Hapag-Lloyd muss weiterhin den längsten Umweg welcher Welt nehmen

Deutschlands führende Reederei Hapag-Lloyd hat das viertbeste Ergebnis der Unternehmensgeschichte erzielt und investiert massiv in Schiffe und Terminals. Doch die Hoffnung, auf den Linien zwischen Europa und China bald wieder durch den Suezkanal fahren zu können, erfüllt sich einstweilen nicht.
Etwa zehn Tage lang dauert es für einen Containerfrachter, vom Indischen Ozean kommend, die rund 6000 Kilometer um Afrika herum in Richtung Europa zurückzulegen. Die mit Iran verbündete Huthi-Armee im Jemen erzwingt diesen längsten Umweg der Welt. Seit Ende 2023 beschießen die Huthi internationale Handels- und Marineschiffe im Roten Meer. Damit blockieren sie die Durchfahrt durch den ägyptischen Suezkanal vom Roten Meer ins Mittelmeer und retour.
Wir bei vielen anderen Reedereien hofft man auch bei Deutschlands größtem Schifffahrtsunternehmen Hapag-Lloyd mit Sitz in Hamburg darauf, seine Schiffe auf den Liniendiensten zwischen Europa und Ostasien bald wieder durch den Suezkanal schicken zu können. Doch danach sieht es derzeit nicht aus, im Gegenteil: Der erneut eskalierende Krieg zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen, die US-Luftangriffe auf die Infrastruktur der Huthi und deren Androhungen, ihre Attacken auf die Schifffahrt fortzusetzen, machen die Kanalpassage bis auf Weiteres unmöglich: „Wir wollen, dass der Suezkanal wieder geöffnet wird. Doch wir werden nicht durch den Kanal fahren, bevor die Passage wieder sicher ist“, sagte Hapag-Lloyd-Chef Rolf Habben Jansen am Donnerstag bei der Präsentation der Jahresbilanz in Hamburg.
Vor dem Hintergrund einer chaotisch anmutenden Logistik- und Welthandelskulisse hat Hapag-Lloyd das nach 2022, 2021 und 2023 viertbeste Nettoergebnis seiner 178-jährigen Geschichte erwirtschaftet. Von den rund 2,55 Milliarden Euro Konzerngewinn – rund 19 Prozent weniger als im vergangenen Jahr – wird per Dividende erneut unter anderem auch die Stadt Hamburg profitieren, die 13,9 Prozent der Hapag-Lloyd-Anteile hält. Für dieses Jahr allerdings erwartet der Vorstand – bezogen auf die operativen Gewinnzahlen – deutlich geringere Werte.
Hapag-Lloyd steckt tief in der umfassendsten Modernisierung seit langer Zeit. Nach den Fusionen von Hapag-Lloyd mit den Reedereien CSAV und UASC im vergangenen Jahrzehnt geht es nun vor allem darum, die Flotte größer, pünktlicher und sauberer beim Ausstoß von Treibhausgasen zu machen. Die Flotte der Hamburger Reederei ist derzeit mit 299 Schiffen so groß wie nie, und in den Auftragsbüchern stehen weitere 27 eigene sowie sieben Charterschiffe. Die gesamte Transportkapazität der von Hapag-Lloyd betriebenen Schiffe soll mittelfristig von derzeit 2,34 Millionen Containereinheiten (TEU) auf drei Millionen TEU steigen. Zugleich strebt Hapag-Lloyd an, über Zwischenstufen bis zum Jahr 2045 einen „klimaneutralen“ Betrieb seiner Schiffe zu erreichen, vor allem mit synthetischen Kraftstoffen auf der Basis von regenerativ erzeugtem Wasserstoff: „Grünes“ Methanol, Ammoniak und Erdgas seien die Treibstoffe der Zukunft, sagte Habben Jansen: „Und auch Nuklearantriebe könnten eine Option sein.“
Zwei weitere große Entwicklungen beschäftigen die derzeit rund 16.900 Mitarbeiter von Hapag-Lloyd, der weltweit fünftgrößten Reederei: Mit der zweitgrößten Linienreederei, dem dänischen Unternehmen Maersk, betreibt Hapag-Lloyd seit Anfang Februar die neue Allianz Gemini Cooperation. Dort sollen insgesamt 340 Schiffe integriert werden, solange die Linien zwischen Europa und Asien um Südafrika herum laufen. Wird der Suezkanal wieder passierbar, könnten es weniger Schiffe werden. Die Gemini Cooperation habe ihre ersten Wochen „mit einer Pünktlichkeit bei den Schiffsanläufen von 88 Prozent absolviert“, sagte Habben Jansen. Damit liege das neue Bündnis weit vor anderen führenden Reedereien und deren Allianzen, die derzeit eher Pünktlichkeiten um 40 Prozent verzeichneten.
