Ghana | Ghana: Kohorten bewaffneter „Gunmen“ fordern den Staat hervor
Die erste Dienstreise des im Dezember zum Präsidenten Ghanas gewählten John Mahama ging nach Bawku im Nordosten. Die 80.000 Einwohner zählende Handelsstadt mit einem großen Freiluftmarkt nahe der Grenze zu Burkina Faso hat eine Welle der Gewalt erfasst. Es herrsche „eine Atmosphäre von Furcht und Verzweiflung“, so ein Händler. Schon die Ankunft Mahamas in Bawku zeigt, dass dies kein gewöhnlicher Besuch ist. Vor dem Präsidenten fährt ein Panzerwagen mit Maschinengewehr. Als Mahama aussteigt, umgeben ihn Soldaten einer Spezialeinheit. Wer dem Staatschef zujubeln will, wird auf Abstand gehalten.
Dann trifft sich Mahama mit Offizieren der Sicherheitsdienste, die er vor einem „Vakuum“ warnt, und mit den traditionellen Führern, den Chiefs, die hoch angesehen sind. Es soll einen Dialog aller gesellschaftlichen Gruppen geben, um „der Harmonie und einem stabilen Frieden“ zu dienen. Das erscheint bitter nötig.
Die vorherige Regierung hat sich kaum um den seit Jahren schwelenden Konflikt in der Gegend von Bawku gekümmert. Allein seit Oktober 2024 wurden dort 58 Menschen bei Übergriffen getötet, darunter auch Kinder, so ein sieben Monate altes Baby. Gehörten die Täter zu den Streitkräften, oder waren sie Banditen? Schon der Umstand, dass viele Bewohner die Frage so stellen, zeigt, wie sehr in Bawku das Vertrauen in den Staat geschwunden ist.
Die Armee – die Ghana Armed Forces (GAF) – weist alle Vorwürfe von sich. Sie trage eine Mitschuld daran, dass die Konflikte zwischen den ethnischen Gruppen der Mamprusi und Kusasi in der Region Bawku eskalierten. Strittig ist, welche der beiden Ethnien die größeren Rechte hat. Derzeit geht es um den Zugang zu Märkten und Jobs, auch um parteipolitische Vorlieben.
Illegales Goldschürfen verwandelt Fluss Pra in braune Brühe
Die Mamprusi, die ihre Herkunft auf das Mamprugu-Königreich im 13. Jahrhundert zurückführen, halten es eher mit der konservativen New Patriotic Party, während die Kusasi, zu Hause an den ärmlichen Stadträndern, vorwiegend mit dem sozialdemokratischen National Democratic Congress (NDC) sympathisieren. Die Partei des Präsidenten Mahama geht auf den linken Militär Jerry Rawlings (Staatschef von 1981 bis 2001) zurück. Die Kusasi sind größtenteils arme Bauern, die von dem leben, was sie an Mais, Reis, Nüssen und Wassermelonen ernten.
Die Erfahrung, wegen ihrer ethnischen Wurzeln von Märkten und Pfründen ferngehalten zu werden, hat jüngere Kusasi radikalisiert. Ein Grund dafür ist das Schicksal einer Region, in der 52 Prozent Analphabeten sind. Davon getrieben, haben sich Kohorten bewaffneter „Gunmen“ formiert, die sozialer Protest vereint, der in Banditentum und Terror mündet. Derartige Gruppierungen unterwandern nicht nur im Nordosten das Machtmonopol des Staates. Auch das illegale Goldschürfen, genannt „Galamsey“, trägt seinen Teil dazu bei. Es wird mit Chemikalien betrieben, die Boden und Wasser vergiften. Die Folgen sind an der Mündung des Flusses Pra nahe der Hafenstadt Sekondi im Westen zu sehen. Der Pra hat sich in eine braune Brühe verwandelt und war doch früher Trinkwasserreservoir für Millionen.
Warum es schwierig ist für die neue Regierung, den Goldgräbern das Handwerk zu legen, erklärt ein Mitglied der Regierungspartei NDC an der Universität von Cape Coast: „Mächtige Clans vor Ort decken den illegalen Gold-Abbau. Die staatlichen Behörden sind zu schwach und zu anfällig für Korruption.“ Auch müssten alternative Arbeitsplätze geschaffen werden. Für derartige Investitionen aber fehle dem verschuldeten Staat das Geld.
Trotzdem erhält, wer in Ghana nach der Meinung über John Mahama fragt, meist eine positive Reaktion. In den ersten 100 Tagen nach seiner Wahl hat er sich durch einige populäre Maßnahmen beliebt gemacht: Er berief jüngere Minister für ein Land, dessen Durchschnittsalter bei 21 Jahren liegt. Und er verpflichtete die Kabinettsmitglieder, bei Dienstreisen Economy zu buchen. Beifall fand zudem die Abschaffung der Gebühren für einen Geldtransfer per Mobilfunk, die häufigste Art der Überweisung, denn die meisten Bürger Ghanas haben kein Bankkonto.
China ist wichtigster Handelspartner von Ghana
Zustimmung findet Mahama auch mit einer pragmatischen Außenpolitik. Schon kurz nach seiner Wahl betonte er, Ghana werde an der „Ein-China-Politik“ festhalten, was heißt, mehr Distanz gegenüber Taiwan zu wahren, als angelsächsische Länder Ghana nahelegen. China ist mit 11,8 Milliarden Dollar wichtigster Handelspartner des westafrikanischen Landes. Ghana bezieht Textilien, Elektronik und Maschinen, darunter auch Bagger für den Straßenbau. Man hofft auf chinesische Investitionen für die Infrastruktur. Der Bau einer Eisenbahntrasse mit chinesischer Hilfe ist im Gespräch.
Auf gedeihliche Beziehungen setzt Mahama auch gegenüber Russland. Schon eine Woche nach seiner Wahl zeigte er sich öffentlich mit Moskaus Botschafter in Accra. Dass Mahama, der Ende der 1980er Jahre zwei Jahre in Moskau Soziologie studierte, jedoch kein Mann Russlands ist, zeigt ein anderer Schritt. Mit dem Kommandeur des United States Africa Command, General Michael Langley, vereinbarte er mehr Kooperation beim Kampf gegen Terrorismus und Piraterie im Golf von Guinea.
Zugleich setzt Ghanas Präsident auf eine ostentative Nähe zum Nachbarland Mali, das sich mit Frankreich überworfen und eine Allianz mit Niger sowie Burkina Faso gebildet hat: die „Allianz der Sahel-Staaten“ (AES). Mali braucht Strom, den Ghana dank seiner Wasserkraftwerke exportiert. Ghanas Nachbarland Togo erwägt nach den Worten seines Außenministers Robert Dussey einen Beitritt zu diesem Staatenbund, der dadurch Zugang zum größten westafrikanischen Containerhafen in Togos Hauptstadt Lomé erhielte. Dort plant Russland die Eröffnung einer Botschaft, um seinen Einfluss zu heben. Es entsteht ein neuer Machtblock in Afrika, der sich vom Westen offenbar löst.