Hinrichten, Zuhören, Auswandern – dasjenige sind die besten Sachbücher im Februar

Eine Geschichte der Guillotine, eine Politik des Zuhörens und ein Buch über global wirkmächtige Deutsche seit 1500. Der Februar hält Entdeckungen bereit. Mit diesen Sachbüchern reden Sie mit!

Hier empfehlen wir die „Sachbücher des Monats“. Medienpartner dieser unabhängigen Liste sind „Die Literarische Welt“, Radio RBB Kultur, Radio Österreich 1 und „NZZ“. Unsere Jury kürt jeweils zehn Titel aus Geistes-, Natur-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Im Februar lohnen sich:

1. László F. Földényi:

Der lange Schatten der Guillotine. Lebensbilder aus dem Paris des neunzehnten Jahrhunderts. Übersetzt von Akos Doma. Matthes & Seitz, 302 Seiten, 28 Euro*

Der preisgekrönte ungarische Essayist wirft einen Blick auf die erste Hinrichtungsmethode, mit der das Töten industriell wurde. Zugleich überlegt er, wie harte Schnitte für die Moderne insgesamt produktiv wurden, sei es in den Medien Literatur (Baudelaire) oder Fotografie, sei es beim Pariser Städtebau (Haussmann).

2. Giacomo Leopardi:

Zibaldone. Die Gesamtausgabe I. Übersetzt von Daniel Creutz, hrsg. von Cornelia Klettke. Matthes & Seitz, 792 Seiten, 89 Euro*

In Italien ist Leopardi (1798–1837) der Nationaldichter der Romantik. Sein berühmtes Sammelsurium erscheint mit dieser Ausgabe erstmals vollständig auf Deutsch und zeigt einen dichtenden Denker, der mit seinen Notizen ein ganzes Zeitalter einfängt.

3. Bernhard Pörksen:

Zuhören. Die Kunst, sich der Welt zu öffnen. Hanser, 330 Seiten, 24 Euro*

Der Tübinger Medienwissenschaftler beschreibt das Paradox, dass heute zwar immer mehr Menschen in allen möglichen Medien Botschaften absetzen, sie aber deswegen trotzdem nicht unbedingt Gehör finden. Pörksens Buch mündet in ein Plädoyer für eine „Politik des Zuhörens“.

4. Bettina Stangneth:

Club der Dilettanten. Warum niemand Bücher wirklich versteht, aber trotzdem jeder beim Lesen lernt. Rowohlt, 256 Seiten, 24 Euro*

Wie liest man und wie richtet man sich ein Leben mit Lektüren ein? Dieses kluge Buch handelt vom Umgang mit Büchern, der inzwischen nicht mehr selbstverständlich ist.

5. David Blackbourn:

Die Deutschen in der Welt. Siedler, Händler, Philosophen: Eine globale Geschichte vom Mittelalter bis heute. Übersetzt von Klaus-Dieter Schmidt, DVA, 1008 Seiten, 42 Euro*

Deutschlands Einfluss auf der Welt, erzählt von einem amerikanischen Historiker, am Beispiel von Seefahrern, Missionaren, Wissenschaftlern und vielen weiteren Beispielen, auch Auswanderern. Dabei geht es nicht nur um ohnehin schon bekannte „Big Names“, sondern Trends durch die Jahrhunderte. Augenöffnend.

6. Rutger Bregmann:

Moralische Ambition. Wie man aufhört, sein Talent zu vergeuden, und etwas schafft, das wirklich zählt. Rowohlt, 336 Seiten, 22 Euro*

Der niederländische Historiker und Publizist erzählt von hehren Menschen, die ihr Leben nach Idealen ausrichteten – und den Lauf der Welt verändert haben

7. Martyn Rady:

Vom Rhein bis zu den Karpaten. Eine neue Geschichte Mitteleuropas. Übersetzt von Henning Thies. Rowohlt Berlin, 688 Seiten, 38 Euro*

Geschichte, ganz konkret: Mit seinem populärwissenschaftlichen Buch lädt der britische Publizist zum Reisen an Orte ein, an denen etwa Fugger, Hanseaten, Juden, Roma, Bauern und Postkommunisten eine Rolle spielten.