Neben der Schifffahrt baut Hapag-Lloyd unter dem Namen Hanseatic Global Terminals auch ein weltumspannendes Geschäft mit Container-Hafenterminals auf. Bislang ist das neue Tochterunternehmen der Reederei an 21 Terminals beteiligt, darunter am JadeWeserPort in Wilhelmshaven. Zuletzt erwarb Hanseatic Global Terminals im März die Mehrheit an einem Containerterminal im französischen Hafen Le Havre. Bis 2030 strebt Hapag-Lloyd 30 Beteiligungen an Terminals an.
Mit all dem folgt Hapag-Lloyd – ähnlich wie Maersk – einem Megatrend in der Logistik: radikale Vereinfachung und maximale Kontrolle über die Transportkette. Die Linien werden in der Gemini Cooperation so organisiert, dass die beiden Reedereien dabei möglichst viele eigene Terminals einbeziehen – und neben den Großcontainerschiffen auch möglichst viele eigene Zubringerschiffe, wie Habben Jansen am Donnerstag sagte. Mit dem aus der Luftfahrt entlehnten, sogenannten „Hub and Spoke“-Konzept bringt die Gemini Cooperation Ladung vor allem auf den Asien-Europa-Routen mit wenigen Zwischenstopps nur noch zu wenigen Terminals, in Nordeuropa vor allem nach Rotterdam, Bremerhaven und Wilhelmshaven. Von dort aus wird ein Großteil der Ladung in direkten Verbindungen mit relativ großen Zubringerschiffen etwa zu Häfen wie dem polnischen Danzig oder nach Hamburg weitertransportiert. Dadurch soll die Pünktlichkeit der Liniendienste dauerhaft auf mehr als 90 Prozent steigen.
Zwar kommen nach Hamburg weiterhin auch große Schiffe von Hapag-Lloyd und Maersk auf interkontinentalen Liniendiensten, aber weniger als bislang. Hamburg verliert unter dem Strich durch die Gemini Cooperation etwa zehn Prozent der gesamten bisherigen Ladung beider Reedereien. Die deutschen Seehäfen insgesamt werden jedoch mehr Ladung bekommen, sagte Habben Jansen. Eine strikte Größenbeschränkung für künftige Schiffsanläufe gebe es allerdings nicht. Die größten Hapag-Lloyd-Schiffe der „Hamburg Express“-Klasse mit rund 24.000 TEU Kapazität fahren zwar vorerst nicht mehr bis Hamburg. Aber das sei kein Dogma, sagte Habben Jansen. Den Einsatz einzelner Schiffstypen auf den Linien der Gemini Cooperation „regelt der Markt“.
Die gegenseitige Androhung und Verhängung von Strafzöllen zwischen den USA, China und der EU könnte die Schifffahrt in diesem Jahr zusätzlich belasten. Branchenexperten erwarteten für 2025 aber ein moderates Wachstum der globalen Containertransporte. „Der Welthandel wird auch in Zukunft von entscheidender Bedeutung sein und sich seinen Weg suchen, selbst wenn sich einzelne Warenströme verlagern sollten“, sagte Habben Jansen. 2024 sei der globale Containerumschlag um rund sechs Prozent gewachsen: „Damit hatte zu Beginn des vergangenen Jahres kaum jemand gerechnet.“
Olaf Preuß ist Wirtschaftsreporter von WELT und WELT AM SONNTAG für Hamburg und Norddeutschland. Die maritime Wirtschaft – Schifffahrt, Häfen und Werften – zählt zu seinen Schwerpunktthemen.
Source: welt.de