Gefangenenaustausch: „Die anderen verstanden sehr schnell, dass ich kein Spion war“

Wenn er morgens aufwacht, weiß er manchmal nicht sofort, wo er ist. Dann muss er erst zu sich kommen, sich vergewissern, dass er nicht träumt. Dass er nicht mehr im Straflager Nummer 14 einsitzt, im Nordwesten Russlands. Sondern im 3.000 Kilometer entfernten bayerischen Würzburg. So spricht Kevin Lick über sein neues Leben. „Mir kommt es immer noch surreal vor, ohne Konvoi und Handschellen durch die Stadt zu gehen“, sagt der heute 19-Jährige.

Als wir uns im Garten der Residenz treffen, ist der Gefangenenaustausch mit dem Westen gerade drei Wochen her. Lick ist einer der 16 Menschen, die dabei aus russischer Haft freikamen. Der gebürtige Deutsche war im Februar 2023 in Russland festgenommen worden, wo er seit dem zwölften Lebensjahr mit seiner russischen Mutter gewohnt hatte. Damals wollten sie zurück nach Deutschland, waren schon unterwegs zum Flughafen. Wegen angeblichen Landesverrats wurde er zu vier Jahren Haft verurteilt. Man warf ihm vor, Fotos, die er vom Militärstützpunkt in Maikop in der autonomen Republik Adygeja, gemacht hatte, an deutsche Behörden weitergeben zu wollen. Das Motiv lag für Lick dabei sehr nah, wie er erzählt: Aus seinem Kinderzimmer konnte er hinüberblicken, so wie alle anderen Bewohner des Hauses.