Gut zu Händen den Transport: Zehn Fakten zusätzlich Koffer
A
wie Attaché Case
Der Bond-Koffer war mal – wie die Herrenhandtasche – ein Must-have für stilbeflissene Männer im späten 20. Jahrhundert. Selbst mein Vater besaß, obwohl er Gastarbeiter war und mit seinem Körper arbeiten musste, einige solcher Koffer, in denen er Stifte, Taschenkalender sowie Unterlagen aufbewahrte und transportierte. Der Bond-Koffer tauchte bei Ian Fleming erstmalig 1957 in seinem Buch Liebesgrüße aus Moskau auf, das 1963 als zweiter James-Bond-Film auf die Leinwand kam. Der unscheinbare Attaché Case (weil er für Diplomaten und Attachés gedacht war) wurde vom Londoner Traditionshaus Swaine Adeney Brigg gefertigt. Q versah ihn mit einigen praktischen Funktionen: So verstecken sich zwei flache Wurfmesser und Waffenmunition im Polster. Dazu kommen ein Gewehr (Armalite AR-7), Tränengas und 50 Goldmünzen. Im Buch hält der Koffer noch Zyanid-Pille und Schalldämpfer bereit. Als kleiner Junge spielte ich daher ständig mit Papas Koffern. Ji-Hun Kim
B
wie Business
Auf Vintage-Flohmärkten kann man ihn hier und da noch finden: Seine große Zeit hatte der Aktenkoffer in den 1980ern und 90ern (→ Attaché Case). Nach der Wende standen die Kunstlederkuben bei der älteren Jugend Ost hoch im Kurs. Viele Jungen schleppten sich nur mit Aktenkoffer in die höheren Klassen, mit Bravo– und Pop Rocky-Aufklebern individualisiert. Selbst Nazi-Skins trabten damit in die Berufsschule, bei ihnen durften es die Reichsflagge oder „Ich bin stolz darauf, deutsch zu sein“-Sticker sein. Wie sehr Aktenkoffer in den 90ern das Image von Mann und Macher verkörperten, zeigen die Aufnahmen des damals 18-jährigen Christian Lindner als Geschäftsmann, die vor ein paar Jahren auftauchten. Heute sind die Aktenkoffer dank Business-Rucksack und Laptoptasche derart aus der Mode, dass wirklich jeder sie tragen kann. Tobias Prüwer
D
wie Drogen
Es ist der Filmstoff par excellence. Unzählbar die Streifen, in denen sich im Leben Gescheiterte als Drogenkuriere verdingen oder gutgläubige Touristen in der Sicherheitskontrolle am Flughafen ihren Koffer öffnen müssen und ein dickes Paket mit Drogen zum Vorschein kommt. Das kann einem auch im realen Leben passieren, wie Freunden von mir. Als sie irgendwann in den 1980ern mit dem Bulli über den Ärmelkanal von der britischen Insel zurückkehrten, wurde auf dem Festland in ihrer Abwesenheit der Bus aufgebrochen. Merkwürdigerweise war er nicht durchwühlt und es fehlte nicht einmal die teure Kamera, lediglich zwei Flaschen Whiskey waren verschwunden. Sie riefen die Polizei, der das ebenfalls eigenartig vorkam. Am nächsten Tag untersuchten die Beamten das Fahrzeug und konnten tatsächlich Drogenspuren nachweisen, was die Freunde in reichlich Erklärungsnot brachte. Wann und wo den nichtsahnenden Urlaubern das Speed untergejubelt worden war, ließ sich nie mehr ermitteln. Ulrike Baureithel
G
wie Gepäckrichtlinien
