Gläubiger einigen sich mit Tojner und Porsche uff Varta-Rettung

Für den angeschlagenen Batteriehersteller Varta zeichnet sich eine Lösung zur Stabilisierung ab. Mehrheitseigner Michael Tojner und der Sportwagenhersteller Porsche einigten sich am Samstag mit vier Kreditfonds und mehreren Gläubigerbanken auf ein Restrukturierungsmodell, um dem baden-württembergischen Unternehmen die Finanzierung für die nächsten Jahren zu sichern. Das Unternehmen braucht rund 100 Millionen Euro, die zum einen Tojner und Porsche bereitstellen und zum anderen durch einen neuen Vorrangkredit aufgebracht werden. Damit ist die Finanzierung des Batterieherstellers bis Ende 2027 gesichert, wie Varta am Samstag mitteilte. Zudem verzichten die Gläubigerbanken auf fast 60 Prozent der an das Unternehmen ausgegebenen Darlehenssumme.

Wie vor vier Wochen angekündigt, will Varta sich im Rahmen des seit Anfang 2021 gültigen Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) neu aufstellen. Dabei werden alle bisherigen Aktionäre einschließlich Mehrheitseigner Michael Tojner ihre alten Kapitalanteile verlieren, was zum Erlöschen der Börsennotierung der Varta-Aktien führt. Neue Gesellschafter werden eine von Tojner kontrollierte Gesellschaft sowie die Porsche AG: Während Porsche 30 Millionen Euro an Barmitteln einbringt, steuert Tojner zehn Millionen Euro in bar und 20 Millionen an Immobilien bei.

Dazu kommt der neue Vorrangkredit in Höhe von 60 Millionen Euro, der von bestehenden Gläubigern gewährt wird. Diese partizipieren künftig zudem über eine virtuelle Beteiligung zu 36 Prozent am wirtschaftlichen Eigenkapital der Varta, die übrigen 64 Prozent teilen sich mit jeweils 32 Prozent die Tojner-Gesellschaft und Porsche. Durch den Schuldenschnitt und eine Verlängerung der verbleibenden Kreditforderungen sinken die Schulden von 485 Millionen auf rund 200 Millionen Euro. „Die heutige wirtschaftliche Einigung stellt einen entscheidenden Wendepunkt für die Zukunft der Varta AG dar“, sagt Tojner zur Einigung. „Trotz der aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen bietet das Unternehmen großes Potenzial, um Europas Batteriezellforschung und -produktion unabhängiger von asiatischen Lieferanten zu gestalten. Gemeinsam mit Porsche wollen wir einen Beitrag dazu leisten.“

Verhandlungen bis tief in die Nacht

Neben der Lösung, auf die sich die beteiligten Parteien nun geeinigt haben, stand ein zweites Modell ohne die Beteiligung von Porsche und Tojner im Raum. Die vier Kreditfonds, die sich in die Bankdarlehen von Varta eingekauft haben, wollten der Varta AG die benötigte Liquidität vor allem über neue Kredite verschaffen. Der Vorschlag von Blue Bay, Deutscher Bank, Hayfin und Blantyre sah vor, dass 20 Millionen Euro aus dem Verkauf von Patenten und 80 Millionen Euro in Form von erstrangigen Darlehen zusammenkommen sollten, die als erstes zurückgezahlt werden müssen. Dieser Vorschlag ist nun vom Tisch. Die Verhandlungen zogen sich am Freitag bis tief in die Nacht hinein, am Ende vertagten sich die Gesprächspartner auf Samstag. Alles hing am Ende von der Zustimmung der Kreditfonds und anderer Gläubigerbanken ab.

Porsche beteiligt sich an der Stabilisierung von Varta, weil der Batteriehersteller in der Zelle V4Drive einen Speicher entwickelt hat, der nach Einschätzung von Porsche in dieser Qualität zurzeit auf dem Weltmarkt ohne Konkurrenz ist. Die Batterie ist eine Booster-Zelle, die sehr schnell Energie aufnehmen und abgeben kann. Der Sportwagenhersteller baut die Zelle in den Turbohybrid-Antrieb im Porsche 911 GTS ein und beseitigt so das Turboloch beim Beschleunigen seines wichtigsten Modells.

Produktion wichtiger Zelle soll ausgegliedert werden

Perspektivisch ist geplant, die Produktion der Zelle in die V4Drive Battery GmbH auszugliedern, an der Porsche dann die Mehrheit übernimmt. „Varta und Porsche arbeiten beim Thema Hochleistungs-Batteriezellen eng zusammen. Mit der geplanten Mehrheitsübernahme von V4Drive wollen wir das Unternehmen voranbringen und damit einen wichtigen Beitrag zum Erhalt von Schlüsseltechnologien am Standort Deutschland leisten“, sagte Porsche-Finanzchef Lutz Meschke.

