Großzügige EU-Finanzierung von Verteidigungsprogrammen

Konkreter und länger sind die Gesetzesvorschläge zur europäischen Rüstungsfinanzierung, die von der Leyen im Grundsatz ebenfalls schon vorgestellt hatte. Sie lassen vor allem erkennen, dass der von der Kommissionschefin aufgerufene Betrag von 800 Milliarden Euro Rüstungsausgaben in den kommenden Jahren nur eine hoffnungsvolle „Schätzung“ ist, wie es ein Kommissionsbeamter formuliert. Vielleicht deshalb hat die Kommission die Finanzierungskonditionen möglichst großzügig formuliert.

Neues EU-Kreditprogramm

Von der Leyen hatte ursprünglich fünf Finanzierungsquellen genannt, von denen die Kommission nun drei – mehr Kredite der Europäischen Investitionsbank, die Aktivierung von mehr privatem Kapital und Umschichtungen in den für die Mitgliedstaaten bestimmten Kohäsionsfonds des EU-Budgets – nur erwähnt, ohne konkrete Beträge zu nennen. Die beiden anderen sind das neue EU-Kreditprogramm Safe, mit dem die Kommission insgesamt 150 Milliarden Euro – abgesichert durch das EU-Budget – an den Finanzmärkten aufnehmen und als Kredite für Rüstungsbeschaffungen an die Mitgliedstaaten weiterreichen will, sowie der Aufruf an alle Mitgliedstaaten, die „nationale Ausweichklausel“ des EU-Stabilitätspakts zu ziehen und dadurch erheblich mehr Geld als bisher für Rüstung auszugeben. Davon erhofft sich die Kommission 650 Milliarden Euro.

Das Safe-Programm von 150 Milliarden Euro will die Behörde mit dem zentralen Ziel des Weißbuchs verschränken, dass die Mitgliedstaaten verschiedene Kategorien von Rüstungsgütern zusammen bestellen und dadurch Geld und Zeit sparen. Safe-Kredite werden nur an Mitgliedstaaten gewährt, die ihre jeweiligen Bestellungen mit mindestens einem Land zusammenlegen. Als weiteren Anreiz will die Kommission für die Mitgliedstaaten die Beschaffungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigen, soweit das in ihrer Macht steht. Der Wettbewerb zwischen einzelnen Anbietern solle zwar nicht grundsätzlich leiden, eine „höhere rechtliche Sicherheit“ für die Unternehmen werde aber angestrebt. Gefördert werden Käufe von Anbietern mit Sitz in Europa, wobei die Produkte zu mindestens 65 Prozent in der EU hergestellt worden sein müssen. Für eine gemeinsame Beschaffung mit Drittstaaten sei das Programm aber offen, heißt es.

Zudem will die EU-Behörde die Konditionen für die Sure-Kredite möglichst günstig für die Staaten gestalten. Als Kredithöchstlaufzeit sind ungewöhnlich lange 45 Jahre vorgesehen, verknüpft mit einem möglichen Zahlungsaufschub von weiteren zehn Jahren. Die Zinsen sollen sich an den Marktbedingungen ausrichten, die für die EU selbst gelten. Die Kommission argumentiert, sie könne mit Sure den meisten Mitgliedstaaten aufgrund ihrer eigenen guten Bonität Zinsvorteile verschaffen. Da die Risikoaufschläge für EU-Kredite in den vergangenen Jahren auch gestiegen sind, profitieren nur noch wenige Staaten von den Zinsvorteilen.

Vorerst keine EU-Verteidigungsbonds

Weitere 650 Milliarden Euro erhofft sich die Kommission von den Mitgliedstaaten. Diese Kalkulation ginge auf, wenn alle Staaten zusätzlich 1,5 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Rüstungsgüter ausgäben. Als Referenzjahr wird 2021 festgelegt. Man hoffe, dass alle Staaten „möglichst koordiniert und gleichzeitig“ von dieser Option Gebrauch machten, hieß es in der Kommission. Die dafür nötige Neuverschuldung kann vom Stabilitätspakt ausgenommen werden. Anders als bei der in der Corona-Pandemie eingesetzten „allgemeinen Ausweichklausel“ muss jeder Mitgliedstaat diese Ausnahme einzeln beantragen. Die Kommission erwartet die Anträge bis Ende April.

Staaten, gegen die ein Defizitverfahren läuft, müssen die dort festgelegten Auflagen vorerst nicht beachten, soweit sie die Ausgabengrenze von 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten. Diese Grenze werde aber eingezogen, um die Schuldentragfähigkeit der Staaten nicht zu gefährden, hieß es in der Kommission. Gegen andere Staaten wird kein solches Verfahren eröffnet.

Prinzipiell soll die nationale Ausweichklausel für Rüstungsausgaben vier Jahre lang gelten. Kommissionsbeamte machten aber darauf aufmerksam, dass für die Klausel in den EU-Budgetregeln keine zeitliche Beschränkung vorgesehen sei. Ihre Geltung könne also „zu gegebener Zeit“ verlängert werden.

Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten die Kommission auf ihrem Sondergipfel vor zwei Wochen aufgefordert, weitere Optionen für die Rüstungsfinanzierung zu prüfen, allerdings unter Beachtung der Schuldentragfähigkeit aller EU-Staaten. Gemeint war damit zum einen die mittlerweile von der Bundesregierung wieder kassierte Forderung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), die erst im vergangenen Jahr reformierten EU-Budgetregeln abermals zu ändern. Zum anderen hatten mehrere Staaten wieder gefordert, neue gemeinsame Schulden zu machen und EU-Verteidigungsbonds auszugeben. Beide Forderungen greift die Kommission vorerst nicht auf.

Der Grünen-Europaabgeordnete Rasmus Andresen kritisierte dies ebenso wie die Tatsache, dass das Sure-Programm nur rückzahlbare Kredite an die Mitgliedstaaten und keine Zuschüsse vorsieht. Der CSU-Abgeordnete Markus Ferber warnte dagegen, die EU dürfe neben der Verteidigungsfähigkeit die Finanzstabilität nicht aus dem Auge verlieren. „Wichtig ist, dass das Geld nicht in Verteidigungsprojekte fließt und nicht genutzt wird, um anderswo Haushaltslöcher zu stopfen.“