Hohe Mieten: Was ist bezahlbarer Wohnraum?

Kaum ein Begriff ist in der wohnungspolitischen und immobilienökonomischen Diskussion so häufig zu hören wie „bezahlbarer Wohnraum“. Sooft er auch im politischen Raum oder in den Medien auftaucht, ist der Begriff gleichzeitig unbestimmt. So impliziert das Wort „bezahlbar“ zunächst nur, ob ein Haushalt zahlungsfähig genug ist, um die mit dem Wohnen verbundenen Kosten aufzubringen. Was als Wohnkosten herangezogen wird, wie hoch diese sein sollten und wie sich das Verhältnis von Wohnkosten zu Zahlungsfähigkeit darstellen sollte, ist unterschiedlich definiert.
Die Definitionen und folglich auch die Operationalisierungen unterscheiden sich je nach Konzept. Die Unterschiede sind zudem auf verschiedene Datengrundlagen zurückzuführen. Ein signifikanter Faktor ist zunächst die Miete je Quadratmeter. Eine Analyse der Miethöhe und Entwicklung allein reicht jedoch nicht aus. Zwar sind die Mieten in den vergangenen Jahren teilweise deutlich gestiegen, doch sie liefern keine Aussage darüber, ob ein Haushalt seine Wohnung bezahlen kann.
Es muss zwischen Mieten im Bestand und bei Neuvermietung unterschieden werden. So betrug die durchschnittliche Miete in Lüdinghausen laut Zensus 2022 bei bestehenden Mietverträgen 6,15 Euro je Quadratmeter, während die Miete bei aktuellen Vermietungen rund 9,20 Euro je Quadratmeter beträgt.
Mehr Platz zum Wohnen
Ein weiterer zu beachtender Faktor ist die Wohnfläche. Die Wohnkostenbelastung ist unter anderem deshalb gestiegen, weil die Wohnfläche seit Jahren kontinuierlich wächst. Ende 2023 betrug die durchschnittliche Wohnfläche gut 94,0 Quadratmeter, je Kopf waren es 49,2 Quadratmeter. Seit 2010 ist die Wohnfläche je Wohnung um rund zwei Prozent und je Person um etwa 7,5 Prozent gestiegen.
Letztlich sind die Einkommen der Haushalte ein wichtiger Einflussfaktor für die Belastung. Seit 2010 sind die Haushaltseinkommen sowohl brutto als auch netto um rund 40 Prozent angestiegen, allein im Jahr 2022 (aktueller Datenstand) um mehr als sechs Prozent.
Auf dieser Grundlage werden drei verschiedene Konzepte zur Analyse der Wohnkostenbelastung der Haushalte abgeleitet. Diese unterscheiden sich in ihrer Definition und beziehen sich auf unterschiedliche Zeitabschnitte. Aufgrund der unterschiedlichen Datenquellen ist eine Vergleichbarkeit nur eingeschränkt möglich.
Wie hoch ist der Mietanteil am Einkommen?
Ein erster Indikator zur Messung der Belastung eines Haushalts ist die Mietbelastungsquote. Sie gibt den Anteil der Bruttokaltmiete (Nettokaltmiete zuzüglich verbrauchsunabhängiger Betriebskosten, jedoch ohne warme Nebenkosten) am Haushaltsnettoeinkommen an. Die Daten hierfür stammen aus der Mikrozensus-Zusatzerhebung.
Im Jahr 2022 (derzeit verfügbare Daten) gaben die rund 19,9 Millionen Hauptmieterhaushalte in Deutschland im Durchschnitt 27,9 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Miete aus. Während sich die Einkommenszuwächse der vergangenen Jahre günstig auswirkten, belasteten die Zuwächse bei Mieten und Flächen. Seit den 2000er-Jahren ist die Mietbelastungsquote im Durchschnitt annähernd konstant geblieben, allerdings ist sie sehr stark gestreut. Rund zwei Drittel der Mieterhaushalte hatten eine Belastung von maximal 30 Prozent. Knapp acht Prozent der Haushalte (rund 1,5 Millionen) mussten dagegen mehr als die Hälfte ihres Haushaltsnettoeinkommens für die Miete aufwenden.