Die Hochleistungszelle hat Varta mit Hilfe der Förderung im Rahmen der Projekte von gemeinsamem europäischem Interesse (Important Project of Common European Interest – IPCEI) für Anwendungen im Automobilbereich entwickelt. In einem ersten Teilprojekt hat Varta 76 Millionen Euro der zugesagten Fördersumme in Höhe von 300 Millionen Euro genutzt, um Lithium-Ionen-Zellen mit höherer Leistung zu entwickeln und die Produktionsweise dieser Batterien zu optimieren. Ausgangspunkt waren die Knopfzellen des Unternehmens. In einem zweiten Teilprojekt hat Varta weitere 60 Millionen Euro der Fördersumme genutzt, um den neu entwickelten Aufbau der Zellen auf das Zellformat der V4Drive zu übertragen. Die Pilotanlage steht in Ellwangen. Nun wollen Varta und Porsche die Produktion der Zelle am Standort Nördlingen hochfahren. Im kommenden Jahr soll die Anlage in Betrieb gehen. Porsche will sie als Sacheinlage in die V4Drive Battery GmbH einbringen. Es ist geplant, dass V4Drive perspektivisch auch weitere Kunden abseits von Porsche adressiert.

Dramatische Lage auf der Ostalb

Doch dafür ist die aktuelle Einigung die zwingende Voraussetzung, denn die Lage in Ellwangen auf der Ostalb ist seit Herbst 2022 schwierig bis dramatisch: Der Batteriekonzern, der den Umsatz zwischen 2019 und 2021 bei Umsatzrenditen (Ebitda) bis zu 31 Prozent von 363 auf 903 Millionen Euro gesteigert hatte, ist in einer existenziellen Krise. Wegen zurückgehender Bestellungen von Kunden brachen die Erlöse 2022 ein, hinzu kamen steigende Rohstoff- und Energiekosten. Im Zuge eines Sanierungsprogramms kündigte Varta im Frühjahr 2023 den Abbau von weltweit 800 Vollzeitstellen an, allein in Deutschland sollten 390 Arbeitsplätze wegfallen.

Im Februar erschwerte ein Hacker-Angriff die Situation zusätzlich. Wegen der Attacke standen mehrere Produktionen von Varta tagelang still, über Wochen konnten die Mitarbeiter in der Zentrale nicht vollständig auf die Unternehmensdaten zugreifen. Die Folge: Varta hat den Jahresabschluss für das Jahr 2023 noch immer nicht vorgelegt, weswegen das Unternehmen aus dem S-Dax geflogen ist. Die aktuellsten Zahlen stammen aus dem dritten Quartal 2023: Der Umsatz sank im Vorjahresvergleich um 3 Prozent auf 554 Millionen Euro, der Nettoverlust vergrößerte sich dagegen um mehr als das Fünffache auf rund 116 Millionen Euro. Die langfristigen Schulden belaufen sich auf rund 500 Millionen Euro.

Kernproblem sind nach wie vor die viel zu hohen Kapazitäten im sogenannten Coin-Power-Bereich. Das sind wiederaufladbare Knopfzellen, die der Batteriehersteller lange Zeit exklusiv an den Technologiekonzern Apple geliefert hatte, der sie für seine kabellosen Kopfhörer verwendet hatte. Varta hatte dafür die Produktionskapazitäten am Standort Nördlingen massiv ausgeweitet. Die werden nun aber nicht gebraucht, weil die Nachfrage sank und Apple seine Lieferkette auf mehrere Zulieferer umstellte, um sie abzusichern. „Die aktuelle Gesamtjahresauslastung für Coin-Power-Zellen liegt weiterhin deutlich unter 50 Prozent“, erläutert ein Sprecher das Ausmaß der Misere. Hinzu kommt der Einbruch im Markt für Energiespeicher, die Varta in erster Linie auf hohe Lagerbestände im Großhandel zurückführt.

Die ausgehandelte Einigung muss nun vor dem für das StaRUG-Verfahren zuständigen Amtsgericht Stuttgart noch erörtert und vorgestellt werden. Auch wenn alle Beteiligten davon ausgehen, dass das Gericht das Sanierungskonzept bestätigen wird, könnte das endgültige Einverständnis auch erst in einigen Monaten erfolgen.