Hochansteckendes Virus: Vogelgrippe greift stärker um sich

Ziehende Kraniche, die auf dem Weg in ihre Winterquartiere nach Südeuropa oder Afrika sind, bieten in diesen Tagen normalerweise ein schönes Bild am Himmel. In diesem Herbst jedoch müssen deutschlandweit tausende Kraniche entsorgt werden, weil sie dem Vogelgrippevirus zum Opfer gefallen sind. Auch andere Wildtiere infizieren sich und übertragen das Virus auf Nutzgeflügel wie Puten und Hähnchen in Ausläufen und auf Weiden, was Tierhalter vor große Probleme stellt. Mittlerweile sind auch Großbetriebe mit Legehennen und Mastputen betroffen. Wird die Geflügelpest (H5N1) in einem Bestand nachgewiesen, müssen alle Tiere „gekeult“, also getötet werden. Das betrifft nicht selten mehrere zehntausend Tiere.

Das zuständige Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) schätzt, dass in diesem Herbst bislang mehr als 200.000 Hühner, Gänse, Enten und Puten nach Geflügelpestausbrüchen in den betroffenen Betrieben getötet und entsorgt wurden, um die Ausbreitung der Seuche einzudämmen. Die Gesamtzahl der seit Jahresbeginn wegen Vogelgrippe getöteten Nutztiere liegt jedoch noch höher. Besonders folgenschwer waren zwei Fälle in Mecklenburg-Vorpommern. Dort mussten nach Angaben des Schweriner Landwirtschaftsministeriums in zwei Großbetrieben mit Legehennen knapp 150.000 Tiere vorsorglich getötet werden. Mitte Oktober waren im niedersächsischen Landkreis Cloppenburg 20.500 Puten gekeult worden.

Die Tierseuche ist in Deutschland inzwischen ganzjährig verbreitet. Dass die Infektionen im Herbst durch den Vogelzug zunehmen, ist nicht ungewöhnlich. Doch in diesem Jahr breitet sich das Virus früher und stärker aus, warnt der Zentralverband der Geflügelwirtschaft. Auch Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) hat zu verstärkten Schutzmaßnahmen aufgerufen. „In den vergangenen 14 Tagen gab es einen sehr schnellen Anstieg der Infektionen“, sagte er.

Risikoeinschätzung auf „hoch“ angehoben

Die Vogelgrippe ist deshalb so gefährlich, weil sie hochansteckend ist und infizierte Tiere meist daran sterben. Betroffenes Geflügel zeigt Symptome wie hohes Fieber, Appetitlosigkeit, Schwäche, Teilnahmslosigkeit und Atemnot. Das Friedrich-Loeffler-Institut hat seine Risikoeinschätzung für Geflügel und Wildtiere jeweils von „gering“ bzw. „moderat“ auf „hoch“ angehoben. Für die Tierhalter ist eine Infektion zwar tragisch, finanziell ist sie jedoch zu verkraften, denn sie erhalten den Wert der Tiere und die Kosten für die Entsorgung ersetzt. Dafür kommt die Tierseuchenkasse auf, in die die Tierhalter einzahlen.

Das Landwirtschaftsministerium hat bei der EU kürzlich einen Antrag gestellt, die Obergrenze für Entschädigungszahlungen bei besonders wertvollen Tieren, die gekeult werden müssen, von 50 auf bis zu 110 Euro anzuheben. In der Regel ist der Marktwert die Grundlage für Entschädigungszahlungen aus der Tierseuchenkasse. Die Behörden appellieren zudem an Geflügelhalter, zur Eindämmung der Tierseuche die Hygieneregeln strikt einzuhalten. In Deutschland ist die Impfung gegen die Geflügelpest in Ausnahmefällen erlaubt. Die Impfung ist allerdings mit umfangreichen Überwachungsmaßnahmen verbunden und eignet sich laut FLI nur für bestimmte Geflügelarten.

Das Virus macht deutlich, welche Zielkonflikte durch Tierseuchen aufeinanderprallen. Tierhalter, die ihre Tiere im Freien halten, sind einem höheren Risiko für Seuchen ausgesetzt als jene, die ihre Tiere im Stall halten. Andererseits gilt: Je größer die Herde, desto größer der Schaden im Falle einer Infektion.

Potentiell ist die Vogelgrippe auch auf Menschen übertragbar. Laut FLI besteht für die Bevölkerung aber derzeit kein besonderes Risiko für schwerwiegende Erkrankungen Kontakt zu toten Vögeln sollte vorsorglich trotzdem vermieden werden. In den USA hatten sich im vergangenen Jahr Mitarbeiter von Geflügel- und Kuhfarmen infiziert. Laut Robert-Koch-Institut können die Viren nicht so leicht auf Menschen übertragen werden. Wenn eine Infektion jedoch stattfinde, könne die Krankheit bisweilen sehr schwer verlaufen. Es gebe derzeit auf der Welt aber keine Hinweise für eine fortgesetzte Mensch-zu-Mensch-Übertragung.