Die Mietbelastung variiert auch bei Haushalten, die sich nach verschiedenen sozioökonomischen Kriterien unterscheiden lassen. Einpersonenhaushalte waren besonders belastet, deren Belastungsquote lag bei knapp einem Drittel (32,7 Prozent) ihres Einkommens. Für alle anderen Haushaltsgrößen ergab sich eine unterdurchschnittliche Mietbelastungsquote. Haushalte mit niedrigem Einkommen wiesen mit fast 45 Prozent eine überdurchschnittlich hohe Mietbelastung auf. Ebenso hoch belastet waren Haushalte, die staatliche Leistungen für die Wohnkosten (beispielsweise Wohngeld) erhalten (42,7 Prozent). Haushalte ohne staatliche Leistungen für die Wohnkosten hatten mit 25,9 Prozent dagegen eine unterdurchschnittliche Quote. Bei einem Haushaltsnettoeinkommen von über 4000 Euro betrug die Quote nur gut 15 Prozent.
In der Stadt ist es teurer
Deutliche regionale Unterschiede waren bei der Mietbelastungsquote erkennbar. Mit über 30 Prozent war der Anteil in Bremen und Hamburg am höchsten, während Haushalte in Ostdeutschland am wenigsten durch die Mietkosten belastet waren. Hohe Mieten sind in Deutschland vor allem ein städtisches Phänomen. In Großstädten und vor allem in den sieben größten Städten mussten Mieterhaushalte überdurchschnittlich viel von ihrem Einkommen für die Bruttokaltmiete aufwenden.
Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem Einzugsjahr und der Höhe der Quoten. Mieterhaushalte, die 2019 oder später eingezogen waren, hatten überdurchschnittlich hohe Mietbelastungen. Dagegen waren die Haushalte, die ihren Mietvertrag vor 1999 abgeschlossen hatten, unterdurchschnittlich belastet.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hat die Mietbelastungsquote auf der Grundlage der Daten des Sozio-oekonomischen Panels analysiert. Dabei konzentrierte es sich auf die langfristige Entwicklung. Die Mietbelastung ist seit der Wiedervereinigung zunächst stark angestiegen. Insbesondere in Ostdeutschland war die Veränderung zu Beginn der 1990er-Jahre aufgrund der Liberalisierung der Mieten dramatisch. Seit etwa 2005 stagniert die Mietbelastung in Deutschland weitgehend, in Ostdeutschland ist sie sogar seit 2015 leicht rückläufig. Der Anteil war in Ostdeutschland durchgängig geringer als in Westdeutschland.
So sehr ist die Mietbelastung gestiegen
Empirica Regio hat die Mietbelastung untersucht für Bestandsmieten (bestehende Mietverträge) und Angebotsmieten (das aktuell geforderte Mietniveau). In den Ballungszentren liegt der Anteil der Bestandsmiete am Haushaltsnettoeinkommen bei mehr als 20 Prozent, ansonsten teilweise deutlich darunter. Bei den Angebotsmieten steigt die Mietbelastung deutlich an. In Großstädten liegt die Mietbelastungsquote nun bei 30 Prozent. Die Mietbelastung der Haushalte ist ebenso im Zeitverlauf signifikant gestiegen. Zwischen 2012 und 2022 wuchs sie um rund zwei Prozentpunkte auf 24 Prozent, in den Metropolen sogar von 30 auf 34 Prozent.
Für die Mietbelastungsquote wird auf verschiedene Arten ermittelt, wie stark die Haushalte durch das Wohnen belastet sind. Es fehlt jedoch die Angabe eines optimalen Werts.
Ein zweiter, umfassenderer Indikator ist die Wohnkostenbelastungsquote. Sie gibt an, welcher Anteil des verfügbaren Einkommens für Wohnkosten aufgewendet wird. Das Konzept der Wohnkostenüberbelastung stammt aus der EU-Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC).
Welche Wohnkosten zählen dazu?
