Holpriger Forschungstransfer: Langsame Prozesse bremsen Hochschulausgründungen

Für mehr als jedes dritte Start-up in Deutschland spielen eigene Schutzrechte und Patente eine große Rolle. Gut jedes vierte Patent stammt dabei aus Hochschulen; bei besonders forschungsintensiven sogenannten Deeptech-Start-ups liegt dieser Wert bei mehr als 40 Prozent. Doch die Bedingungen des Übertragens von Schutzrechten auf Ausgründungen bewerten Gründer durchwachsen, besonders die Dauer des Transfers sehen sie kritisch. Das sind die zentralen Erkenntnisse einer Umfrage des Deutschen Start-up-Verbands unter mehr als 1800 Gründern im Auftrag der TU Berlin, die der F.A.Z vor Veröffentlichung vorlag.
„Deutschland hat eine Forschungslandschaft, die weltweit Maßstäbe setzt“, sagt Helmut Schönenberger, Vorstandsmitglied des Start-up-Verbands und Architekt des Ausgründungshochlaufs rund um die TU München. „Wir sind aber noch nicht gut darin, dieses Know-how in wirtschaftlichen Erfolg zu übersetzen.“
Schon heute sind europäische Ausgründungen aus Hochschulen zusammengerechnet 473 Milliarden Dollar wert, zeigt eine kürzlich veröffentlichte Auswertung der Datenplattform Dealroom. Kein Land trägt zu dieser Summe so viel bei wie Deutschland, dessen Ausgründungen Dealroom zufolge 125,6 Milliarden Dollar wert sind.
Mehr Biontechs erwünscht
Unter den Top 40 der Hochschulen finden sich vier deutsche Einrichtungen: die TU München auf Rang fünf, die Ludwig-Maximilians-Universität München auf Platz 17, die Johannes-Gutenberg-Universität Mainz auf Platz 24 und die RWTH Aachen auf Rang 30. Zu den erfolgreichsten europäischen Gründungen mit wissenschaftlichen Wurzeln gehören der Impfstoffhersteller Biontech, das britische IT-Sicherheitsunternehmen Darktrace oder das KI-Video-Start-up Synthesia, das der Informatikprofessor Matthias Nießner von der TU München mitgegründet hat.
Aber Schönenberger ist überzeugt, dass noch deutlich mehr geht. „Wir müssen das Ziel haben, die Zahl wissenschaftlicher Ausgründungen auf Basis von Patenten zu vervielfachen“, sagt er. Bislang geht das Übertragen von Patenten auf Ausgründungen längst nicht an allen Hochschulen reibungslos über die Bühne. Die Einrichtungen wollen von Gründern finanziell kompensiert werden, immerhin wurden etwaige Patente in ihren Räumlichkeiten und mit ihren Geräten erforscht.
Oft Streit um Patente
Wie genau das erfolgt, darüber gab und gibt es aber immer wieder Streit. Oft wollen Hochschulen die Patente aus den neu erforschten Technologien behalten und sie gegen Gebühren an die Gründer lizenzieren. Doch ein Technologie-Start-up ohne eigene Patente ist für Investoren unattraktiv. Im Falle direkter Beteiligungen der Einrichtungen an Start-ups stellt sich die Frage nach der angemessenen Höhe. Viele Gründer wollen sich von Hochschulen nicht reinreden lassen, private Investoren sind von zu hohen Beteiligungen verschreckt. Immer wieder kommt es deshalb gar nicht zu Ausgründungen, und Patente bleiben ungenutzt.
Die Umfrage unter Hochschulausgründern zeichnet ein gemischtes Bild. Zwar hält die Hälfte der befragten Gründer die Bedingungen zur Lizenzierung oder Übertragung von Patenten in ihrem Fall weitgehend für fair. Gut ein Drittel sieht das aber anders. Mehr als 45 Prozent sagen, dass die Verhandlungen zur Nutzung der Patente transparent waren, wiederum ein Drittel hat das nicht so wahrgenommen. Und mehr als 40 Prozent hat die Unterstützung durch die Hochschule als hilfreich erlebt, mehr als 30 Prozent hingegen nicht. Besonders kritisch sehen Gründer die Geschwindigkeit des Transfers. Mehr als die Hälfte hält diese für zu langsam.
Die Studienautoren werten das gemischte Umfragebild als Hinweis auf starke Standortunterschiede hinsichtlich der Transfer-Bedingungen und ihrer praktischen Umsetzung. „Beim Transfer von IP aus Hochschulen und Forschungseinrichtungen an Start-ups sehen wir in Deutschland häufig noch große Unterschiede“, sagt auch Stephan Völker, Vizepräsident für Forschung und Berufung der TU Berlin. Das passt zum Befund einer Auswertung der europäischen Risikokapitalgesellschaft Redstone, des Münchner Thinktanks Alp Momentum und der RWTH Aachen aus dem Juni. Diese ergab, dass einige Hochschulen nur ein einziges Start-up je 100 Millionen Euro Jahresbudget hervorbringen, die Top-Einrichtungen hingegen bis zu achtzig.