8. Ein Album aus Auschwitz

Die fotografische Inszenierung des Verbrechens. Herausgegeben von Tal Bruttmann, Stefan Hördler, Christoph Kreutzmüller. Wallstein, 304 Seiten, 38 Euro*

Eine Bildquelle des Holocaust: Die hier dokumentierten Fotos wurden 1944 von den SS-Fotografen Bernhard Walter und Ernst Hofmann angefertigt und zusammengestellt, um den Massenmord an ungarischen Juden als effizienten Prozess zu präsentieren.

9. Ute Frevert:

Verfassungsgefühle. Die Deutschen und ihre Staatsgrundgesetze. Wallstein, 248 Seiten, 22 Euro*

Die Historikerin, die sich mit ihrer Emotionsforschung am Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung einen Namen gemacht hat, fragt hier nach dem Stellenwert des Deutschen Grundgesetzes bei der Bevölkerung.

10. Emmanuel Todd:

Der Westen im Niedergang. Ökonomie, Kultur und Religion im freien Fall. Übersetzt von Tabea A. Rotter. Westend,350 Seiten, 28 Euro*

Ein pointierter Blick des streitbaren französischen Historikers, der bereits den Untergang der Sowjetunion vorausgesagt hat.

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Die Extra-Empfehlung

Neben den zehn Tipps der Jury kommt jeden Monat eine zusätzliche Empfehlung von einem Gast. Diesmal von der Publizistin Franziska Augstein. Sie empfiehlt:

Christian Meier: Das Gebot zu vergessen und die Unabweisbarkeit des Erinnerns. Vom öffentlichen Umgang mit schlimmer Vergangenheit. Siedler, 160 Seiten, 16,49 Euro. Als E-Book 8,99 Euro*

„Die alten Griechen waren ein äußerst rachsüchtiger Menschenschlag. ‚Vergeltung an einem zu üben‘, schrieb Thukydides, ‚stand höher im Kurs als vorher keine Kränkung erlitten zu haben.‘ Damit nach einem überstandenen Krieg alle wieder ‚gut und gemeinsam Bürger‘ sein konnten, bedurfte es daher massiver Mittel. So wurde denn allseitiges ‚Vergessen‘ angeordnet. Nach diesem Ratschluss wurde bis weit in die Frühe Neuzeit verfahren, Amnestien waren üblich. Der Friede, im Inneren und nach Außen, war damit gesichert; aber die Gerechtigkeit blieb auf der Strecke. Heute gilt das Erinnern und mit ihm die Bestrafung von Kriegs- und anderen Verbrechen ungleich mehr. Was das bedeutet, hat der Althistoriker Christian Meier weise erörtert, in luzide schöner Sprache, mit kurzweiliger Prägnanz. Zumal im Gedenken an die Zeiten nach 1945 und 1989 ist sein Buch ein Geschenk für alle, die Deutschland etwas angeht.“ (Franziska Augstein)

Die Jury der „Sachbücher des Monats“

Tobias Becker, „Spiegel“; Eike Gebhardt, Berlin; Knud von Harbou, Publizist, Feldafing; Prof. Jochen Hörisch, Uni Mannheim; Günter Kaindlstorfer, Wien; Otto Kallscheuer, Sassari (Italien); Petra Kammann, „Feuilleton Frankfurt“; Jörg-Dieter Kogel, Bremen; Wilhelm Krull, The New Institute, Hamburg; Marianna Lieder, freie Kritikerin, Berlin; Lukas Meyer-Blankenburg, SWR Wissen; Gerlinde Pölsler, „Falter“; Marc Reichwein, WELT; Thomas Ribi, „NZZ“; Wolfgang Ritschl, ORF; Sandra Richter, Deutsches Literaturarchiv Marbach am Neckar; Florian Rötzer, „Krass & Konkret“; Norbert Seitz, Berlin; Anne-Catherine Simon, „Die Presse“, Wien; Prof. Philipp Theisohn, Uni Zürich; Andreas Wang, Berlin; Harro Zimmermann, Bremen; Stefan Zweifel, Schweiz.

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Source: welt.de