Hauspreise: Immobilien-Trendwende im Zeitlupentempo

Zwei Zinssenkungen hat die Europäische Zentralbank (EZB) hinter sich, die dritte könnte auf der Oktobersitzung unmittelbar bevorstehen. Auch die Bauzinsen sind nach Zahlen der Verbraucherplattform Biallo im September wieder etwas gesunken, von durchschnittlich 3,45 Prozent für Baudarlehen mit zehn Jahren Zinsbindung Ende August auf 3,35 Prozent. Und auch die Vorstandsmitglieder vieler Volksbanken berichten in einer Umfrage des Genoverbands, die der F.A.Z. exklusiv vorab vorliegt, von einem wieder anziehenden Immobiliengeschäft. „Es zeigt sich, dass unter den Mitgliedsbanken des Genoverbandes beim Blick nach vorn die positiven Einschätzungen im Zeitverlauf zunehmen – aber nur verhalten bezüglich der Dynamik der Aufwärtsentwicklung“, sagte Ingmar Rega, der Vorstandsvorsitzende des Verbands: „Die Trendwende am Immobilienmarkt vollzieht sich im Zeitlupentempo.“

Konkret gingen 50 Prozent der befragten Bankvorstände von einem leichten Anstieg im Geschäft mit der Immobilienfinanzierung im zweiten Halbjahr 2024 gegenüber dem ersten aus. Drei Prozent erwarteten sogar einen starken Anstieg. 33 Prozent meinten, das Geschäft werde etwa gleich bleiben. Zehn Prozent rechneten mit einem leichten, drei Prozent mit einem starken Rückgang ihres Geschäftes mit Immobilienfinanzierungen. Über das erste Halbjahr sagten 46 Prozent, es habe eine Zunahme ihres Geschäfts gegeben. 23 Prozent berichteten von einer Stagnation. Und 30 Prozent berichteten von einem Rückgang.

Für das kommende Jahr sind 73 Prozent der Vorstandsmitglieder zuversichtlich, dass es mehr Immobilienfinanzierungen gibt, lediglich sieben Prozent erwarten einen Rückgang. Der Genoverband ist aus der Fusion regionaler Prüfverbände entstanden und hat rund 2600 Mitgliedsgenossenschaften in 14 Bundesländern, darunter 286 Volks- und Raiffeisenbanken.

In vielen Volksbanken scheint die Stimmung zum Immobilienmarkt besser zu sein als noch vor Kurzem, wenn auch nicht unbedingt euphorisch. „Im Vorjahr rechneten die Banken noch mit einem stärkeren Rückgang speziell bei der Finanzierung von Neubauvorhaben im Jahr 2024“, schreibt der Genoverband. Jetzt berichten zwar 16 Prozent der Volksbanken von einem leichten, 25 Prozent von einem stärkeren Rückgang im ersten Halbjahr. Das war aber die Minderheit. Die Mehrheit vermeldete Stagnation oder Zuwachs. Fürs zweite Halbjahr sind die Banken deutlich optimistischer. Und für nächstes Jahr rechnet jetzt erstmals wieder eine Mehrheit mit mehr Neubaufinanzierung als im Vorjahr.

„Kunden mit Finanzierungswunsch haben sich an die Drei beziehungsweise Vier vor dem Komma bei Baufinanzierungskonditionen gewöhnt“, sagte Verbandschef Rega: „Das Geschäft zieht teilweise an, ist aber weit entfernt von den Umsätzen der Boomjahre während der Niedrigzinsphase.“

Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zur Hauspreisentwicklung hatten zuletzt einen ersten vorsichtigen Anstieg der Preise für Wohnimmobilien im zweiten Quartal 2024 gegenüber dem ersten signalisiert. Das Plus lag bei 1,3 Prozent. Das war der erste Anstieg gegenüber einem Vorquartal seit dem zweiten Quartal 2022. Gegenüber dem Vorjahresquartal steht allerdings immer noch ein Minus zu Buche. Die Entwicklung eines einzelnen Quartals sollte man sicher nicht überbewerten. Trotzdem halten viele Fachleute eine Trendwende für möglich.

