Gottseidank! Joe Biden ist endlich zurückgetreten

Wieso Anerkennung? Warum so viele warme Worte? Verwechseln die da nicht was? Man kann Joe Biden für seinen Einsatz als Präsident würdigen – aber warum für den viel zu späten Rückzug von der erneuten Kandidatur? Was ist daran „groß“? Warum traut sich niemand, öffentlich erleichtert zu sein und laut „endlich!“ oder „Gottseidank!“ zu seufzen, was doch eine vernünftige und allgemein verständliche Reaktion wäre?

Nun sind gerade deutsche Politiker nicht unbedingt dafür bekannt, klare oder gar aufrichtige Worte zu sagen, und sie müssen auch weiter mit dem gewählten amtierenden US-Präsidenten Umgang pflegen. Außerdem soll man sich ja nicht einmischen in fremde Angelegenheiten. Wobei da schon so ein Teufel im Hinterkopf fragt: Kandidat geht nicht, aber Präsident schon? Oder fragen das nur die Falschdemokraten, die Bösen, die Trumps und Orbans dieser Welt? Trump deklassiert denn auch prompt seinen Nichtmehrkonkurrenten Biden als „nicht geeignet“ – er, der ungefähr 1000 Mal weniger geeignet ist, Verantwortung zu übernehmen, die über einen Tweet hinausginge.

Und doch erstaunt die allgemeine Loberei, die nun zu hören ist. Das Füllhorn offizielldeutschen Wohlwollens ergießt sich über Biden, als müsse da ein geschubstes Kind aufgerichtet werden. Geht man so mit Erwachsenen um? Muss man ihn schonen, obwohl er den ersten Fehler doch schon machte, indem er kandidierte, anstatt eine jüngere Nachfolgerin mitaufzubauen? Hätte er nicht spätestens bei den ersten Anzeichen von Nichtmehrklardenkenkönnen als Präsident zurücktreten müssen, um Kamala Harris nach vorne zu schieben und zugleich seiner Partei und seinem Land zu DIENEN, wie es nun bis zum Überdruss heißt? Wäre doch möglich gewesen? Und besser?

Aber sie finden sich halt unersetzlich, diese großen Männer, sie glauben, dass ohne sie die Welt zusammenbricht und sehen gar nicht, dass es mit ihnen viel lauter knirscht. Da ist auch so viel Großtuerei im Spiel, große Männer wollen groß bleiben, und wenn sie schrumpfen, fehlt ihnen die Demut – und den anderen der Mut, Klartext zu reden. Wahrscheinlich, weil die Großredner für sich selbst wünschen, großgeredet zu werden, wenn sie selbst versagen. Eine Politiker-Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Verständlich. Doch ziemlich ärgerlich. Sehr kontraproduktiv. Und peinlich unehrlich.

Katharina Körting, 2024 Arbeitsstipendiatin für deutschsprachige Literatur der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt