Heimische Produktion: Amerikas Fabrikarbeiter finden Trumps Autozölle gut
Nelson Westrick hat nichts gegen Mexiko. Er ist sogar gerade selbst dort. Zusammen mit seiner Frau und zwei seiner vier Kinder macht er Urlaub in Puerto Vallarta. Was ihm aber nicht gefällt, ist, dass sein Arbeitgeber Ford in dem Land Autos produziert und von dort in seine amerikanische Heimat importiert, genauso wie das General Motors und einige andere Wettbewerber tun.
Deshalb begrüßt er die Einfuhrzölle, die der US-Präsident Donald Trump gerade verhängt hat, denn sie könnten das Bild nach seiner Hoffnung ändern. Der Aufschlag von 25 Prozent soll für alle Autos gelten, die in die USA importiert werden, egal, ob sie aus Mexiko, Kanada oder etwa Deutschland kommen. „Das wird die Hersteller dazu zwingen, mehr Autos in den USA zu bauen,“ sagt Westrick am Morgen nach Trumps Ankündigung in einem Videotelefonat vom Strand. Und er meint, das könnte zum Beispiel auch seinen Söhnen, die heute 18 und 16 Jahre alt sind, Chancen in der Autoindustrie eröffnen, wie er sie einst selbst hatte. „Einer von ihnen wird in zwei Monaten mit der Schule fertig, und er hätte bestimmt nichts dagegen, wenn er anstelle von jemandem in Mexiko oder Kanada einen Job bei einem Autohersteller bekommt.“
Die Zölle gelten als schwerer Schlag für die globale Autoindustrie
Mit den Zöllen hat Trump der globalen Autoindustrie einen schweren Schlag versetzt. Ökonomen, Analysten und Branchenverbände sehen darin eine weitere Eskalation der von ihm losgetretenen Handelskonflikte, durch die am Ende so gut wie alle als Verlierer dastehen, von den Herstellern selbst über ihre Mitarbeiter bis hin zu den Verbrauchern.
Viele Automodelle in den USA würden um Tausende von Dollar teurer, was die Nachfrage drücken und letztlich Arbeitsplätze kosten werde, heißt es nun. Eine besonders dramatische Warnung kam von Westricks Chef, dem Ford-Vorstandsvorsitzenden Jim Farley. Er sagte kürzlich, Zölle von 25 Prozent auf Einfuhren aus Mexiko und Kanada würden „ein Loch in die Industrie reißen, wie wir es noch nie gesehen haben“.
Die Stimmung unter den Mitarbeitern von Autoherstellern ist indessen weitaus weniger düster, und das gilt nicht nur für erklärte Trump-Anhänger wie Westrick. Die Autogewerkschaft United Auto Workers (UAW), die sich im Wahlkampf klar auf die Seite von Trumps Gegenkandidatin Kamala Harris gestellt hatte, feierte die Zölle als „Sieg für Arbeiter in der Autoindustrie“ und „großen Schritt in die richtige Richtung“. Dieser Moment markiere den Anfang vom Ende eines jahrzehntelangen „Desasters des freien Handels“.
UAW-Präsident Shawn Fain jubelte: „Die Trump-Regierung hat Geschichte geschrieben.“ Vor den Wahlen hatte Fain noch völlig andere Töne angeschlagen und gesagt: „Donald Trump ist ein Milliardär, der in seinem Leben nie einen echten Job hatte. Er weiß nicht das Geringste über harte Arbeit, und er würde es keinen Tag in einem Autowerk aushalten. Er ist ungeeignet, in der Autoindustrie zu arbeiten, und er ist ganz bestimmt ungeeignet, Präsident zu sein.“ Westrick interpretiert den Sinneswandel so, dass die Gewerkschaft „aufgewacht“ sei.
Brian Pannebecker ist wie Westrick ein Trump-Anhänger aus Michigan, dem Bundesstaat, in dem die großen US-Hersteller wie General Motors und Ford ihre Heimat haben. Er ist 65 Jahre alt und seit Kurzem pensioniert, zuvor hat er bei Ford gearbeitet. Vor einigen Jahren hat er die Gruppe „Auto Workers for Trump“ gegründet. Mit ihr hat er Wahlkampf für Trump gemacht, und er hat den Präsidenten auch schon öfters persönlich getroffen. Er sagt, fast alle Mitarbeiter von Autoherstellern, die er kenne, seien „superglücklich“ über die neuen Zölle. „Wir haben seit 40 Jahren zugesehen, wie wir Autowerke an andere Länder verloren haben.“ Die Unternehmen hätten nun gar keine andere Wahl, als mehr in den USA zu produzieren, dies werde fortan „Cost of Doing Business“ in einem der wichtigsten Automärkte der Welt sein. „Donald Trump macht keine Scherze,“ sagt Pannebecker.
