Gerichtsentscheid: Ultraorthodoxe Juden sollen in Israel künftig Wehrdienst leisten

Der Oberste Gerichtshof Israels hat die Einberufung ultraorthodoxer Juden zum Wehrdienst angeordnet. Damit bestätigt das Gericht die Aufhebung der Ausnahmeregelung vom 1. April. Bislang waren ultraorthodoxe Juden, die sich in einer religiösen Jeschiwa-Schule vollständig dem Studium der heiligen Schriften widmen, vom Wehrdienst befreit.

„Auf dem Höhepunkt eines harten Krieges ist die Belastung durch eine
ungleiche Verteilung der Bürde größer denn je und erfordert eine
Lösung“, hieß es in der Urteilsbegründung der Richter. Es gebe keine juristische
Grundlage, um Ultraorthodoxe von der Wehrpflicht zu befreien. Vielmehr schaffe die Nichtumsetzung des Wehrdienstgesetzes „eine große Diskriminierung zwischen denen, die zum Wehrdienst
verpflichtet sind, und denen, für die keine Maßnahmen ergriffen werden,
um sie (in der Armee) zu mobilisieren“. Das oberste Gericht forderte den Staat zum Handeln und zur Umsetzung des Gesetzes auf.

66.000 Männer im vergangenen Jahr vom Wehrdienst befreit gewesen

Demnach müssen Männer in Israel einen verpflichtenden Wehrdienst von 32 Monaten leisten. Frauen werden für zwei Jahre einberufen. Die Ausnahmeregelung für Strenggläubige gilt seit der Staatsgründung 1948 – damals gab es allerdings nur rund 400 Jeschiwa-Studenten im Land. Im vergangenen Jahr waren es 66.000 ultraorthodoxe Männer zwischen 18 und 26 Jahren, die auf Basis dessen vom Militärdienst befreit waren. Es gibt jedoch auch einige, die freiwillig dienen. Frauen dieser religiösen Strömung sind automatisch vom Militärdienst ausgeschlossen.

Die Regelung sorgt seit Jahren für heftige Debatten in Israel. Immer wieder gab es Anfechtungen von Bürgerbewegungen dagegen, die eine gleichberechtigte Rekrutierung forderten. Der Ausbruch des Krieges im Gazastreifen hat diese Debatte noch einmal verschärft. Zuletzt protestierten Ultraorthodoxe gegen die Aufhebung der Befreiung.

Urteil könnte Folgen für den Fortbestand der Regierung haben

Nun könnte das Urteil des Obersten Gerichtshofs die rechtsgerichtete Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ins Wanken bringen, die teils auf die Unterstützung ultraorthodoxer Parteien angewiesen ist und sich in dieser Frage bislang uneins zeigte. Laut dem Israelischen Institut für Demokratie (IDI) zählen etwa 14
Prozent der jüdischen Bevölkerung Israels und damit fast 1,3 Millionen
Menschen zu den Ultraorthodoxen.

Zuletzt brachte das israelische Parlament am 11. Juni einen Gesetzentwurf zur schrittweisen Einberufung von Ultraorthodoxen wieder auf den Weg. Aus der Sicht von Kritikern wie Verteidigungsminister Joaw Galant ist der von Netanjahu unterstützte Gesetzentwurf aber weit davon entfernt, den Personalbedarf der israelischen Armee zu decken.

Politisch führte der Streit um eine Wehrpflicht der Haredim genannten Bevölkerungsgruppe bereits 2018 zum Bruch der Regierungskoalition. Es folgten zwischen April 2019 und November 2022 fünf vorgezogene
Parlamentswahlen, an deren Ende im Dezember 2022 die rechteste Regierung
in der Geschichte des Landes vereidigt wurde, zu der erstmals auch
rechtsextreme Parteien angehören.