Grenzüberschreitend: So will die EU den Stromnetzausbau beschleunigen

Mehr Handel zwischen den Ländern sorgt für größeren Wohlstand – das ist beim Strom nicht anders als bei anderen Gütern. Doch in der Praxis funktioniert dieser Handel nur, wenn es genügend Leitungen („Interkonnektoren“) gibt, welche die Energie über Grenzen hinweg transportieren. Und deren Ausbau hakt gewaltig: Bis zum Jahr 2030 wird Angaben der EU-Kommission zufolge nur gut die Hälfte der eigentlich benötigten Kapazitäten stehen. Die Kosten für die Verstopfung der Netze könnten sich bis dahin auf 26 Milliarden Euro im Jahr belaufen. Der Ausbau der Stromnetze kommt vor allem deshalb nicht voran, weil er extrem teuer ist – 1,2 Billionen Euro veranschlagt die Kommission dafür bis 2040. Ein weiterer gewichtiger Grund ist, dass nicht alle Länder gleichermaßen davon profitieren.

Besonders sichtbar wird das in Südwesteuropa. Die Iberische Halbinsel ist nur sehr spärlich an das europäische Stromnetz angebunden – was Spanien dringend ändern möchte, um sein Netz zu stabilisieren sowie seinen Nachbarn überschüssigen Ökostrom zu verkaufen. Doch Frankreich blockiert entsprechende Pläne seit Jahren. Zum Einen ist das Land schon vergleichsweise gut an das restliche kontinentaleuropäische System angebunden. Zum anderen würde günstiger spanischer Solarstrom wohl die Wirtschaftlichkeit der eigenen Kernkraftwerke schmälern – sodass die Aussicht darauf, den Bau aufwendiger Stromleitungen über die Pyrenäen zu finanzieren, Paris nicht gerade lukrativ erscheint.

Um den grenzüberschreitenden Ausbau von Strom-, aber auch Gas- und CO2-Leitungen dennoch anzutreiben, stellte die EU-Kommission am Mittwoch nun eine Reihe von Maßnahmen vor. „Wir wollen die Energie-Isolation in mehreren Mitgliedstaaten beenden“, sagte die spanische Vizepräsidentin Teresa Ribera vor Journalisten und hatte dabei wohl auch ihr Heimatland im Kopf. „Indem wir die nationalen Netze weiter miteinander verbinden, stärken wir die Resilienz über Grenzen hinweg und erlauben es den Ländern, sich gegenseitig zu unterstützen.“

Genehmigungsprozesse sollen schneller gehen

Konkret will die Kommission die Planung stärker in Brüssel zentralisieren und dafür alle vier Jahre ein zentrales Szenario vorlegen, welches die Erreichung der Klimaziele einpreist und die Grundlage für den weiteren Ausbau der Infrastruktur bilden soll. Bislang ist das vornehmlich Aufgabe der nationalen Übertragungsnetzbetreiber. Um die ärgsten Engpässe zu beheben, sollen dabei acht grenzüberschreitende „Energie-Autobahnen“ im Mittelpunkt stehen, darunter Stromleitungen zwischen Frankreich und Spanien sowie Deutschland und Dänemark, zudem Wasserstoffleitungen von Portugal und Tunesien nach Deutschland. Für den Ausbau sollen die Mittel für das Förderprogramm Connecting Europe Facility im nächsten EU-Haushalt ab 2028 von knapp sechs auf knapp 30 Milliarden Euro aufgestockt werden.

Um die Kosten fairer zu verteilen, sollen Projekte verstärkt gebündelt und gemeinsam finanziert werden. Zentral gelegene Länder wie Deutschland würden davon überdurchschnittlich profitieren, sagte Energiekommissar Dan Jørgensen am Mittwoch. Ziel der Kommission ist auch, die Dauer der Genehmigungsprozesse von zehn auf durchschnittlich fünf Jahre zu halbieren, etwa, indem Projekte von bestimmten Umweltprüfungen ausgenommen und Behörden Fristen vorgegeben werden.

Ob all das reichen wird, die politischen Differenzen etwa zwischen Spanien und Frankreich zu lösen, ist unklar. Mitgliedstaaten werden auch weiterhin über das Recht verfügen, den Ausbau grenzüberschreitender Leitungen zu blockieren, wie Energiekommissar Jørgensen zugab. Der Energieverband BDEW begrüßte die Pläne dennoch. „Wir müssen Energieinfrastruktur ganzheitlich, sektorenübergreifend und grenzüberschreitend denken“, teilte der Verband am Mittwoch mit.