Hollywood-Satire „The Studio“: Gut sich lachen will gelernt sein
Die schillernde Welt Hollywoods hat sich oft selbst aufs Korn genommen. So auch die neue Serie „The Studio“ von Seth Rogen und Evan Goldberg, die ein chaotisches Bild der Traumfabrik zeichnet. Die Frage: Ist das Kunst oder Kommerz?
Once upon a time in Hollywood: Olivia Wilde und Seth Rogen in der neuen Apple TV+-Serie „The Studio“
Foto: Apple TV+
Ich hab’ gehört, du stehst auf den Artsy-Fartsy-Film-Scheiß.“ Wenn man beim Vorsprechen für den neuen Job mit derartigen Vorwürfen konfrontiert wird, sollte man sich die Antwort gut überlegen. Studioboss Griffin Mill (Bryan Cranston) hat jedenfalls berechtigte Zweifel, ob Matt (Seth Rogen) der richtige Mann für die neue Leitung der Continental Studios ist. Er ist als Filmliebhaber verschrien, der seine Mitarbeiter nötigt, sich analoge Klassiker aus dem vorigen Jahrhundert anzusehen. Manchmal sogar mit Untertiteln.
Weil Matt aber auch ein feiger Lügner ist, gibt er das natürlich nicht zu. Also bekommt er den Job, kauft Martin Scorsese dessen neues Drehbuch über das Jonestown-Massaker ab und redet allen und vor allem sich selbst ein, dass er daraus einen Blockbuster mit dem Getränkepulver-Männchen Kool-Aid als Protagonisten machen kann. Immerhin wird er nun doch auf die Party von Charlize Theron eingeladen, wo er Steve Buscemi, der sich bereits als oscarprämierter Hauptdarsteller in Scorseses neuem Meisterwerk wähnt, reichlich Honig ums Maul schmiert.
The Studio (auf Apple TV+), entwickelt und inszeniert von Allround-Komiker Seth Rogen und seinem langjährigen Weggefährten Evan Goldberg, ist die derzeit vergnüglichste US-Comedyserie. Rogen und Goldberg, zwanzig Jahre nach den gemeinsamen Blödeltagen für Superbad (2007) erwachsen geworden, beweisen ein sicheres Gespür für das hysterische Hollywood-Chaos – oder besser gesagt für jenes Bild, das Hollywood gerne von sich selbst produziert.
Also für den Jahrmarkt der gekränkten Eitelkeiten. Aus dem nicht ganz falschen Klischee der Selbstgefälligkeit, mit dem das liberale Hollywood-Establishment den anderen vor allem die eigene Welt erklärt, schlägt The Studio doppelt Kapital: Nichts ist einfacher, als sich so zu präsentieren, wie es einem ohnehin alle unterstellen.
Hollywood will über sich selbst lachen, nicht immer mit gutem Ergebnis
Folgerichtig überschwemmen Dutzende Gaststars die halbstündigen Episoden, in denen Matt und sein einziger Bürofreund Sal (Ike Barinholtz) sich genötigt sehen, Probleme zu lösen, die sie oft selbst verursacht haben. Außer sie müssen den traumatisierten Ron Howard davon überzeugen, den rührseligen einstündigen Epilog seines Gangsterfilms wegzuschneiden, oder sich auf die Suche nach einem Dieb auf dem Filmset machen: Hat Zac Efron tatsächlich eine Filmrolle geklaut?
Hollywood hat im Laufe der Jahrzehnte unzählige Satiren über sich selbst produziert – und nicht nur gute. Erst vor wenigen Wochen landete HBO mitThe Franchise (auf Sky) einen Flop: Die Serie erzählt von der Produktion eines zweitklassigen Superheldenfilms, bei der ein überengagierter Regieassistent (Himesh Patel) und ein für den künstlerischen Anstrich verpflichteter deutscher Autorenfilmer (Daniel Brühl) täglich die Nerven auf dem Set verlieren.
Eine charmante Idee: Nicht Produzenten mit Luxusproblemen durchleiden den Studioalltag, sondern die Unannehmlichkeiten brechen über die Underdogs der Filmindustrie herein, Assistenten, Statisten, die Verantwortlichen der zweiten Reihe. Natürlich sind die Irrungen und Wirrungen des Fußvolks nicht kleiner. The Franchise konnte daraus allerdings kaum Kapital schlagen, was ironischerweise an denselben Problemen lag, mit denen sich die Franchiseproduktion in der Serie herumschlug: einem schlechten Drehbuch und zu viel dramaturgischem Durcheinander.
„The Studio“ zeigt, wie es funktioniert
Satirisch vom kreativen Kampf gegen den Kommerz erzählen und dabei als kommerziell orientierte Serie kreativ zu sein, ist schwierig. Doch The Studio beweist mit bissigen Dialogen und viel Selbstironie, wie es funktioniert. Dass die Serie von der US-Kritik gefeiert wird, mag zwar auch daran liegen, dass diese schon immer ein Faible für Geschichten aus dem eigenen La La Land hatte, und natürlich ist das alles für ein Publikum, das sich nur mäßig für die nächste Hollywood-Nabelschau interessiert, auch nur halb so lustig.
Doch The Studio schafft ausgerechnet im Fernsehen das, was Bryan Cranston eingangs mit Dollarzeichen in den Augen – „We make movies, not films!“ – als unmöglich bezeichnet: Film und Kino, also Kunst und Kommerz, unter ein Dach zu bringen. Und erfüllt damit in gewisser Weise, was sich Matt von seinem selbstverständlich nicht zustande kommenden Scorsese-Blockbuster nach Barbie-Vorbild verspricht: „We are gonna make the auteur-driven, Oscar-winning Kool-Aid film!“