Gesellschaftsentwicklung: Eifern ist ja so schön

Fünf vor zwölf – die Rechten kommen! Mit wahrlich gnädiger Verspätung im Vergleich zu Nachbarländern hat die Panik auch Deutschland erreicht. Allerorten im Kulturbetrieb, in Gremien, Jurys, Akademien, wird mit gramgrauer Miene von „sich wappnen“ gesprochen, davon, sich einzustellen, „vorzubereiten“ auf das, „was da bald auf uns zukommen wird“. Wann ist bald? Vermutlich frühestens nach den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im September, spätestens nach der Bundestagswahl im kommenden Jahr.

Hier sind zwei unangenehme Nachrichten: Erstens, hier kommt nichts mehr auf uns zu, es ist schon da. Wer sich jetzt noch wappnen will, hat sich in Wahrheit längst arrangiert. Zweitens, hier geht es nicht um die AfD und den unerklärlichen Irrationalismus von – vermeintlich mehrheitlich ostdeutschen – Dummwählern. Vielmehr ist es das katastrophale Werk von uns allen, besonders den gut ausgebildeten, ausdrucks- und meinungsstarken Eliten. Alle haben mitgewirkt, wie so oft in der Geschichte, durch Ignoranz und Unterlassung, aber vor allem durch den diskursiven Furor, dem wir uns hingegeben haben, weil Eifern ja so schön ist. Weil es nichts kostet – außer den Verstand. Und weil es vermeintlich symbolischen Gewinn bringt: liken, haten, tippen, senden – wieder „was geschafft“, jedenfalls für den eigenen Moralmetabolismus.