dirk Neumann, Bereichsleiter für Arbeitsgestaltung und Qualifizierungspolitik im IG Metall-Vorstand. Firmen könnten sich mit ihrer Entscheidung gegen die Arbeit von zu Hause bei potentiellen neuen Arbeitnehmern disqualifizieren.
„Die Möglichkeit, zumindest einen Teil der Arbeit aus dem Homeoffice zu erledigen, kann bei der Entscheidung für oder gegen einen Arbeitgeber eine wichtige Rolle spielen“, sagt Neumann. Mobile Arbeit sei für viele Bürobeschäftigte eine Chance für bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sowie ein Zugewinn an Flexibilität. Hinzu komme die Einsparung bei den Pendelzeiten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.
Müssen Betriebe also nachbessern? Teilweise, sagt Christian Schwolow von der Deutschen Telekom. „Wer keine attraktiven Arbeitsmodelle wie Homeoffice bieten kann, wird kaum eine Chance auf dem hart umkämpften Talentmarkt haben“, sagt Schwolow.
Dennoch sei das Büro noch nicht aus der modernen Arbeitswelt wegzudenken. „Homeoffice ist gekommen und wird bleiben. Doch das Büro ist deshalb nicht tot. Es muss sich nur neu erfinden“, sagt Schwolow. Wichtig sei für die Betriebe, Büroräume als „Ort der Interaktion“ zu begreifen. „Der Fokus wird zunehmend auch auf Räumlichkeiten gelegt, die die Zusammenarbeit der Teams fördern“, sagt der Telekom-Sprecher.
Das spiegelt auch die CBRE-Studie wider. Zwar sagten 36 Prozent der Befragten, mit der Heimarbeit Pendelstrecken vermeiden zu wollen. Wenigstens 31 Prozent der Befragten gaben aber auch an, soziale Interaktion als Anreiz für eine Fahrt in das Büro anzusehen.
Und wie steht es um die Produktivität, wenn Arbeitsmodelle perspektivisch flexibel bleiben werden? Kürzlich gaben Befragte in einer Umfrage des Chatanbieters Slack mehrheitlich an, sich im Homeoffice produktiver zu fühlen. Rund 69 Prozent sagten dort, dass ortsunabhängige Arbeit ihre Produktivität „ein wenig“ oder „deutlich“ steigern würde.
In welcher Form sich die gefühlte Verbesserung auch tatsächlich niederschlage, sei aber unklar, sagt Arbeitsmarktexperte Ulf Rinne. „Wie produktiv es sich von zu Hause aus arbeiten lässt, ist wissenschaftlich tatsächlich eine sehr spannende Frage, weil es darauf keine eindeutige Antwort gibt“, sagt Rinne.
Zur Wahrheit gehört laut einer Homeoffice-Erhebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes aus dem Jahr 2022 allerdings auch, dass diese Vorteile aus Sicht vieler Arbeitnehmer den Preis ständiger Erreichbarkeit, kürzerer Pausen und längerer Dienstzeiten hätte. Knapp die Hälfte derer, die regelmäßig am mobilen Arbeitsplatz arbeiteten, gaben beispielsweise an, auch abseits der Dienstzeiten nicht mehr richtig von der Arbeit abschalten zu können.
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Source: welt.de