Hochhaus-Debatte: Sind dasjenige künftig die höchsten Türme Münchens?

Der Münchner Stadtrat hat am Mittwoch den Weg frei gemacht für die Bebauung des Quartiers an der ehemaligen Paketposthalle. Die Vollversammlung lieferte sich noch einmal eine ausführliche Debatte, deren Positionen allerdings seit Jahren bekannt sind. Am Ende stimmten SPD, Grüne, Rosa Liste, Volt, CSU und FDP für die Annahme des Bauvorhabens, Linke, AfD und ÖDP dagegen. Erhalten bleiben soll auch das Backstage, dessen Betreiber Befürchtungen hatte, wegen Lärmschutzauflagen den Standort der Halle aufgeben zu müssen. Stadtbaurätin Elisabeth Merk kündigte eine Verhandlungslösung an.
Die Argumente der Befürworter sind einerseits der Zugewinn an 1190 Wohnungen, in etwa die Hälfe davon soll gefördert oder „preisgedämpft“ werden, hinzu kommen Hotels, Gastronomie und soziale Einrichtungen, insgesamt 3000 Arbeitsplätze in einem innenstadtnahen Stadtteil, der verkehrstechnisch gut erschlossen ist. Es entstehe „ein Mehrwert für die Stadt“, so SPD-Chef Christian Köning. Das mindestens ebenso große Zuckerl wie Wohnraum ist das Versprechen des Investors, der Grünwalder Unternehmensgruppe von Ralf Büschl, die Paketposthalle zu einem öffentlichen Ort zu machen.
Es werden die höchsten Gebäude der Stadt
Die Dimensionen der Halle, welche die Deutsche Post als Verteilerzentrum nutzte, sind in der Tat beeindruckend: Mit einer Grundfläche von 148 mal 124 Metern und einer lichten Höhe von 27 Metern hat sie alle möglichen Phantasien befeuert, was dort an kultureller Nutzung möglich wäre. Mindestens ebenso beeindruckend ist die Höhe der Zwillingstürme, die der Plan des Schweizer Büros Herzog & de Meuron, das ohne Architektenwettbewerb zum Zug kam, vorsieht: 155 Meter. Bereits in dem vor sechs Jahren vorgelegten Masterplan stehen die Hochhäuser im Zentrum; Büschl ist, von kosmetischen Umplanungen abgesehen, davon auch nicht abgerückt.
Kommen die Türme wie geplant, dann werden sie die höchsten Gebäude der Stadt. Das allein hat schon Sprengkraft, denn die Münchner Hochhaus-Debatte orientiert sich seit Jahrzehnten, allerdings ohne eine Rechtsverbindlichkeit, an der Höhe der Türme der Liebfrauenkirche, die knapp 99 Meter hoch sind. Lässt man den 1956 errichteten Fernmeldeturm der Oberpostdirektion und den Fernsehturm außen vor, ist das bislang höchste Gebäude das 2004 eröffnete Hochhaus Uptown (O2-Tower) in Moosach – mit 146 Metern.
Weitgehend konsumfrei?
Dass die Stadt ein Bürgerbegehren „aus rein taktischen Überlegungen“ zurückgewiesen hat, wie der ÖDP-Abgeordnete Tobias Ruff in der Debatte sagte, sei ein Fehler, ebenso wie der Glaube, in Hochhäusern könne günstiger Wohnraum geschaffen werden – Beispiele aus anderen deutschen Städten bestätigten dies. Parteiübergreifend bezweifelt niemand, dass in den Türmen Wohnungen für Superreiche entstehen werden, doch der lange Atem des Investors, für den sich der FDP-Politiker Jörg Hoffmann ausdrücklich bedankte, wird sich am Ende wohl auszahlen.
AfD-Stadtrat Daniel Stanke erinnerte an zwei Millionen Quadratmeter Leerstand bei Büroflächen in München, die potentiell in Wohnraum umgewandelt werden könnten. Dass die Paketposthalle, wie der SPD-Chef Köning eingangs sagte, „ein weitgehend konsumfreier Ort“ werden wird, bezweifelt nicht nur Brigitte Wolf von der Linken – das sei „ein schöner Wunsch“. Im Übrigen seien Hochhäuser nicht nachhaltig, in anderen Städten „werden die mittlerweile wieder abgerissen“. Stattdessen empfahl sie München, so zu handeln wie es Wien seit hundert Jahren im sozialen Wohnungsbau vormache.
„Eine lange Reise“ nannte die Dritte Bürgermeisterin Verena Dietl die Entscheidungsfindung rund um das Paketpost-Areal. Tatsächlich ist diese noch nicht zu Ende. Der Versuch der Bürgerinitiative „Hochhaus-Stop“ um den CSU-Landtagsabgeordneten Robert Brannekämper, die das Projekt mittels eines Bürgerbegehrens auf 60 Meter Bauhöhe verpflichten wollte, war gescheitert, weil der Stadtrat das Begehren als unzulässigen Eingriff in die Planungshoheit der Stadt abblitzen ließ. Mittlerweile liegt die Causa beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH), der eine Entscheidung bis Dezember angekündigt hat.
Sollte der VGH der Klage der Hochhausgegner stattgeben, würde das Verfahren zurück in den Stadtrat verwiesen. Am Ende könnte doch noch ein Bürgerentscheid stehen. Wenn nicht, kann Büschl die Baugenehmigung beantragen, bis 2033 muss er das Bauvorhaben dann abschließen. Erst dann wäre die lange Reise wirklich zu Ende.
Source: faz.net