Habeck im Rahmen OMR: „Dieser gut Aussehende, dieser Kennedyeske“ – eine ganze Halle huldigt Habeck – WELT

Sein eigentlicher Beruf sei ja Wirtschaftsminister, sagt Robert Habeck gegen Mitte seiner Rede. Jedenfalls „im Moment“. Falls das jemand vergessen haben sollte, was nicht unwahrscheinlich scheint in dieser Messehalle in Hamburg, an diesem Dienstagvormittag. Denn hier und jetzt, auf der Online-Media-Messe OMR, ist Habeck mehr: so etwas wie ein Rockstar der Politik.

Ein Rockstar, so viel ist ja klar, muss nicht viel tun, um Begeisterung auszulösen. Bei Habeck reicht der entschlossene Gang auf die Bühne. Gastgeber Philipp Westermeyer, Chef der OMR mit 70.000 Teilnehmern, schwört das Publikum ein: „Am Ende find ich‘s egal, ob ihr der Meinung von Herrn Habeck oder Herrn Lindner seid.“ Wichtig sei nur, dass Habeck Anerkennung finde – schließlich könne man sein Leben auch leichter gestalten als in der Spitzenpolitik.

„Ich bin einfach nur dankbar, dass jemand wie du diesen Job machst“, ruft der Medienunternehmer Habeck zu. Der Angesprochene kontert: „Ich geh’ dann jetzt wieder. Für mich hat sich der Morgen gelohnt.“ Natürlich geht Habeck nicht gleich wieder, er ist ja Politiker, hebt also zu einer Rede an, die mit gut 20 Minuten den Zeitplan ordentlich überzieht.

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Habeck hat es nämlich Wichtiges zu sagen. Es geht ihm nicht um das Klein-Klein der Tagespolitik, nicht etwa um Regulierung der Internetkonzerne Meta und Google, auch den Namen der Videoplattform TikTok nennt er nicht auf der Messe, die mit vollem Namen „Online Marketing Rockstars“ heißt.

Stattdessen geht es ihm um die ganz großen Themen, den hohen Ton, ja auch ums Pathos. „Freiheit und liberale Demokratie stehen unter Druck wie lange nicht mehr“, warnt Habeck. „Rechtsradikale wollen unsere Gemeinwesen infrage stellen und vielleicht zerstören.“

Dazu komme Putins kriegerischer Nationalismus, Protektionismus und obendrauf auch noch den Klimawandel. „Wenn ihr mich fragt, worum es eigentlich geht in dieser Zeit: ein Leben in Frieden und Freiheit möglich machen.“ Habeck geht es um alles.

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Dieses große Ganze sei denn auch der Hintergrund, vor dem diese Messe stattfinde. Und zugleich die Aufgabe für Influencer und Social-Media-Manager: Auch im Netz müsse es „Räume geben, um uns auszutauschen – Sorgen, Ängste, vielleicht auch Zorn zu artikulieren“.

Habeck demonstriert so sein Talent, auch mal pastoral zu werden. Natürlich ganz im Gegensatz zum böswilligen politischen Gegner: Der Rechtspopulismus wolle Debattenthemen isolieren und durch Polemik überzeichnen, sodass keine Einigung mehr möglich sei, sondern nur noch Konflikt bleibe, theoretisiert Habeck. „Im System der Mediendemokratie und der sozialen Medien gibt es eine Verführbarkeit, diese Polemik immer stärker werden zu lassen“, warnt er die vor Ort versammelte Online-Blase.

Sein Gegenrezept: Medien und Influencer sollten mehr „Geschichten des Gelingens“ erzählen, wünscht sich Habeck. Später, nach der Rede, wird Habeck dem Co-Moderator des Morgens, dem ZDF-Mann Markus Lanz, auf der Messebühne anvertrauen, dass dieser Wunsch nach mehr Positivem auch für ihn selbst gilt.

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Viel werde über seinen einen großen Fehler gesprochen, das Verständnis der Menschen für sein Heizungsgesetz falsch eingeschätzt zu haben, wird Habeck sagen. Dann wird er unter dem heftigen Applaus der mit 7.000 Leuten voll besetzten Halle zu seiner Arbeit fragen: „Wie viel anderes hat denn geklappt? Zehn andere Dinge waren richtig gut!“

Noch aber ist seine Rede nicht zu Ende. Habeck will erst einen zuversichtlichen Schluss finden. „Wir können die Probleme lösen – allemal“, ruft er – und verzeichnet „Aufbruch allüberall“. Etwa durch die Demonstrationen gegen die Abschiebepläne der AfD, aber auch durch einen „Boost bei erneuerbaren Energien“. Alles hängt mit allem zusammen, das zeigt auch der Schlusssatz: „Wir haben alle Chancen, diese Gesellschaft zu einer offenen und freien, klimaneutralen auszubauen.“

„Das taugt gut als Schlagzeile“

Der Applaus fällt parteitagartig aus, tosend, lang anhaltend. Ein Heimspiel. Moderator Kai Pflaume lässt den Jubel laufen, trotz Zeitdrucks: „Ich habe nicht eingegriffen. Es gibt bestimmt jemanden, der mitgestoppt hat, wie lange der Applaus war. Das taugt gut als Schlagzeile“, schwärmt Pflaume.

Habeck bleibt trotz des Jubels Habeck. Und der findet Pflaumes Bemerkung „natürlich völlig albern“. Denn es gehe ja nicht um die Länge des Applauses, sondern um die Inhalte, um die Sprache.

Gut tut ihm Zustimmung offenbar trotzdem: „Wenn der Diskurs des Landes auf Scheitern ausgelegt ist, werden wir nicht gewinnen“, warnt Habeck und wird kurz komödiantisch. Die Fußballnationalmannschaft habe bei der anstehenden EM auch keine Chance, wenn sie sage: „Die Franzosen sind viel besser, der Ball ist so groß“, quäkt Habeck mit gespielt jämmerlicher Stimme.

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Selbst der geübte Abend-Talker Markus Lanz, auf der Bühne ohne Krawatte und mit weit geöffnetem Hemdkragen, kommt nicht gegen Habecks positive Morgen-Energie an. Dabei war der Politiker vor seinem Auftritt bereits in einem Video-Call und dann noch bei den Grünen Senatoren im Hamburger Rathaus zu Gast.

„Ich habe das Gefühl, Sie sind wirklich jemand, der sich als Diener dieses Landes begreift“, schmeichelt Lanz Habeck für seine „Bodenständigkeit und Bescheidenheit“.

Als Lanz kurz darauf den Minister als „diesen Pragmatischen, diesen gut Aussehenden, diesen Kennedyesken“ beschreibt, wirkt diese Rhetorik in dem Umfeld der Social-Media-Berufsoptimisten kaum noch ironisch, sondern fast wie eine sachliche Beschreibung.

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Lanz versucht zwar, Habeck mit dem übersteigerten Lob aus der Reserve zu locken: Was er denn gemeint habe mit der Bemerkung, er sei „im Moment“ Wirtschaftsminister, ob da mehr gehe, Bundeskanzler vielleicht?

Nein, so will Habeck seine Bemerkung nicht gemeint haben. Er ist ja so bescheiden: Er wollte nur ausdrücken, dass er ja auf Zeit gewählt sei. Und eigentlich nur als ein ganz normaler Bürger dieses Landes gesprochen habe.

Source: welt.de