Herbstprognose: Forschende rechnen nur mit Mini-Wirtschaftswachstum dieses Jahr
Führende Wirtschaftsinstitute rechnen nur mit einem leichten Wachstum der deutschen Wirtschaft in diesem Jahr. In ihrer Herbstprognose kalkulieren sie für 2025 mit einem Mini-Wachstum von 0,2 Prozent. Für 2026 könnte die Wirtschaft dann stärker wachsen. Für das kommenden Jahr gehen die Institute von einem Plus beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) von voraussichtlich 1,3 Prozent aus, 2027 rechnen sie mit weiteren 1,4 Prozent. Dies dürfte jedoch vor allem an den massiven Investitionen liegen, welche die Bundesregierung im Zuge des „Herbst der Reformen“ angekündigt hat.
„Expansive Finanzpolitik kaschiert Wachstumsschwäche“, heißt es dazu von den Experten. Zu der Gruppe gehören unter anderem das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin und das Münchner ifo-Institut. „Die deutsche Wirtschaft steht nach wie vor auf wackeligen Beinen“, sagte DIW-Konjunkturchefin Geraldine Dany-Knedlich. Die zu erwartende spürbare Erholung werde angesichts „anhaltender struktureller Schwächen“ nicht von Dauer sein.
Handelsstreit mit USA birgt „großes Eskalationspotenzial“
Insbesondere die hohen Energiekosten und Sozialausgaben, zu viel Bürokratie und zu wenig Fachkräfte sehen die Gutachterinnen und Gutachter als Problem. International werde China ein immer stärkerer Wettbewerber, während die USA sich mit Sonderzöllen weiter isolieren würden – vor allem im Handelsstreit mit den USA sehe man „großes Eskalationspotenzial“, heißt es. In Europa werde die Sicherheitsarchitektur durch den Ukraine-Krieg stark verändert. All das habe ebenfalls Einfluss auf das deutsche Wirtschaftswachstum.
Vor allem die Dienstleistungen im öffentlichen Sektor dürften sich erholen. Im produzierenden Gewerbe jedoch erwarten die Forschenden eher ein verhaltenes Wachstum. Besonders der Exportzuwachs als Treiber dürfte dieses Mal wegen hoher Zölle und schwindender Wettbewerbsfähigkeit deutscher Produkte gering ausfallen, schrieben die Expertinnen und Experten.
Zwölf-Punkte-Plan für mehr Wirtschaftswachstum
Der Bundesregierung empfahlen sie, ihre angekündigten Reformen auch umzusetzen, um langfristiges Wachstum zu erzeugen. Dazu legten sie einen Zwölf-Punkte-Plan mit weiteren möglichen Strukturreformen vor.
Unter anderem müsse durch Digitalisierung, den Abbau von Bürokratie und weniger Personal in der Verwaltung mehr Produktivität erreicht werden. Insbesondere im Gesundheitswesen, wo die Kosten überproportional steigen würden, brauche es Effizienzsteigerungen, schrieben die Gutachterinnen und Gutachter. Auch sollte es mehr Anreize geben, länger zu arbeiten und die Anerkennung von ausländischen Fachkräften beschleunigt werden.
In der Umweltpolitik forderte das Gutachten eine weltweite Kooperation bei der Dekarbonisierung, anstelle einer bloßen Verlagerung von industrieller Produktion ins Ausland. Die Energiewende müsse aber auch die Versorgungsstabilität gewährleisten. Subventionierungen wie den geplanten Industriestrompreis lehnen die Expertinnen und Experten ab.
EU-Mercusor-Abkommen soll abgeschlossen werden
Finanzpolitisch gelte es, etwa dauerhafte Verteidigungsausgaben mittelfristig wieder in den Kernhaushalt zu überführen und durch Steuereinnahmen zu finanzieren. Zudem sollte etwa die öffentliche Infrastruktur stärker von denjenigen bezahlt werden, die sie nutzen.
International empfahlen die Experten, das Mercosur-Abkommen zu verabschieden. Die bereits angestoßene Vereinbarung zwischen der EU und führenden südamerikanischen Staaten soll Handelsbarrieren wie hohe Zölle abbauen und neue Märkte erschließen.
Im April hatten die Regierungsberater für dieses Jahr 0,1 Prozent Wachstum vorausgesagt und plus 1,3 Prozent für 2026. Die sogenannte Gemeinschaftsdiagnose (GD) wird federführend erarbeitet vom Berliner DIW, Kieler IfW, Münchner Ifo sowie dem Essener RWI und dem IWH aus Halle.