Im Auto zählt nur das Volumen des Kofferraums oder wie viel Gewicht der Dachgepäckträger hält. Und in der Bahn kann es ein großer, schwerer Koffer sein. Aber im Flieger: Da fängt der Stress schon vor der Reise an. Wenn man nicht gerade Business Class bucht, wo zum Beispiel bei der Lufthansa zwei Koffer à 32 Kilo zuzüglich Handgepäck erlaubt sind, muss man schauen, welche Airline wofür extra zur Kasse bittet. Gerade die preisgünstigen sind einfallsreich, zusätzlicher Einnahmen wegen. Wenn sich die meisten Reisenden aufs Handgepäck beschränken (→ Rollkoffer) – Maße beachten, ja nicht zu groß! –, reichen die Fächer über den Sitzen nicht aus. Also für „Priority Boarding“ zuzahlen oder gleich für Aufgabegepäck. 15 Kilo etwa bei Easyjet. Da ist Kaufrausch im Urlaub zu vermeiden. Lass die Vase stehen, sonst bezahlen wir Übergepäck. Irmtraud Gutschke
H
wie Heimweh
Zur „Marlene Dietrich Collection“ im Berliner Museum für Film und Fernsehen gehören neben rund 3.000 Kleidungsstücken auch 130 Koffer. Das wundert nicht, schließlich gab sich die Schauspielerin gerne als Weltbürgerin. Gefühle habe sie für Menschen, aber nicht für Städte, soll sie mal gesagt haben. Aber galt das auch für Berlin? Hier habe sie schließlich noch immer, glaubt man dem Text eines ihrer bekanntesten Lieder, einen Koffer mit den „Seligkeiten vergangener Zeiten“ stehen. Und dagegenkönnten selbst die Reize von Weltstädten wie Paris oder Rom nichts ausrichten. Nun hat die Dietrich Ich hab noch einen Koffer in Berlin nicht selbst gedichtet. Urheber der nostalgischen Verse, die dem heute vergessenen Ur-Berliner Bully Buhlan 1951 einen Hit bescherten, war der Schlagertexter Aldo von Pinelli (1912 – 1967). Zum populären Evergreen wurden sie allerdings erst in den Versionen von Marlene Dietrich und Hildegard Knef. Vielleicht wirken Frauenstimmen einfach authentischer. Joachim Feldmann
K
wie Kunst
Es ist eines der schönsten und erfolgreichsten Kinderkunstprojekte. Seit 20 Jahren gibt es die „Kunstkoffer“ in Wiesbaden schon. Der Künstler Titus Grab und seine Helfer und Helferinnen sind mit ihren Koffern unterwegs, um Kinder für Kunst zu begeistern. In diesen Koffern befindet sich das Material, Farbe, Naturmaterialien, Ton, Verpackungsmaterial und vieles mehr – eben alles, was geeignet ist, um Kunst zu machen. Denn, so formuliert es Grab, „nur kreativ denkende Menschen werden den Herausforderungen der Zukunft gerecht“. Das Konzept, unter freiem Himmel und an verschiedenen Kunstkoffer-Haltestellen Kunst aus dem Koffer zu machen, hat in anderen Städten längst Nachahmer gefunden, wie in St. Gallen, Offenbach, Marburg, Berlin, Braunschweig, Stendal, Görlitz, Dresden und auch im niederländischen Gorinchem. Marc Peschke
R
wie Rollkoffer
Früher blieb außen vor, wer nicht ausgiebig irgendwohin reiste, möglichst weit weg, in Länder mit exotischen Namen, in denen die anderen Touristen noch nicht alles kaputt gemacht hatten. Heute behalten viele ihre umweltzerstörerischen Urlaube für sich. Oder jetten gar nicht erst los. Man muss ja nicht. Und fliegen soll man schon gar nicht. Ist mit zu viel Scham und Klimaschaden verbunden. Wenn jetzt auch noch das Rollkoffern in den Airbnb-Metropolen aufhörte, wäre das Heimat-Paradies auf Erden angebrochen. Doch der Krach der Umständlichen geht schamlos weiter. Meine Mutter versteht das nicht. Als Ärztin war sie oft unterwegs, in von Armutskrankheiten geplagten Ländern, und stolz auf ihr unaufwendiges Reisetäschchen. „Unterhose, Zahnbürste und Geld“, lautet ihr Leitsatz, „mehr brauchst du nicht zwingend“ (→ Gepäckrichtlinien). Einen Rollkoffer besitzt sie bis heute nicht. Wer unbedingt wegfahren muss oder will, dem sei von ihr gesagt: Leichtes Gepäck tut es auch. Man braucht viel weniger, als man denkt, weniger reisen und weniger mitnehmen. Katharina Körting
