Geraune statt Tatsachen: Sturm im Champagnerglas um Guttenberg und Reiche

Es gibt wieder einmal Geraune im politischen Berlin. Diesmal zu der Frage, ob die private Beziehung von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) mit Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) Einfluss auf die Bewilligung von Fördermitteln für ein Unternehmen hatte, an dem der fränkische Freiherr Anteile hält. Die Faktenlage ist dünn, aber das Raunen reicht, um der Öffentlichkeit den Eindruck von Mauschelei zu vermitteln.
Guttenberg war unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) seit 2009 zunächst Wirtschafts- und dann Verteidigungsminister. 2011 trat er nach Plagiatsvorwürfen und der Aberkennung seines Doktorgrades zurück. Im Frühling 2025, zeitgleich zu Reiches Berufung in die Regierung, machten sie und Guttenberg öffentlich, dass sie „seit geraumer Zeit“ ein Paar seien.
Verschiedene Medien melden jetzt, das Münchner Unternehmen GovRadar, an dem Guttenberg beteiligt ist, habe eine Förderung von knapp 290.000 Euro von Reiches Haus zugesagt bekommen. Die Berichte erheben keine direkten Vorwürfe des Nepotismus, deuten aber an, die Beziehung könnte Einfluss gehabt haben.
Insinuierende Fragen in der Presse
Eine Überschrift lautet „Lebensgefährte bevorteilt?“ In den Texten werden insinuierende Fragen gestellt, etwa: „Wusste Reiche etwas?“ Oder: „Hat sie versucht, einen möglichen Interessenkonflikt abzuwenden?“ Als vermeintliche Bestätigung für Unstatthaftes liest man, die Liaison sorge „in Berlin schon länger für Getuschel“. Während Reiches Antrittsbesuch in Washington sei Guttenberg gleichzeitig dort gewesen. Sie habe eine Denkfabrik besucht, mit der er kooperiere.
Später hätten die beiden das Oktoberfest und einen Wintersportort in Österreich besucht. In einem „Luxushotel“ hätten Guttenberg und Ex-Kanzler Sebastian Kurz einen „exklusiven Kreis aus Politik und Wirtschaft“ zusammengebracht. „Ob sich dort auch Kontakte mit Reiche anbahnen ließen, will das Ministerium nicht verraten“, heißt es verschwörerisch.
Die Angaben aus Reiches Haus sind weniger aufgeregt. GovRadar erhalte Fördermittel aus dem Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) des Ministeriums, sagte eine Sprecherin am Donnerstag. Doch nicht das Ministerium prüfe die Förderwürdigkeit, sondern wissenschaftliche Gutachter. Auch verwalteten nicht Ministeriale, sondern Projektträger, also externe Dienstleister, die ZIM-Förderung: „Das Ministerium wurde bei der Förderung für GovRadar nicht eingebunden. Es besteht grundsätzlich kein direkter Kontakt der Unternehmen mit dem Ministerium und keine Befassung des Ministeriums mit einzelnen Anträgen.“ Die Prüfung erfolge „ausschließlich anhand der Vorgaben der Förderrichtlinie“.
Ministerium: „Ein Bezug zur ZIM-Förderung bestand nicht.“
Das Ministerium bestätigt, dass das ZIM am 8. September 287.236 Euro für GovRadar bewilligt habe. Bereits in den beiden Vorjahren gab es Bewilligungsbescheide über 111.000 Euro und 40.000 Euro. Diese Zusagen erfolgten also unter Reiches Vorgänger Robert Habeck (Grüne), dessen Haus nicht in dem Ruf stand, mit CSU-Politikern zu kungeln. Auch das Finanzministerium hat GovRadar gefördert. Die Mittelzusagen sprechen eher dafür, dass GovRadars Produkte überzeugten: Das Start-up hilft mit Künstlicher Intelligenz, öffentliche Ausschreibungen schneller und damit kostengünstiger abzuwickeln.
Als Hinweis darauf, dass jetzt auch das Ministerium selbst der Guttenberg-Verbindung nachgehe, wird in der Presse angeführt, dass das zentrale Vergabereferat „aufgrund eines Medienberichts über GovRadar eigenständig Kontakt zu der Firma aufgenommen habe“. Das habe das Ministerium „eingeräumt“. Bei der Kontaktaufnahme ging es aber nach Angaben der Sprecherin um etwas anderes, nämlich um Erfahrungen Nordrhein-Westfalens mit KI-Lösungen von GovRadar: „Ein Bezug zur ZIM-Förderung bestand nicht.“
Guttenbergs Berliner Büro antwortete auf eine Anfrage bis Redaktionsschluss nicht. Dem „Spiegel“ sagte er, er würde für Unternehmen, in die er investiert sei, keine Mitglieder der Bundesregierung befassen, „schon gar nicht meine Lebensgefährtin“. Auch GovRadar wies zurück, dass er in die Fördervorgänge eingebunden sei.
Dem Handelsregister zufolge hält die Guttenberg Ventures GmbH, die dem Namensträger gehört, 0,9152 Prozent an GovRadar. Der Nominalwert der Beteiligung am Stammkapital von 36.385 Euro macht 333 Euro aus. Laut Jahresabschluss betrug GovRadars Umsatz 2023 rund 880.000 Euro. Unterm Stich fiel ein Jahresfehlbetrag von etwa 764.000 Euro an.