Hartz IV und Bürgergeld: „Sanktionen sind unumgänglich, Gewiss kein Allheilmittel“
Die CDU will das Bürgergeld abschaffen, die Ampelparteien hingegen sind sich einig: Das Bürgergeld bietet einen guten Rahmen zur Förderung, braucht jedoch einige Anpassungen. Am 1. Januar 2025 jährt sich die Einführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende zum zwanzigsten Mal: 2005 wurde Hartz IV eingeführt, 2023 hat das Bürgergeld es abgelöst.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat das zum Anlass genommen, sie mit Bundestagsabgeordneten der CDU, SPD, FDP und der Grünen sowie die Chefin der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, politisch einzuordnen und Bilanz zu ziehen.
IAB-Direktor Bernd Fitzenberger ordnete die Entstehung der Grundsicherung für Arbeitssuchende ein: Sie wurde zu einer Zeit der Massenarbeitslosigkeit eingeführt und hat die Systeme der Sozialhilfe und der Arbeitslosenhilfe für erwerbsfähige Personen zusammengeführt, damit sie einen direkten Zugang zur Arbeitsvermittlung durch die Jobcenter bekamen.
Die Schwächen von Hartz IV
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Strengmann-Kuhn kritisierte, dass die Einführung von Hartz IV zu einer Ausweitung des Niedriglohnsektors geführt habe, da der Vermittlungsvorrang unter dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) Priorität hatte. Ökonom Fitzenberger verwies darauf, dass Deutschland aufgrund eines weitgefassten Begriffs von Erwerbsfähigkeit viele Leistungsempfänger zählt, aktuell 4,4 Millionen, von denen 1,8 Millionen arbeitslos sind. Trotz dieser Leistungsberechtigten hat Deutschland mit 77 Prozent laut OECD Ende 2023 eine der höchsten Erwerbstätigenquoten im internationalen Vergleich.
Der Ökonom führte jedoch auch aus, dass die Grundsicherung wie gewünscht soziale Teilhabe ermögliche, es jedoch gleichzeitig Schwierigkeiten beim Arbeitsanreiz gebe, wenn Leistungsbezieher etwas verdienen und dieser Verdienst besteuert wird. „Sanktionen sind notwendig, aber kein Allheilmittel. Sie werden aus Sicht des IAB zu intensiv diskutiert.“
CDU will das Bürgergeld abschaffen
Das sieht CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann anders: „Es braucht über das Bürgergeld hinaus eine ganz große Reform.“ Er kritisiert, dass im aktuellen System auch Menschen Sozialleistungen erhalten würden, die arbeiten gehen könnten. CDU-Politiker Marc Biadacz bekräftigte dies: „Solidarität ist keine Einbahnstraße.“ Deshalb wolle seine Partei das Bürgergeld reformieren und umbenennen, außerdem müsse man bei den Sanktionen nachschärfen.
Die anderen Teilnehmer der virtuellen Runde waren sich in einem Punkt zumindest einig: Die Grundsicherung ist prinzipiell ein gutes Instrument, um erwerbslose Leistungsempfänger zu unterstützen. Auch wenn jeder der Abgeordneten Verbesserungsvorschläge für das Bürgergeld eingebracht hat, hielt SPD-Politiker Martin Rosemann fest: „Die Ampelkoalition ist nicht am Bürgergeld gescheitert.“ Kritik und Forderungen haben sie dennoch geäußert. „Das Sanktionsmoratorium war Gift“, sagte er. Es hätte den Eindruck erweckt, dass das Bürgergeld keine Mitwirkungspflichten enthält.
Auch Jens Teutrine (FDP), Sprecher für das Bürgergeld fordert, den Fokus auf Aktivleistungen zu richten. Die Zuverdienstmöglichkeiten für Menschen unter 25 Jahren sollten verbessert werden, um den Arbeitsanreiz zu erhöhen. Außerdem müssten die Jobcenter Teilausbildungen besser fördern, da die Schwelle für eine Vollzeitausbildung häufig zu hoch sind.
Vereinfachen, um Ressourcen zu sparen
Die Abgeordneten Rosemann (SPD) und Teutrine (FDP) waren sich außerdem einig, dass die Strukturen vereinfacht werden müssen. Wenn Schnittstellen reduziert werden können und Leistungen wie das Bürgergeld, Wohngeld und Finanzmittel für Kinder zusammengeführt würden, könnten Ressourcen eingespart werden, die in die Personalplanung der Jobcenter fließen könnten, sagt Rosemann.
Strengmann-Kuhn von den Grünen plädiert auch gegen den Vorschlag der CDU: „Die Rückabwicklung wäre das Schlimmste, was man machen könnte“. Stattdessen brauche es Planungssicherheit für das Personal und die Ressourcen der Jobcenter.
Die finanzielle Ausgangslage ist denkbar schwierig: Der Haushalt der Bundesagentur für Arbeit wird im nächsten Jahr ins Minus rutschen. Das liegt an steigenden Arbeitslosenzahlen und neuen Aufgaben, die per Gesetz von den steuerfinanzierten Jobcentern in den Bereich der Bundesagentur fallen, wie die Förderung von Weiterbildung. Nahles sagte jedoch: „Trotzdem werden wir bei der Förderung und Qualifizierung nicht mit dem Rotstift agieren, sondern sogar noch eins obendrauf legen“. Der Fachkräftemangel erfordere Weiterbildungen. Einsparungen hier seien kontraproduktiv, da es sonst mehr Arbeitslose geben werde.