T
wie Transparent
Jeden Urlaub lassen sich etliche Reisende brav komplett durchleuchten. Sei es am Flughafen oder an einem spanischen Bahnhof. Die Belohnung ist ein Gefühl von Sicherheit. Die für ihre Aluminiumkoffer bekannte Marke Rimowa kollaborierte zu ihrem 120. Geburtstag mit Virgil Abloh, Gründer von Off White und damals Designer bei Louis Vuitton. Ergebnis: Ein transparenter Koffer, der beweist, dass wir uns nicht nur an Eingriffe in unsere Privatsphäre gewöhnt haben, sondern diese bereitwillig zur Schau stellen. Die künstlerisch-kritische Intention des Entwurfs wurde von den reichen Kids, die ihn kauften, allerdings direkt verworfen. Der Koffer ist ein Distinktionsmerkmal, das nicht nur 860 Euro kostet, sondern auch noch die Exklusivität der enthaltenen Kleidung zur Schau stellt. Ein blickdichter Kleidersack für den Rückflug ist übrigens nicht enthalten. Alina Saha
Ü
wie Übersee
Aluminium, Polycarbonat, Textilgewebe sind die Materialien, aus denen heute die meisten Koffer bestehen. Leicht soll das Gepäck sein, dazu flugzeugtaugliche Maße aufweisen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als man noch nicht mit dem Auto, dem Billigflieger oder dem Fahrrad reiste, spielten die Gepäckmaße und das Gewicht des Materials keine derart tragende Rolle (→ Gepäckrichtlinien). Und so erdachte man gigantisch große Koffer, die wie tragbare Schränke funktionierten. Stellt man sie aufrecht auf eine Schmalseite, stehen die beiden Hälften wie zwei Schrankfächer nebeneinander, manchmal sind sogar Schubladen vorhanden. Als Gepäck für Atlantiküberfahrten auf Luxusschiffen beliebt, taufte man diese Koffer Überseekoffer, auch die weniger luxuriöse Variante, die wie eine Truhe aussieht (→ Transparent). Wenn ich das Wort Überseekoffer höre, stelle ich mir das Sommergepäck der Familie Mann vor, die damit ihr Sommerhaus in Nida an der Kurischen Nehrung bezieht, sehe ich Gustav Aschenbach auf dem Weg nach Venedig, zum Lido, in sein Verderben. Beate Tröger
Z
wie Zorse
Zieht man zwei Worte zu einem neuen zusammen, ergibt das ein Kofferwort. Brunch und Burkini sind Beispiele, Schlepptop und Workaholic. Oder Zorse, aus Zebra und Horse, das speziell die Kreuzung zwischen Pferd und Zebra beschreibt. Auf Reisen (→ Übersee) begegnet man Kofferworten. Beim Motel – mobil und Hotel – fährt man direkt vor; wenn der Mechatroniker den Wagen repariert hat. Man hört sich Reiseempfehlungen für Eurasia oder Ameropa im Podcast an. Dank Brexit bleibt man von Teuro und Stagflation verschont. Um den Megxit kamen die Engländer aber nicht herum, der war bollywoodreif. Der Göffel soll beim Campen praktisch sein, ist aber nicht zu gebrauchen beim Speisen; weder als Gabel noch als Löffel. Tritt der Urlauber mit Socken in den Aldiletten an den Strand, zieht sich beim Betrachter alles zusammen. Tobias Prüwer