Die Wohnkostenbelastung wird sowohl für Mieter als auch für Eigentümer berechnet. Bei Mietern entsprechen die Wohnkosten der Summe aus der Bruttowarmmiete, die an den Vermieter gezahlt wird, und den Kosten für Dritte. Bei Eigentümern hingegen setzen sich die Wohnkosten aus den Energie- und Heizkosten, der Grundsteuer sowie weiteren Nebenkosten wie für den Wasserverbrauch zusammen. Auch die Kosten für Instandhaltungen sowie mögliche Hypothekenzinsen zählen dazu.
In den 2010er-Jahren sank der Anteil der Wohnkosten am verfügbaren Haushaltseinkommen kontinuierlich. Überdurchschnittliche Quoten wiesen die Alleinlebenden und Alleinerziehenden auf, deren Anteil ebenfalls abnahm. Die armutsgefährdete Bevölkerung, die weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens bezieht, gab rund die Hälfte ihres Einkommens für Wohnen aus, und auch dieser Anteil blieb gleich.
Im Jahr 2020 stieg die Belastungsquote zunächst aufgrund deutlich höherer Energiepreise stark an. Erst im Jahr 2024 ging die Quote wieder leicht zurück. Der durchschnittliche Anteil belief sich auf 24,5 Prozent und lag damit deutlich über dem EU-Durchschnitt von 19,6 Prozent. Dabei zahlten Eigentümer in Deutschland im Schnitt lediglich 21,6 Prozent ihres verfügbaren Haushaltseinkommens. Einen sehr viel größeren Teil mussten mit durchschnittlich 27,1 Prozent die Mieter aufbringen. Die armutsgefährdete Bevölkerung hatte mit rund 44 Prozent deutlich mehr ihres Einkommens für Wohnen ausgegeben. Auch bei diesem Konzept fehlt die Angabe eines optimalen oder Zielwerts.
Zu hohe Mieten?
Das dritte Konzept ist das der Überbelastung, sowohl für Mieten als auch für Wohnkosten. Eine Überbelastung wird von den Statistischen Ämtern mit 40 Prozent als Grenzwert definiert. Eine derart hohe Quote kann die gesamte finanzielle Lage der Haushalte gefährden.
Gemäß der Mietbelastungsquote mussten 16 Prozent aller Haushalte mehr als 40 Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens für die Bruttokaltmiete aufwenden. Knapp acht Prozent der Haushalte mussten sogar mindestens die Hälfte ihres Haushaltsnettoeinkommens für die Bruttokaltmiete aufwenden.
Beim Konzept der Wohnkostenquote gilt ein Haushalt als überbelastet, wenn nach Abzug von Zuschüssen, wie beispielsweise Wohngeld, noch mehr als 40 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens für die Wohnkosten aufgewendet werden müssen. Im Jahr 2024 waren davon zwölf Prozent der Haushalte in Deutschland, aber nur 8,2 Prozent in Europa betroffen.
Mieterhaushalte waren im Jahr 2024 mit 13,2 Prozent etwas häufiger von Wohnkostenüberbelastung betroffen als Eigentümer (10,4 Prozent). Unter den verschiedenen Haushaltstypen mussten Einpersonenhaushalte und Alleinerziehende überdurchschnittlich viel für Wohnkosten aufwenden. In den letzten Jahren waren knapp 40 Prozent der armutsgefährdeten Bevölkerung durch Wohnkosten überbelastet.
Insgesamt ist die finanzielle Belastung der Haushalte durch Wohnkosten in den vergangenen Jahren nahezu konstant geblieben. Pauschale Aussagen wie „Bald kann sich das Wohnen niemand mehr leisten“ oder „Die hohen Mieten kann sich bald niemand mehr leisten“ sind aber nicht zutreffend. Es bestehen jedoch signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen. Es zeigt sich, dass insbesondere Alleinstehende und Alleinerziehende sowie Haushalte mit geringem Einkommen signifikant belastet sind.
Der Autor des Gastbeitrags ist Geschäftsführer der Analysegesellschaft Immobilienresearch Vornholz in Lüdinghausen.