Unterschiede je nach Region

Je nach Region scheint die Entwicklung noch etwas unterschiedlich zu sein. Eva Wunsch-Weber, die Vorstandsvorsitzende der Frankfurter Volksbank Rhein/Main, sagte über ihr Geschäftsgebiet: „Weil weniger neu gebaut wurde, sind die Preise für Gebrauchtimmobilien mit energieeffizienter Ausstattung in Frankfurt eher stabil geblieben.“ Mangelnde Energieeffizienz führe jedoch zu merklichen Abschlägen.

Außerhalb Frankfurts, in der Metropolregion Rhein-Main, hätten Verkäufer zuweilen deutlichere Abstriche hinnehmen müssen, sagte Wunsch-Weber: „Bei allen Marktsegmenten sehen wir jetzt eine Trendwende.“ Viele Familien, die in den vergangenen zwei Jahren abgewartet hätten, kehrten jetzt auf den Markt zurück, führte Wunsch-Weber aus: „Gesunkene Preise und bessere Finanzierungsangebote machen den Traum von den eigenen vier Wänden jetzt wieder möglicher – wir verzeichnen bereits wieder moderates Wachstum.“

Für Berlin sagte Carsten Jung, der Vorstandsvorsitzende der Berliner Volksbank: „Unsere Frühindikatoren wie unser notarielles Netzwerk signalisieren uns für Berlin, dass wir die Bodenbildung der Preisentwicklung mit hoher Wahrscheinlichkeit durchlaufen haben.“ Zudem bemerke die Berliner Volksbank seit dem Frühjahr eine Belebung der Nachfrage in der privaten Baufinanzierung. In der Summe blicke man aktuell „vermehrt optimistisch“ auf den Markt in der Hauptstadt.

Aus Nordrhein-Westfalen gibt es zumindest hinsichtlich der Wohnimmobilien ähnliche Signale. Rainer Mellis, der Vorstandssprecher der Volksbank Düsseldorf Neuss, sagte: „Im normalen Baufinanzierungsgeschäft mit Privatkunden, dem Hauptgeschäft unserer Volksbank, sind die Preise in Düsseldorf stabil geblieben.“ In der wirtschaftlich starken Region passten Einkommen und Hauspreise auch auf hohem Niveau zusammen: „Hier sind auch die Finanzierungszusagen stabil wachsend“, sagte Mellis. Bei den Projektentwicklungen dagegen sei immer noch Zurückhaltung aufgrund der diversen Insolvenzen zu spüren: „Doch schlagen Investoren auch schon wieder im kleineren Rahmen zu, erwarten aber noch deutliche Zinssenkungen.“

„Der Markt bewegt sich wieder“, sagte Peter Hanker, der Vorstandssprecher der Volksbank Mittelhessen in Gießen. „Wir beobachten, dass der Preisverfall sich deutlich verlangsamt hat.“ Vor allem in guten Lagen stiegen die Preise auch schon wieder. „Was die Immobilienfinanzierung angeht, sind wir optimistisch“, sagte der Volksbank-Chef. Eine Trendwende sei definitiv seit Jahresanfang zu beobachten: „Durch die sinkenden Zinsen spüren wir einen deutlichen Zuwachs der Baufinanzierungsanfragen.“

Die Bankvorstände haben sich in der Umfrage auch damit befasst, was ihre Kunden aktuell am Erwerb einer Immobilie hindere. Hier wurden Finanzierungsschwierigkeiten (85 Prozent) und hohe Preisanstiege (84 Prozent) am häufigsten genannt, weit vor Bürokratie bei Bauvorhaben (41 Prozent), fehlenden Staatshilfen (39 Prozent) und zu hohen Nebenkosten wie der Grunderwerbsteuer (30 Prozent).

85 Prozent der Bankvorstandsmitglieder sagten zudem, der Anteil des Einkommens, den Kunden für eine Immobilienfinanzierung aufwenden müssten, sei in den vergangenen drei Jahren gestiegen. Die relativ größte Gruppe der befragten Bankmanager (34 Prozent) gab an, ihre Privatkunden müssten mittlerweile im Schnitt mehr als 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens für ihre Immobilienfinanzierung aufwenden.