Georgien: Ausschreitungen nachher Georgiens Absage an die EU

Die Absage der georgischen Regierung an Beitrittsgespräche mit der EU hat in der Südkaukasusrepublik Proteste ausgelöst. In der Hauptstadt Tbilissi versammelten sich bis in die späten Abendstunden im Zentrum mehrere Tausend Menschen am Parlamentsgebäude und blockierten die wichtigste Straße der Stadt. Viele von ihnen schwenkten Flaggen der EU und Georgiens

Ein Großaufgebot bewaffneter Polizisten riegelte offizielle Gebäude ab und hielt die Menge auf. Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten, dass Sondereinsatzkräfte der Polizei in der Nacht mit Tränengas und Wasserwerfern gegen friedlich demonstrierende Menschen vorgingen. Später setzte sie auch Gummigeschosse ein und schlug Protestierende und Journalisten. Lokalen Medien zufolge wurden mehrere Protestierende und Journalisten verhaftet. Demonstrierende setzten Barrikaden in Brand.

Proeuropäische Kundgebungen mit Hunderten Teilnehmenden wurden auch aus
den großen georgischen Städten Batumi, Gori und Sugdidi gemeldet. In der
westlichen Stadt Kutaissi nahm die Polizei mehrere Protestierende fest,
wie der unabhängige Fernsehsender Pirweli berichtete.

Das Innenministerium bezeichnete das Vorgehen der Polizei als im Einklang mit dem Gesetz, um die Situation zu deeskalieren. Demonstrierende hätten Polizisten angegriffen, drei Beamte seien verletzt worden.

Die Staatspräsidentin Surabischwili schloss sich dem Protest an

Die proeuropäische Staatspräsidentin Salome Surabischwili hatte sich dem Protest angeschlossen. Sie appellierte an die Sicherheitskräfte, nicht gegen die Demonstrierenden vorzugehen. Zugleich forderte sie eine Wiederholung der Parlamentswahl von Ende Oktober, gegen die es Fälschungsvorwürfe gibt. Offiziell ist ein Sieg der Regierungspartei Georgischer Traum erklärt worden.

Surabischwili wirft der Regierung einen „konstitutionellen Putsch“ vor.
„Heute ist das Ende eines Weges, der in Europa begonnen hat und nach
Russland führt“, sagte sie. Georgien werde seine Unabhängigkeit an
Russland verlieren, warnte sie.

Diplomaten kritisieren eigene Regierung

Am Nachmittag hatte der nationalkonservative Ministerpräsident Irakli Kobachidse den Beitrittsprozess für gestoppt erklärt. Vor Ende 2028 werde Georgien nicht mit der EU über einen Beitritt verhandeln und bis dahin auch keine Haushaltszuschüsse der EU annehmen. Er wertete Kritik der EU am zunehmend autoritären Kurs seiner Partei Georgischer Traum als unangemessenen Druck auf sein Land. Die
Bedingungen der EU für die Aufnahme seien „Erpressung“.

Neben den Demonstrierenden kritisierten auch 90 georgische Diplomaten Kobachidses Ankündigung, die weitere EU-Integration des Landes zurückzustellen. Diese Entscheidung widerspreche den „strategischen Interessen des Landes“ und der georgischen Verfassung und werde zu einer „internationalen Isolation“ Georgiens führen, warnten sie.

Die Opposition will am Europakurs festhalten

Die frühere Sowjetrepublik Georgien hatte 2023 gemeinsam mit der Ukraine und der Republik Moldau den Status eines EU-Beitrittskandidaten erhalten. Das Verhältnis hat sich aber extrem verschlechtert, weil die Regierungspartei zunehmend europakritisch agiert und einen angeblichen ausländischen Einfluss im Land beschränken will.

Die EU forderte die georgische Regierung unter anderem dazu auf, ein
umstrittenes Gesetz vom Mai zu „ausländischer Einflussnahme“ zurückzuziehen, und hat deshalb die Annäherung ausgesetzt. Die Opposition will am Europakurs festhalten und beschuldigt die Regierung, Georgien wieder an Russland annähern zu wollen. Sie wirft ihr außerdem vor, ihr Wahlsieg sei nur durch Manipulation erreicht worden.