Was bedeuten die Zölle für deutsche Automarken?
Auch deutsche Autobauer müssten seiner Meinung nach handeln. „Wenn ich Chef von Volkswagen oder BMW wäre, würde ich mich jetzt nach neuen Standorten umsehen.“ Produktionsverlagerungen seien nicht so schwierig, wie dies oft von den Autoherstellern dargestellt werde. Viele von ihnen hätten in ihren existierenden US-Werken ungenutzte Kapazitäten, die sich in recht kurzer Zeit aktivieren ließen. Und neue Werke könnten innerhalb von zwei Jahren entstehen. „Das ist alles machbar.“ Auch die UAW sagt, Autohersteller hätten nach Entlassungen und dem Streichen von Schichten an US-Standorten reichlich Möglichkeiten, diese Werke besser auszulasten und dort mehr Autos zu produzieren.
Pannebecker bestreitet nicht, dass die Zölle Autos erst einmal teurer machen könnten. Aber er findet, das sei es wert. „Wir sind bereit, kurzfristig ein bisschen zu leiden, dafür werden wir längerfristig mehr Jobs gewinnen.“ Etwaige Preissteigerungen werden nach seiner Ansicht aber nicht „dramatisch“ ausfallen. Er meint, die Autohersteller würden einen Teil der höheren Kosten selbst tragen, und sie könnten sich das auch leisten. Außerdem könnten Verbraucher auf Entlastung durch Trumps Energiepolitik hoffen. Das Versprechen des Präsidenten, die Ölförderung anzukurbeln, werde die Benzinpreise sinken lassen.
In den Augen von Pannebecker und Westrick ist Trump nicht der Aggressor im gegenwärtigen Handelskonflikt. Vielmehr reagiere er darauf, dass andere Länder die USA schlecht behandelt hätten. „Wir müssen zurückschlagen,“ sagt Westrick und rechtfertigt die Zölle damit ganz ähnlich wie der Präsident selbst als eine Art Racheaktion. Weder er noch seine Kollegen machten sich sonderlich große Sorgen, dass die Zölle ihren Arbeitsplatz gefährden könnten. Ihnen gehe es um die Aussicht, Jobs für „künftige Generationen“ zu sichern.
Was ein US-Fabrikarbeiter in der Autoindustrie verdient
Westrick ist 49 Jahre alt und arbeitet in einem Ford-Werk in Sterling Heights in der Nähe von Detroit, in dem Hinterachsen hergestellt werden. Er hat hier mit 21 Jahren angeheuert, heute leitet er ein Team von zwölf Mitarbeitern, zehn davon sind nach seiner Schätzung Trump-Anhänger. Als Kind hatte er nicht unbedingt den Traum, in einer Autofabrik zu arbeiten, aber ihn lockte die Aussicht auf einen gut bezahlten Job mit großzügigen Sozialleistungen. Er verdient heute 91.000 Dollar im Jahr, es waren auch schon einmal 120.000 Dollar, als er noch mehr Überstunden machen konnte.
Er hat vier Wochen Urlaub und eine Krankenversicherung, die unbürokratisch erstattet, darunter alle Zahnspangen seiner Kinder. Der Job macht es ihm möglich, jetzt 9000 Dollar für die Reise nach Puerto Vallarta auszugeben. Und er ist froh, dass er den Posten noch immer hat, denn wie er erzählt, sei die Belegschaft im Laufe der Jahre erheblich geschrumpft. Bei seinem Berufseinstieg hätten hier 5200 Menschen gearbeitet, heute seien es noch 2300. Das habe zum Teil mit Automatisierung zu tun, vor allem aber mit der Verlagerung von Kapazitäten nach Mexiko und China.
Über seinen Chef Jim Farley, der eindringlich vor den Zöllen gewarnt hat, hat Westrick keine allzu gute Meinung: „Ich bin kein großer Fan von ihm.“ Ihn stört vor allem, dass Farley so stark auf Elektroautos gesetzt habe, die sich nun aber „überhaupt nicht“ verkaufen ließen. Pannebecker sagt, Farley übertreibe maßlos mit seinem Schreckensszenario. „Die haben reichlich Optionen, sich anzupassen.“ Ford und andere Hersteller flüchteten sich in „Ausreden“, um sich vor der Ausweitung von Kapazitäten in den USA zu drücken.
Pannebecker meint, mit den jetzt verhängten Zöllen beginne eine neue Zeitrechnung. Die Autobranche müsse sich darauf einstellen, auf längere Sicht damit zu leben. „Auch wenn Trump in vier Jahren nicht mehr im Weißen Haus sein wird, gibt es eine gute Chance, dass jemand gewählt wird, der seine Politik fortsetzt – zum Beispiel jemand wie Vizepräsident JD Vance.“